Schnell noch einen Kaffee runterkippen, dann sofort den Laptop hochfahren und Emails beantworten. So beginnt für viele Deutsche der ein oder andere Urlaubstag. Dabei könnte es doch ganz anders sein: In aller Ruhe frühstücken, dann das Badehandtuch einpacken und ab ans Meer. Urlaub soll entspannen, nicht ermatten. Doch das ist leichter gesagt, als getan.
Erst kürzlich hat eine Umfrage des Bürodienstleisters Regus ergeben, dass fast die Hälfte aller deutschen Beschäftigten im Urlaub bis zu drei Stunden täglich arbeiten. Sieben Prozent investieren sogar noch mehr Freizeit in Telefonkonferenzen, Email-Verkehr oder die Fernsteuerung der untergebenen Mitarbeiter.
Kein Wunder, dass alleine in den Dax30-Konzernen zehntausende Mitarbeiter von Burnout betroffen sind. Viele Beschäftigte haben das Gefühl, ihr Chef erwarte ständige Erreichbarkeit - auch im Urlaub. Doch das stimmt oft nicht, meint Carmen Binnewies, Psychologieprofessorin an der Universität Münster.
"Es sind nicht immer die verständnislosen Vorgesetzten Schuld, sondern es liegt auch in der Verantwortung der Arbeitnehmer, ihre Bedürfnisse zu kommunizieren", sagt sie. Viele Chefs müssten einfach nur darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie ihre Mitarbeiter im Urlaub nicht behelligen sollen. Denn "wenn Führungskräfte und Mitarbeiter unterschiedlich ticken, kann es leicht zu Missverständnissen kommen". Ein Vorgesetzter, der selbst permanent erreichbar ist, denkt nicht über die Bedürfnisse seines Mitarbeiters nach, bevor er ihn aus dem Liegestuhl klingelt.
Auch Telekom-Personalvorstand Marion Schick hält ein offenes Gespräch über solche Themen für "die beste Waffe gegen Email-Terror und Handy-Stress".
Die Schwierigkeit zu entspannen
Doch den Chef ruhigzustellen, ist nur der erste Schritt. Viel schwieriger ist es, den eigenen Gedanken eine Auszeit zu verordnen. Denn Entspannen ist meist eine Frage der eigenen Bereitschaft dazu. Der Psychotherapeut Peter Groß aus Köln kennt reichlich Manager mit diesem Problem. "Am schlechtesten können die ehrgeizigen Karrieristen abschalten", sagt er. Sie hätten ständig das Gefühl, etwas tun zu müssen und unentbehrlich zu sein. "Die brauchen schon eine Woche, um sich überhaupt mal auf den Urlaub einzulassen", sagt Groß.
Und da sind die wohlverdienten Ferien in vielen Fällen schon wieder vorbei. Denn über 17 Prozent der Deutschen verreisten 2011 lieber öfter kürzer, als einmal länger. Eine Tendenz, die auch Groß befürwortet. Er empfiehlt zweimal im Jahr jeweils eine Woche frei zu nehmen und den Rest für einen längeren Urlaub zu verwenden.
Mentale Auszeit
Schlimmer geht immer – Wo noch mehr gearbeitet wird!
Unsere direkten Nachbarn sind noch fixierter auf ihre Arbeit. 51 Prozent arbeiten bis zu drei Stunden täglich in ihrem Urlaub und elf Prozent sogar noch länger.
Wer bei dem südamerikanischen Land nur an die Copacabana und den farbenfrohen Karneval denkt, irrt. Dort wird hart geschuftet – sogar im Urlaub. Mehr als die Hälfte der befragten Brasilianer arbeitet mehr als drei Stunden pro Tag.
Im Reich der Mitte gibt es scheinbar kein Entkommen vor der Arbeit. 47 Prozent arbeiten im Urlaub bis zu drei Stunden täglich, 44 Prozent packen nochmal die eine oder andere Stunde drauf.
Zwar arbeiten in Frankreich nur 44 Prozent der Befragten bis zu drei Stunden, also weniger als in der Bundesrepublik. Dafür liegt die Zahl derjenigen, die über drei Stunden arbeiten, deutlich höher – nämlich bei 14 Prozent.
In Indien ist das Arbeiten in der Freizeit wesentlich ausgeprägter. Über die Hälfte der Beschäftigten arbeitet bis zu drei Stunden täglich, 27 Prozent sogar darüber hinaus.
Auch im dritten asiatischen Land wird während der Freizeit geschuftet. 45 Prozent arbeiten bis zu drei Stunden, 21 Prozent noch länger.
Das nordamerikanische Land ist nicht gerade für Hektik und Stress bekannt, dennoch wird auch dort im Urlaub eifrig gearbeitet. Über die Hälfte der Kanadier beschäftigen sich bis zu drei Stunden täglich mit Ihrem Job.
Knapp die Hälfte der Mexikaner geben an, sich im Urlaub täglich bis zu drei Stunden mit ihrem Job zu beschäftigen. Ein weiteres Viertel kümmert sich sogar mehr als drei Stunden um Geschäftliches.
Ganze 61 Prozent der befragten Südafrikaner arbeiten bis zu drei Stunden täglich in ihrem Urlaub. Besonders eifrig sind die Bewohner der südafrikanischen Metropole Johannesburg.
In den USA ist der Prozentsatz der Urlaubs-Arbeiter ähnlich hoch. 58 Prozent sind bis zu drei Stunden täglich mit ihrem Job beschäftigt.
Und selbst in dieser Zeit rät Groß von Fernreisen ab. Sie seien für den Körper anstrengend, weil oftmals Zeitverschiebung und Klimaunterschiede zusätzlich belasten. Doch die Lust auf das Exotische, lässt viele die Strapazen vergessen. Eine Umfrage unter mehr als 4000 ADAC-Mitgliedern ergab, dass fast 15 Prozent 2012 außerhalb Europas Urlaub machen. Über die Hälfte der Befragten verreisen im europäischen Ausland und die restlichen 35 Prozent machen Urlaub in Deutschland.
Doch egal ob auf Hawaii, in der Toskana oder in der Eifel, um richtig zu entspannen, reicht es nicht den Laptop zugeklappt zu lassen und das Handy auszuschalten. Der Urlauber sollte einiges mehr beherzigen.
Erstens: Vor dem Urlaub sollten alle Projekte im Büro abgeschlossen werden. Da dies leider nicht immer möglich ist, empfiehlt Psychotherapeut Groß, die liegengebliebene Arbeit an einen Stellvertreter zu delegieren. Dieser muss klar benannt und über alles im Bilde sein. Nur so kann man seinen Urlaub bis zum Schluss genießen. Denn: "Wenn man weiß, dass sich in den Wochen der Abwesenheit die Arbeit aufgetürmt hat, kann man die letzten Urlaubstage nicht richtig entspannen. Schon der Gedanke an die bevorstehende Arbeit löst Stress aus", sagt Groß.
Eine andere Lösung für unbeendete Projekte vor dem Urlaub hat die Arbeitspsychologin Carmen Binnewies von der Universität Münster parat. Sie rät, alles aufzuschreiben, was nach dem Urlaub ansteht. Eine To-Do-Liste nimmt dem Urlauber die Angst, etwas Wichtiges vergessen zu können. "Wenn Sie schon auf Reisen sind und Ihnen fällt etwas ein, schreiben Sie es auf und verbannen Sie dann den Zettel bis Sie wieder im Büro sind", empfiehlt die Professorin.
Zweitens: Seien Sie unabhängig und tun Sie nur, wozu Sie Lust haben. Lassen Sie sich nicht wie im Arbeitsalltag von Terminen und Abgabefristen beherrschen. Der Zeitplan im Urlaub sollte möglichst locker getaktet sein und auch spontan geändert werden können. Tagesausflüge im Voraus zu buchen, ist zwar nicht verboten, aber dazwischen Freiräume zu lassen, ist auf jeden Fall empfehlenswert. Denn nur wer genau das tut, worauf er Lust hat, kann sich entspannen.
Keine Zwänge, keine Verpflichtungen – selbst wenn das bedeutet, sich für einen Tag von seiner Reisebegleitung zu trennen. "Dann muss der eine am Strand bleiben und der andere geht ins Museum. So einfach ist das", sagt Binnewies. Und schon bei der Urlaubsplanung sollte diese Kompromisslosigkeit beginnen. Denn was bringt es ihnen, mit Freunden in den Alpen zu wandern, wenn Sie eigentlich lieber zum Surfen an den Atlantik wollen? Das eigene Vergnügen sollte bei der Urlaubsplanung im Mittelpunkt stehen. Psychotherapeut Groß hat sogar gegen bestimmte Arbeiten nichts einzuwenden, solange sie Freude bereiten. "Es gibt zum Beispiel Menschen, die sich am besten entspannen können, wenn sie an Ihrem Ferienhäuschen rumwerkeln", erzählt er aus seiner täglichen Praxis.
Keine Verpflichtungen
Die liebsten Reiseziele der Deutschen 2012
Die Insel landet in der Gunst der deutschen Urlauber auf Platz zehn. Das ergab eine Studie des ADAC.
Der nördliche Nachbar der Bundesrepublik ist die neuntbeliebteste Destination außerhalb Deutschlands.
Das Land auf dem Balkan ist bei den Befragten ebenfalls beliebt. Die Adria-Küste und die vielen Nationalparks locken die Deutschen.
Das südeuropäische Krisenland kann weiterhin deutsche Urlauber für sich begeistern. Zwei Prozent der Befragten geben an, nach Griechenland zu fahren.
Auf Platz sechs der beliebtesten Reiseziele der Deutschen liegen die skandinavischen Länder. Sie sind abwechslungsreich und bieten die Möglichkeit zu Städtereisen oder Natururlauben.
Über drei Prozent wollen 2012 in die Türkei reisen. Genauso viele, wie nach…
Der große Nachbar westlich der Bundesrepublik kommt gemeinsam mit dem Fürstentum Monaco auf Platz vier der Rangliste.
Das Alpenland schafft es mit 5 Prozent auf das Treppchen. Vor allem für den Wintersport ist Österreich ein beliebtes Ziel.
Das südeuropäische Land kann neun Prozent der deutschen Urlauber von sich überzeugen. Damit liegt es gleich auf mit Spitzenreiter Italien.
Neun Prozent der Befragten wollen 2012 ihren Urlaub in einer der zahlreichen Tourismusregionen Italiens verbringen.
Die dritte Voraussetzung, um vollkommen erholt aus dem Urlaub wieder zu kommen, ist der Kontrast zum Alltag: "Wer den ganzen Tag im Büro sitzt, dem tut etwas Bewegung im Urlaub meist gut", sagt Binnewies. Aber Vorsicht" Sie sollten es auch nicht übertreiben. "Es muss ja nicht gleich ein Sechstages-Marsch durch die Anden sein, ein längerer Strandspaziergang ist viel entspannender", empfiehlt Psychotherapeut Groß. Wer, wie viele Topmanager, ständig zwischen den Wirtschaftsmetropolen der Welt hin- und herfliegt, sollte es im Urlaub ruhiger angehen lassen.
Wie die Deutschen 2011 ihren Urlaub verbracht haben
Über drei Prozent der Befragten entschieden sich 2011 für einen Kreuzfahrt, um sich auf dem Meer zu erholen und verschiedene Länder kennenzulernen. Das ergab eine Umfrage des Onlineportals lastminute.de und des Markforschungsunternehmens GfK.
Mehr als fünf Prozent ließen sich so richtig verwöhnen.
Jeder zehnte buchte eine klassischen Pauschalreise, was meist bedeutete: Am Strand liegen und nichts tun.
Nahezu jeder Fünfte füllt seinen Urlaub mit einem kulturellen Programm. Auf der Erkundungsliste stehen Städte, Kirchen, Tempel und Museen.
Jeder fünfte Befragte stimmt seinen Urlaub komplett auf Kinder und Familie ab.
Wellnessurlaub im Fünfsternehotel oder mit den Kindern am Strand liegen, sind willkommene Gegenpole zum stressigen Arbeitsleben. Doch auch hierbei ist es wichtig auf die innere Stimme zu hören. Den ganzen Tag Faulenzen stellt nicht jeden zufrieden. "So mancher geht nach zwei Tagen im Liegestuhl die Decke hoch", sagt Carmen Binnewies.
Erholung konservieren
Wenn man es richtig macht, steht der Erholung nichts im Wege. Doch mindestens genauso wichtig ist es, das Gefühl der Entspannung in den Alltag herüberzuretten. Wer Sonntagsabends mit dem Ferienflieger landet und Montagsmorgen um acht wieder am Schreibtisch sitzt, hat etwas falsch gemacht. Denn der Rückkehrer muss direkt wieder in den Arbeitsalltag einsteigen und gleichzeitig den Urlaub nachbereiten - eine Aufgabe, die unterschätzt wird. Er muss auspacken und die Wäsche von drei Wochen waschen, den Hund aus der Hundepension abholen und den Rasen mähen, denn das hat im Zweifelsfall niemand für ihn übernommen. Ganz schön viele Aufgaben die auf den Frischerholten hineinbrechen.
Das Wundermittel von Psychotherapeut Groß dagegen heißt "Puffertag". Mindestens ein Tag vor der Abreise und ein Tag nach der Heimkehr sollten Sie frei haben, um in Ruhe alles, was zu Hause ansteht, zu erledigen. Noch besser findet es Groß, wenn der Reisende nach der Rückkehr noch ein paar Tage oder sogar eine Woche Urlaub zu Hause macht. "Halten Sie Ihre Rückkehr geheim und gehen Sie gemütlich spazieren oder Essen", rät Groß. Machen Sie zu Hause also genauso weiter, wie Sie im Urlaub aufgehört haben. So konservieren Sie den Erholungseffekt wenigstens für ein paar Wochen.