Aktionärsschutz Mit der Macht einer Aktie

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Karl-Walter Freitag: Der klagefreudige Aktionär ficht immer wieder Hauptversammlungsbeschlüsse an Quelle: Werner Schüring für WirtschaftsWoche

Gegen die Kapitalerhöhung selbst lässt sich aber wohl schwer etwas machen, sowohl bei der HRE als auch bei der Commerzbank: Das neue Gesetz zur Rettung von Banken sieht vor, dass Maßnahmen einen Tag später im Handelsregister eingetragen werden. Damit haben Anfechter kein Druckmittel mehr. Allerdings könnte es trotzdem Klagen geben: Nach Angaben einer Commerzbank-Sprecherin wurden auf der Hauptversammlung „zu allen Tagesordnungspunkten Widersprüche zu Protokoll gegeben“. Erfahrungsgemäß mündet ein Teil davon in Anfechtungen. Bisher sollen der Bank aber keine Klagen vorliegen.

Wie Scheunert und Sartingen operiert auch der Kölner Investor Karl-Walter Freitag mit hohen Summen. Der als „Vorstandsschreck“ bekannte Freitag ist eine der umstrittensten Figuren der Szene. Für die einen ist er ein eiskalter Abzocker – bereits 1993 beschied ihm das Landgericht Köln, er bewege sich „in einer Grauzone zwischen Cleverness und Kriminalität“. Für andere ist Freitag ein „brillanter Jurist mit hervorragendem Gespür für Schwachstellen“, wie es ein Unternehmensanwalt formuliert. „Wenn der auf einer Hauptversammlung auftaucht, bricht den Managern der Schweiß aus.“

Trotz seines schlechten Rufs sei Freitag nur noch selten bei „faulen Vergleichen“ dabei, berichtet ein Manager, der ihn von Verhandlungen kennt. Die IKB-Kapitalerhöhung 2008 etwa habe er nicht angefochten – obwohl er sich ansonsten intensiv mit der IKB befasst und bei der Hauptversammlung 2009 Ende März heftige Kritik am Großaktionär Lone Star übte.

Wie auch immer man zu Freitag & Co. steht: Andere professionelle Investoren können von ihnen zumindest lernen, dass Aktionäre ihre Rechte wahrnehmen sollten. Gerade institutionelle Anteilseigner wie Aktienfonds halten sich noch immer allzu oft vornehm zurück – zum Beispiel, weil die Chefs ihrer Mutterkonzerne es nicht gerne sehen, wenn Großinvestoren sich einmischen.

In vorderster Front gegen "Squeeze-Outs"

Die Überzeugungstäter. Wer regelmäßig klagt, ist nicht automatisch ein räuberischer Aktionär – auch wenn das in Deutschlands Chefetagen gerne so dargestellt wird. Unter den rund 50 „Mehrfachklägern“, die der Aktienrechtler Theodor Baums in einer Studie auflistet, sind neben Blockierern und Investmentprofis auch einige Überzeugungstäter, die ein wissenschaftliches Interesse an aktienrechtlichen Themen antreibt und die oft wichtige Erfolge für den Anlegerschutz vorweisen können.

Diese Kläger kämpfen häufig in vorderster Front gegen Zwangsausschlüsse von Minderheitsaktionären („Squeeze-outs“). Eine wichtige Sache, denn Großaktionäre mit einem Anteil von mehr als 95 Prozent versuchen immer wieder, die restlichen Anteilseigner gegen eine mickrige Abfindung aus dem Unternehmen zu drängen. Wer gegen Squeeze-out-Beschlüsse der Hauptversammlung vorgeht, handelt im Interesse aller Privatanleger: Wenn er einen Aufschlag rausholt, bekommen auch die anderen mehr – und das geschieht in rund 90 Prozent der Fälle.

Sicher: Mit dem Abfindungspoker lässt sich oft gutes Geld verdienen, gegen Squeeze-outs opponieren deshalb nicht nur Idealisten, sondern fast immer auch Zocker und räuberische Aktionäre. Aber es geht in diesen Fällen um eine angemessene Abfindung – und nicht darum, zulasten der übrigen Anteilseigner die Firmenkasse zu schröpfen, wie bei vielen anderen Anfechtungsklagen.

Einer der renommierten Streiter gegen mickrige Abfindungen ist der Baden-Badener Jurist Hans-Norbert Götz, der wichtige Urteile für Anleger erstritten hat. So entschied das Bundesverfassungsgericht 1999 auf seine Beschwerde hin, dass der Aktienkurs keineswegs ein zweitrangiges Indiz, sondern ein entscheidendes Kriterium für Abfindungsangebote ist.

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