Zufriedenheit Das Geheimnis des wahren Glücks

Der große Erfolg macht natürlich glücklich. Aber wer hat den schon? Auf das Unerreichbare zu verzichten und zufrieden zu sein, ist der Weg zum Glück. Keine leichte Übung!

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Zen-Meditation kann zu mehr Gelassenheit führen.

In Robert Enricos schönem Film "Die Abenteurer" ragt unter vielen schönen Szenen eine ganz besonders hervor: Die beiden Helden Roland (Lino Ventura) und Manu (Alain Delon) kommen zu den Adoptiv-Eltern ihrer verstorbenen Freundin Laetitia in die französische Provinz. Sie wollen den alten Menschen einen Anteil an dem Millionenschatz geben, den sie mit Laetitia vom Meeresgrund gehoben haben. Doch die Leute, die in mehr als bescheidenen Verhältnissen als Schäfer leben, wollen das Geld nicht haben. "Danke, aber wir haben alles. Wir brauchen nichts." Diese beiden alten Menschen haben ihren Seelenfrieden gefunden. Manu und Roland dagegen sind rastlos auf der Suche nach dem großen Abenteuer.

Dass das wahre Glück in der Zufriedenheit liegt, schreibt Susie Reinhardt in der Zeitschrift "Psychologie Heute". Der Weg dahin, so rät sie, führt über den Verzicht auf das Erreichen immer neuer Ziele. Zunächst einmal ist aber zu unterscheiden zwischen Freude, Glück und Zufriedenheit. Freude ist ein kurzfristiges Gefühl infolge angenehmer Ereignisse. Glück - in dem hier interessierenden Sinne - ist ein Gefühl des Wohlbefindens, das länger anhält als Freude. Und Zufriedenheit ist ein langfristiges Lebensgefühl, das Ausgeglichenheit und ein positives Resümee des eigenen Lebens bedeutet.

Der Psychologe Jochen Brandstädter hat ein einfaches Modell der Zufriedenheit entwickelt: Danach beruht Zufriedenheit auf dem Ergebnis eines Vergleichs zwischen Soll und Ist des eigenen Lebens. Kommt das Soll dem Ist gleich oder übertrifft es sogar, ist man zufrieden. In der Konsequenz gibt es zwei Wege zur Zufriedenheit: Ziele erreichen (Ist-Zustand heben) oder Ansprüche (Soll) senken. Klingt einfach. Zumindest die Senkung des Solls scheint schließlich jedermann frei zu stehen. Doch da kommt die kulturelle Prägung dazwischen. Westliche Kulturen programmieren Menschen darauf, den ersten Weg der Zielerreichung zu beschreiten. Man muss sich die großen Künstler, Entdecker, Erfinder, Staatsmänner als Menschen vorstellen, die bis zur Erfüllung ihrer Werke unzufrieden waren. Zufriedene Menschen schaffen keine großen Kunstwerke, entdecken keine fremden Länder, gründen keine Unternehmen. Aber sie begehen auch keine Verbrechen und führen keine Eroberungskriege.

Reinhardt empfiehlt Menschen, die zufriedener mit ihrem Leben sein wollen, vor allem diese Strategien:

Gelassenheit üben. "Wer es nicht schafft, manche Sachen eine Weile im suboptimalen Zustand "sein" zu lassen - der wird im Verbessern, Verschönern, Erledigen und Geraderücken untergehen" Wichtig ist: Man muss zunächst erkennen, welche Ziele erreichbar und damit glücksstiftend sind und welche nicht. Die unerreichbaren sollte man aufgeben. Unglückliche Menschen sind oft solche, die sich an unerreichbare Ziele klammern. Die „Kunst der Gelassenheit“ ist das Loslassen der übergroßen Wünsche. Sie beginnt damit, erst einmal nichts zu tun, langsam vom Ziel Abstand zu nehmen und sich - vielleicht - ein anderes, erreichbares zu geben.

Üben kann man eine "reflektierte Indifferenz", also sich nicht an Wünsche zu klammern und für Alternativen zu diesen stets offen zu bleiben. Die antike Denkschule der Stoa empfiehlt entsprechend, alle materiellen Güter, die verloren werden können, als unbedeutend und belanglos zu betrachten.

Nicht bewerten. Zen-Buddhisten raten dazu, nicht unentwegt Ereignisse, Menschen, Dinge oder Gedanken zu beurteilen. Zen-Meditation hat auch das Ziel, zu erkennen, dass Gedanken nicht unbedingt zum Handeln zwingen. Das, was passiert, greift einen im Kern nicht mehr an, ob es nun Ereignisse sind oder einschießende Gedanken. Keine leichte Übung!

Anderen Menschen zuwenden. Zufriedenheit ist ein persönliches Ziel. Der Weg dorthin führt aber meist über andere Menschen, die mit uns reden, uns unterstützen, und mit denen wir uns freuen. So schwer es ichbezogenen Bewohnern der modernen leistungs- und Konsumgesellschaften fällt: Die Zuwendung zum anderen, das Mitgefühl ist der Baustein dafür, dass Gemeinschaft erlebt werden kann und man sich in den Dienst aller stellt. Schöner als jeder Psychologe lehrte das übrigens Wolfram von Eschenbach schon vor 800 Jahren in seiner Parzivalsgeschichte: Parzival versagt in der Gralsburg und bleibt unglücklich, weil er dem angeschlagenen Schlossherrn Anfortas nicht die erlösende Frage stellt: "Woran leidest Du?"

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