




Früher war die Welt noch überschaubar. Wer damals ein paar Jahre lang fleißig und diszipliniert arbeitete, wurde irgendwann belohnt – mit mehr Geld und mehr Verantwortung. Das Ergebnis: Die Vorgesetzten waren meist älter als die Angestellten.
Wie sich die Zeiten ändern. Heute kraxelt niemand mehr die Karriereleiter hoch, nur weil er älter wird. Es zählt kaum noch, wie lange jemand bereits in einem Betrieb gearbeitet hat – sondern das, was er aktuell leistet und was ihm die Führungsetage noch zutraut.
Außerdem steigt der Anteil älterer Mitarbeiter aufgrund des demografischen Wandels. Die Folge: Es wird immer wahrscheinlicher, dass man künftig einen wesentlich jüngeren Chef bekommt. Einer Haniel-Studie zufolge war im Jahr 2013 zum Beispiel knapp jeder fünfte Dax-30-Vorstand unter 50.
Frische Chefs: Die zehn häufigsten Anfängerfehler
Manche Führungskräfte wollen von Anfang an zeigen, dass sie der neuen Herausforderung gewachsen sind. Voll Eifer machen sie sich ans Werk. Sie lassen keinen Stein auf dem anderen und verändern alles - Strukturen, Abläufe, Prozesse. Dabei versäumen sie, ihren Bereich richtig kennenzulernen - und nicht selten endet ihr Aktionismus im Chaos.
Manche Führungskräfte glauben, aus eigener Erfahrung heraus zu wissen, wie die Dinge funktionieren - und das, ohne ihr neues Arbeitsumfeld wirklich zu kennen. Sie gehen damit ein hohes Risiko ein, vorschnelle Entscheidungen zu treffen, ohne über solide Informationen zu verfügen. Solche Schnellschüsse können große Probleme verursachen.
Manche Führungskräfte versäumen, ihr Vorgehen mit ihren Vorgesetzen abzustimmen, und stellen ihr Umfeld vor vollendete Tatsachen. Das verärgert die Vorgesetzten und demotiviert die Mitarbeiter. Im Alleingang getroffene Entscheidungen sind oft wie ein Bumerang: Sie kommen zurück.
Manche Führungskräfte entwickeln in den ersten Gesprächen mit ihren Mitarbeitern viele neue Ideen, die sie ihren Vorgesetzten jedoch als eigene Gedanken präsentieren. Sie schmücken sich mit fremden Federn - was auf die betroffenen Mitarbeiter extrem frustrierend wirkt.
Manche Führungskräfte zaudern. Sie vermeiden Entscheidungen oder schieben sie vor sich her. Weil sie Risiken scheuen, lassen sie endlose Diskussionen zu und erreichen damit, dass immer wieder zu spät entschieden wird. Getreu dem Motto: „Die Zeit heilt alle Wunden“ sitzen sie Probleme aus - bis es zu spät ist.
Manche Führungskräfte versäumen, ihre Kräfte und Aktivitäten zu fokussieren. Sie agieren an allen Ecken und Enden, initiieren immer neue Maßnahmen. Dabei verzetteln sie sich. Überall offene Baustellen! Die daraus resultierenden Probleme bereiten sich wie ein Flächenbrand aus.
Manche Führungskräfte lassen ihre Mitarbeiter im Stich, weil sie nie anwesend sind. Sie verbringen ihre Zeit lieber in Führungsgremien oder auf Kundenterminen, anstatt sich um die Belange ihrer Mitarbeiter zu kümmern. Wer als Vorgesetzter seine Mitarbeiter jedoch mit schwierigen Fragen alleine lässt, darf sich nicht wundern, wenn ihm seine besten Leute abhanden kommen.
Manche Führungskräfte schaffen den Rollenwechsel nicht und bleiben in ihrem Innersten eine Fachkraft. Sie widmen sich komplexen Sachaufgaben, anstatt sich um die übergeordneten Zusammenhänge zu kümmern. Als Führungkraft verstagen sie.
Manche Führungskräfte wollen es sich mit ihren Mitarbeitern keinesfalls verscherzen. Sie versuchen, sich mit Zuwendungen und Gefälligkeiten bei ihnen beliebt zu machen. Anstatt sie zu führen, gehen sie auf „Kuscheltour“ mit ihnen - und gerieren sich nach außen immer nur als deren Interessenvertreter.
Manche Führungskräfte treten autoritär auf, um sich als Herrscher ihres kleinen Reichs zu etablieren. Häufig steht dahinter die Angst, bei den Mitarbeitern als weich und führungsschwach zu wirken. Wer jedoch als Chef den autoritären Sonnenkönig spielt, darf sich nicht wundern, wenn es bald einsam um ihn wird.
Doch die Konstellation junger Chef/älterer Mitarbeiter birgt Konfliktpotenzial. Denn insbesondere in puncto Führungsstil und Arbeitsweise ticken die Generationen anders. Ältere glauben häufig, dass die körperliche Anwesenheit im Büro Fleiß und Zuverlässigkeit ausdrückt.
Unterdrückte Wut
Jüngeren ist unwichtig, wo und wann die Arbeit erledigt wird – Hauptsache, es geschieht. Für sie ist es normal, Anweisungen abends und am Wochenende in E-Mails zu packen. Ältere tun sich schwer mit der ständigen Erreichbarkeit und wollen lieber persönlich angesprochen werden.
Wie heikel die neue Konstellation ist, zeigt nun auch eine Studie, die kürzlich im „Journal of Organizational Behavior“ erschienen ist. Florian Kunze (Universität Konstanz) und Jochen Menges (WHU – Otto Beisheim School of Management) gewannen dafür 61 deutsche Unternehmen mit durchschnittlich 360 Angestellten. Etwa 7800 Mitarbeiter und 175 Führungskräfte hielten in einem Fragebogen einerseits fest, wie oft sie während der Arbeit negative Gefühle empfanden. Zum Beispiel Wut, Angst oder Ablehnung. Andererseits notierten sie, wie oft sie diese Gefühle unterdrückten. Außerdem baten die Forscher die erste Führungsebene, das Unternehmen im Vergleich zu direkten Wettbewerbern zu bewerten.
Und siehe da: Je größer der Altersunterschied zwischen jungem Chef und seinem Mitarbeiter, desto öfter empfanden die Angestellten negative Emotionen. Mehr noch: Je seltener sie diese schlechten Gefühle unterdrückten, desto schlechter schlug sich das gesamte Unternehmen. Die Wissenschaftler führen das auf zwei Gründe zurück. Zum einen bedeutet die Konfrontation mit einem jüngeren Chef für den älteren Untergebenen emotionalen Stress.
Soziologen würden sagen: Dadurch wird die Statuskongruenz verletzt. In Gruppen ist es nun mal traditionell üblich, dass das älteste Mitglied wegen seiner Erfahrung und Expertise in der Nahrungskette an erster Stelle steht. Ein jüngerer Chef verletzt diese Norm – und sorgt bestenfalls für Irritation oder Unwohlsein, schlimmstenfalls für Unmut, Abneigung und Feindseligkeit.
Schlecht für Selbstbewusstsein und Nerven
Auch deshalb, weil der jüngere Chef die älteren Angestellten immer mit ihrer eigenen Karriere konfrontiert. Der Mensch neigt dazu, sich ständig mit anderen zu vergleichen. Wird ein Angestellter nun von einem jüngeren Kollegen angeleitet, dann wird ihm ständig bewusst, dass er selbst auf der Karriereleiter langsamer vorangekommen ist. Das zehrt am Selbstbewusstsein und letztlich auch an den Nerven.
Je größer der Altersunterschied, desto intensiver wird dieses Gefühl – denn wenn der Chef nur wenige Jahre älter ist, kann man sich immer noch damit trösten, dass man ihn theoretisch noch einholen könnte.
Die Forscher plädieren aber nicht dafür, dass Arbeitgeber zur alten Beförderungspraxis zurückkehren. Vielmehr wollen sie für das Konfliktpotenzial sensibilisieren. Daher raten sie Arbeitgebern, die Altersstruktur der Belegschaft zu analysieren. Außerdem sollten sie regelmäßig die Emotionen der Belegschaft abfragen – und die Antworten ernst nehmen.