EZB-Chefin Lagarde will auf dem Weg zu einer Zinswende Flexibilität wahren

Die EZB-Chefin sieht die Chance, dass der zurzeit hohe Preisdruck nachlässt und sich die Inflation somit nicht festsetzt.

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Die EZB-Chefin hat nach der jüngsten Zinssitzung ihre frühere Einschätzung nicht mehr wiederholt, wonach eine Zinswende 2022 sehr unwahrscheinlich sei. Quelle: Reuters

Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, will sich mit Blick auf eine Zinswende vorerst möglichst wenig in die Karten blicken lassen. „Mehr denn je“ gelte es angesichts der derzeitigen Unsicherheit, sich in der Geldpolitik Flexibilität und Optionen zu bewahren, betonte die Französin am Montag bei einer Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments.

Die EZB stehe weiterhin „absolut unerschütterlich“ zu ihrem Mandat, Preisstabilität zu sichern. Sie sehe Chancen, dass der zurzeit hohe Preisdruck nachlasse und sich die Inflation somit nicht festsetze. Damit sei es möglich, dass die EZB mittelfristig ihr Inflationsziel von 2,0 Prozent erreichen könne.

Angesichts der zu Jahresbeginn überraschend weiter gestiegenen Inflation hatte Lagarde nach der jüngsten Zinssitzung ihre frühere Einschätzung nicht mehr wiederholt, wonach eine Zinswende 2022 sehr unwahrscheinlich sei. Die Teuerung war im Januar im Euro-Raum überraschend auf 5,1 Prozent geklettert und damit dem EZB-Ziel von 2,0 Prozent noch weiter enteilt. Laut Lagarde muss die EZB vor einer Zinsanhebung jedoch zunächst ihre Anleihezukäufe stoppen.

Dieses Vorhaben stellte zuletzt der Österreichische Notenbankpräsident Robert Holzmann infrage. Er plädiert dafür, mit einer Zinsanhebung nicht bis zum Ende der Anleihekäufe zu warten. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte er: „Die sich jetzt intensivierende Diskussion innerhalb des EZB-Rates über geldpolitische Schritte in den nächsten Monaten ist aus meiner Sicht begrüßenswert und richtig.“

Mehrere EZB-Ratsmitglieder rechnen mit früherer Zinswende

Zuletzt haben sich mehrere EZB-Ratsmitglieder für raschere Zinserhöhungen durch die EZB ausgesprochen – neben Holzmann auch das niederländische EZB-Ratsmitglied Klaas Knot und der lettische Notenbankpräsident Martins Kazaks.

Knot peilte als Zeitpunkt das vierte Quartal dieses Jahres an. Eine zweite Zinsstraffung könnte dann im Frühjahr 2023 erfolgen. Martins Kazaks, lettischer Notenbankchef, hält es noch für verfrüht, schon einen speziellen Monat für eine Zinserhöhung zu nennen.

Trotzdem geht der Notenbanker davon aus, dass der Weg für eine Zinswende früher freigemacht werden könnte. „Wir dürften früher handeln als wir es in der Vergangenheit angenommen haben“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Montag veröffentlichten Interview.

Der Niederländer Knot stellte vor allem die Unterschiede zwischen der Eurozone und anderen großen Wirtschaftsräumen heraus. So befinde sich der Euroraum nicht in der gleichen Situation wie die USA, wo die Inflation vorrangig auf innere Gründe zurückgehe. Im Währungsraum komme der Großteil der Inflation aus dem Ausland, wogegen die EZB nicht viel tun könne. Der niederländische Notenbankchef gilt als Vertreter einer straffen Linie und Kritiker der sehr lockeren EZB-Ausrichtung.

Die EZB hatte den geldpolitischen Schlüsselsatz auf der jüngsten Sitzung auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent belassen. Zugleich müssen Banken weiter Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB parken. Der dafür gültige sogenannte Einlagesatz blieb bei minus 0,5 Prozent. An den Märkten wird für dieses Jahr mit einer Anhebung um einen halben Prozentpunkt gerechnet. Viele Ökonomen erwarten einen ersten Straffungsschritt aber erst Ende dieses Jahres oder Anfang 2023.

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