In Kalifornien aufgewachsen unterrichtet Patrick Broome seit über 20 Jahren Yoga. Jürgen Klinsmann holte ihn erstmals zur Fußballnationalmannschaft. Broomes Stunden sind freiwillig – außer am Tag nach einem Match, da müssen alle, die für den DFB gespielt haben, auf die Matte.
WirtschaftsWoche: Kann Yoga siegen helfen?
Patrick Broome: Yoga hilft, sich selbst zu spüren, Körpergefühl zu entwickeln und besser zu schlafen. Die Regeneration ist der Faktor, von dem man weiß, dass man noch am meisten herausholen kann. Wer sich schnell erholt, kann schnell wieder Höchstleistung bringen.
Ein Spieler wie Jens Lehman war anfangs wenig begeistert von dem Angebot, weil er fürchtete, den Biss zu verlieren. Ist da was dran?
Lehmann ist immer noch sehr impulsiv, wie man sieht. Yoga hat ihn nicht weich geklopft! Yoga kann den Spielern helfen, Spannungen loszuwerden. Wenn ich vor dem Spiel mit dem Torhüter Manuel Neuer trainiere, hat er einen butterweichen Körper. Im Spiel verwandelt sich der Körper in einen Felsklotz. Da ist er froh, wenn andere ihn unterstützen können, die Spannungen wieder los zu werden.
Spitzenmanager müssen wie Fußballer Ergebnisse liefern. Sehen Sie eine Parallele?
Spitzenmanager stehen genauso unter Druck. Bei ihnen ist die Bereitschaft, sich für Yoga zu öffnen, allerdings noch sehr gering. Viele wollen während ihrer Midlife-Crisis lieber einen Marathon laufen und fügen ihrem Leben leider noch einen Stressfaktor hinzu, statt auf der anderen Seite in ihrem Leben zu schauen, wie sie sich ein wenig runterfahren könnten. Yoga wirkt auf einer viel tieferen Ebene, auf der nervlichen und hormonellen, so dass man wirklich den Körper durch diese Arbeit viel länger leistungsfähig und gesund halten könnte. Aber da gibt eben noch zu sehr das Stigma, dass es eine Frauengymnastik in der Volkshochschule ist.
Haben Manager genauso Angst, den Biss zu verlieren?
Offenbar. Dabei bewirkt Yoga ja das Gegenteil. Mit Yoga bist du bissiger und fokussierter, es gibt dir Kraft. Die meisten Leute denken, dass Yoga weich und beweglich macht, dass es um Mitgefühl und Liebe geht. Beim Yoga geht es vornehmlich darum, den Energiehaushalt unter Kontrolle zu halten, wenn man älter wird. Das weiß nur kaum jemand.
Hilft Yoga im Umgang mit Emotionen?
Yoga hilft, dich auf die entscheidenden Dinge zu konzentrieren und dich nicht von Gefühlsgeplänkel beeinflussen zu lassen, das stattfindet, wenn Menschen miteinander arbeiten. Man lernt, einen kühlen Kopf zu behalten, auch wenn die sprichwörtliche Kacke am Dampfen ist. Der Sumpf, der in jedem von uns brodelt, den kannst du intelligenter handhaben. Die positiven Gefühle kannst du immer noch nutzen, deine Freude, deinen Enthusiasmus.
Wie ist das bei den Spielern und den Emotionen, etwa nach einem verlorenen Spiel?
Meist fliegen wir zum Camp, kommen spät in der Nacht zurück und sie bekommen ein Regenerationstraining. Gerade nach einer Niederlage, da lässt man die ganz in Ruhe. Die ziehen die Kapuze über's Gesicht, Kopfhörer an und bis zum nächsten Morgen haben die das auch wieder verarbeitet.
Haben Sie etwas von den Spielern gelernt?
Ich habe gelernt, ganz sicher zu arbeiten, was Gelenke betrifft. Ich habe ja Kapital in der Hand, da darf nichts passieren. Übungen, die gefährlich sind für den unteren Rücken und Knie lasse ich ganz aus. Ich habe generell meinen Unterricht verändert. Was ich von den Fitnesslehrern gelernt habe, wende ich nun auch bei Managern an, damit die sich nicht verletzen. Die sind oft ähnlich unbeweglich wie früher die Fußballspieler.
Sind die Spieler heute flexibler?
Fußball ist heute ganz anders als vor 15 Jahren. Da liegen Welten dazwischen. Von den Spielern geht keiner mehr pumpen. Die haben alle ganz drahtige Körper, auch die kleinen Muskeln sind austrainiert. Sie sind viel beweglicher, auch im Kopf.
Sie verzichten vermutlich auf Räucherstäbchen bei der Nationalelf?
Ich habe das alles rausgenommen, was befremden könnte. Aber ein paar Spieler wollen es gerne heimelig haben. Der eine bringt ein Duftkerzchen mit, der andere die Musik. Und dann akzeptieren es die anderen Spieler auch, weil es aus ihrem Kreis herauskommt. Mir ist das Wichtigste, sie so sein zu lassen, wie sie sind.
Was meinen Sie damit?
Am Anfang hatten alle die Socken an beim Yoga, weil sie sich nicht die Füße zeigen wollen. Das ist so ein Fußballerding. Und irgendwann haben sie die dann ausgezogen. Ich versuche nicht, sie zu beraten und zu coachen. Ich lasse sie so sein, wie sie sind und helfe ihnen, runterzukommen. Ich kann ihnen anbieten, runterzukommen. Eine Lücke zu finden in diesem Wahnsinn, den sie leben.
Wie können wir uns die Yogaeinheiten der Nationalelf vorstellen?
Ich bin kritisiert worden, dass mein Yoga zu einfach ist. Ich möchte keinen Wettbewerb da drin haben, dass der eine was kann, was der andere nicht kann. Klar gibt es Leute, die würden gerne einen Handstand oder eine Krähe für ihr Instagram machen, aber das lernen sie bei mir nicht. Spieler sind in einem Umfeld, in dem sie sich ohnehin schon optimieren müssen.
Werden Sie nach dem Trainerwechsel Yogalehrer der Nationalmannschaft bleiben?
Hansi Flick kenne ich mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser als Joachim Löw. Mein Traum wäre, dass das Yoga professionalisiert würde. Es müsste einen fixen Ansprechpartner geben, der Yoga auch in der Akademie in die Jugendmannschaften trägt. Ich wüsste da jemanden, dann würde ich die Position räumen. Wenn das so bleibt, wie es ist, würde ich auch gerne unter Hansi Flick weitermachen.
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