Alte Bücher Kostbares zum Blättern

Seltene Erstausgaben kletterten zuletzt stärker im Wert als Aktien. Aber alte Bücher zu sammeln, die werterhaltend sind, ist nicht ganz einfach. Worauf Neueinsteiger achten müssen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
alte Bücher

Intellektuell? Emotional? Kulturell? Ja! Ökonomisch? Nein!“ So antwortet der renommierte New Yorker Wagniskapitalfinanzierer und Technologieunternehmer David Rose auf die Frage, ob antiquarische Bücher gute Investments seien. Er sammelt seit mehr als 25 Jahren alte Bücher. Selbst wenn der Wert seiner Sammlung über die Zeit immer die Inflationsrate geschlagen habe, sei der Kauf alter Bücher doch keine rationale Investmentstrategie, meint er.

In Zeiten aber, in denen sich Menschen aus Inflationsangst und Sorge vor Staatspleiten in Gold und Grundstücke flüchten, gewinnen auch alternative Geldanlagen wie Kunst, Antiquitäten und antiquarische Bücher für Investoren an Charme. „Gestandene Sammler geben zurzeit deutlich mehr Geld aus als noch vor einigen Jahren“, sagt der Londoner Antiquar Pom Harrington.

Anleger, die ein paar Tausend Euro übrig haben, dürfen sich als Sammler versuchen – wenn sie sich zuvor eingehend informieren und ein Gefühl für den Buchmarkt entwickeln.

Die Preise ziehen an

Lohnenswert können antiquarische Bücher auf jeden Fall sein. So kommt eine gemeinsame Untersuchung des französischen Gebrauchtbuchhändlers Librairie Sourget und der Bank Lazard zu einem völlig anderen Urteil als Sammler Rose. Wer 1977 für umgerechnet 17 000 Euro René Descartes’ „Discours de la méthode“ aus dem Jahre 1637 in seinen Bücherschrank packte, konnte bis 2004 seinen Einsatz mehr als vervierzehnfachen – real, das heißt, die Inflationsrate ist in dieser Rechnung schon abgezogen. Das US-Aktienbarometer Dow Jones konnte seinen Wert im gleichen Zeitraum nur verzwölffachen – vor Inflation. Der Wert von Samuel de Champlains Buch „Les Voyages de la Nouvelle France occidentale, dicte Canada“ aus dem Jahr 1632 stieg zwischen 1949 und 2007 inflationsbereinigt von 3000 Euro auf 203 000 Euro.

Bereits seit Ende der Neunzigerjahre haben Sammler und Anleger besonders den französischen Buchmarkt entdeckt. Nicht nur die Preise seltener Hochkaräter haben sich seither vervielfacht; der Wert nicht ganz so rarer Bücher sei zum Teil sogar noch stärker gestiegen, fanden Librairie Sourget und die Bank Lazard heraus.

In Deutschland sind die Preise noch unten, aber sie ziehen an. „Wir leben jetzt in einem Käufermarkt“, sagt der Düsseldorfer Antiquar Christoph Schäfer. „Wenn wir zurzeit etwas Gutes kaufen können, kaufen wir es.“ Erst vor wenigen Wochen hat er die wohl größte Sammlung von Heinrich-Heine-Büchern verkauft, die es weltweit gibt – für den Gegenwert eines „neuen VW-Passats“. Wäre Heine Franzose gewesen, hätte sie Schäfer zufolge zwischen 500 000 und 750 000 Euro gebracht – also den Gegenwert von bis zu 20 Passats. Ähnlich teuer sind Werke britischer und amerikanischer Autoren. Ein gutes antiquarisches Buch in Deutsch kostet zurzeit nur etwa ein Zehntel dessen, was ein vergleichbares Werk in Englisch oder Französisch wert ist.

Vielversprechende deutsche Bücher zu finden ist derzeit nicht einmal schwer. Die Sammlergeneration der Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts stirbt langsam weg, viele wichtige Bücher kommen aus Nachlässen auf den Markt. Der Düsseldorfer Anwalt F. Georg Miller etwa hinterließ 2008 eine millionenschwere Sammlung alter deutscher und europäischer Literatur, die er seit den Sechzigerjahren zusammengekauft hatte. Momentan wird sie vom Berliner Antiquar Wolfgang Braecklein Stück für Stück versilbert.

Dem in der Branche angesehenen Schweizer Antiquar Heribert Tenschert zufolge ist es durchaus sinnvoll, derzeit deutsche Erstausgaben aus dem 15. bis 20. Jahrhundert zu kaufen. „Denn in deutscher Sprache gibt es immer noch Dinge, die man heute auf dem Markt in Französisch oder Englisch nicht mehr finden wird“, sagt der Händler.

Nichts für Laien

Trotzdem sind antiquarische Bücher nichts für Normalsparer. Broker oder Agenten gibt es nicht, Sammler sollten sich auskennen. Ist das Buch eine Erstausgabe oder gar ein Manuskript? Wie ist der Zustand? Was ist das Buch wert? Will jemand eine Millionensumme anlegen, so Investor Rose, sollte er mit einem professionellen Händler zusammenarbeiten.

Ob ein Preis gerechtfertigt ist, lässt sich via Internet heute bei vielen Büchern auf Verkaufsplattformen wie Abebooks oder ZVAB grob überprüfen. Dort bieten die meisten Antiquare weltweit ihre Bücher parallel zum Laden an.

Preisentscheidend sind aber oft Details. So wurde etwa das Vorwort von Heinrich Heines Buch „Französische Zustände“ 1832 von Preußens Zensur gesäubert. Exemplare mit einem in Frankreich gedruckten Vorwort zum zensierten Vorwort sind selten und kosten deshalb etwa 5000 Euro. Ohne Vorwort zum Vorwort darf das Buch derzeit keine 1000 Euro kosten.

Informationen durch Bibliografien

Einen ersten Druck einer Erstausgabe aus dem 19. Jahrhundert vom zweiten Druck zu unterscheiden grenzt mitunter an Detektivarbeit. So kam es beim Drucken vor, dass Buchstaben in der Druckplatte zerbrachen und einzelne Zeilen oder ganze Seiten neu gesetzt werden mussten. Heute sind diese neu gesetzten Zeilen mitunter die einzigen Merkmale, die zwei verschiedene Ausgaben voneinander unterscheiden.

Aufschluss über solche Details geben Bibliografien. Deren Autoren, oft selbst Sammler, haben in mühsamer Kleinarbeit Merkmale einzelner Ausgaben zusammengetragen. Eines der beeindruckendsten Beispiele einer solchen Bibliografie ist die neunbändige „Bibliography of American Literature“.

Grundsätzlich gilt: Das Buch sollte makellos erhalten sein, sowohl der Einband als auch das Papier. Es sollten keine Seiten fehlen. Je bedeutender das Buch und je seltener, desto besser. Ein berühmter Vorbesitzer steigert ebenso den Wert wie eine seltene Signatur des Autors.

Wer Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts sammelt, muss sicherstellen, dass der Original-Schutzumschlag vorhanden ist. So absurd es für Nichtsammler erscheinen mag, in vielen Fällen macht der Schutzumschlag 95 Prozent vom Wert eines Buches aus. Bringt es etwa eine gut erhaltene Erstausgabe von John Steinbecks „The Grapes of Wrath“ von 1939 mit Schutzumschlag derzeit locker auf 17 000 Dollar, gibt’s für ein Exemplar ohne Schutzumschlag nur 500 Dollar. Der Grund ist einfach: Viele Käufer damals hatten den Schutzumschlag einfach weggeworfen. Exemplare mit Umschlag sind entsprechend selten.

Moderne Klassiker wie Steinbeck haben in den letzten Jahren massiv an Wert zugelegt. Eine Erstausgabe von Ian Flemings erstem James-Bond-Buch „Casino Royal“ aus dem Jahr 1950 kostete 1990 um die 2000 Pfund Sterling, heute sind es 30 000. Die wohl größte Erfolgsstory moderner Literatur legte J. K. Rowlings „Harry Potter and the Philosopher’s Stone“ aufs Parkett. Eine der 1997 gedruckten 500 Erstausgaben ist heute bereits 30 000 Pfund wert. Skurril: In Großbritannien und den USA kostet manche Erstausgabe im Antiquariat bereits das Zehnfache des regulären Ladenpreises, während dieselbe Ausgabe noch in den Regalen von manchem Buchhändler steht.

Sammlung mit rotem Faden

Zu einem bei Sammlern begehrten Klassiker werden vor allem Bücher, die eine Generation geprägt haben. „Die meisten Sammler finden zu ihrer Leidenschaft, wenn sie älter werden“, sagt Antiquar Harrington. Und sie sammeln vor allem das, was sie in ihrer Jugend gelesen haben. In der heutigen englischsprachigen Sammlergemeinde sei das etwa J. D. Salinger mit seinem „Fänger im Roggen“ von 1951. Wer jetzt Erstausgaben von Büchern sammelt, die in den Achtzigerjahren die Jugend am stärksten bewegt haben, erwirbt sich nach dieser Logik die besten Chancen auf Wertsteigerung. Mittelfristig dürften die Preise künftig erscheinender Bücher schnell steigen. Denn digitale Lesegeräte wie Amazons Kindle oder Apples iPad verdrängen den massenweisen Druck von Erstausgaben.

Eine gute Investmentstrategie ist es, der eigenen Sammlung ein außergewöhnliches Motto zu geben. Man kann einen Autor sammeln, berühmte verfilmte Literatur, Kochbücher, Computerliteratur. Je einzigartiger die Sammlung, desto größer die Chance, dass man sie eines Tages komplett mit Aufschlag verkaufen kann. Antiquar Tenschert bietet mehrere Komplettsammlungen an. Für eine Sammlung mit 1500 französischen Werken des 18. Jahrhunderts etwa werden 15 Millionen Euro fällig.

Auch lohnt es, vorausschauend zu kaufen. Wer vor dem Charles-Darwin-Jahr 2009 oder dem Mark-Twain-Jahr 2010 Erstausgaben der Autoren erstanden hatte, konnte sie im Jubiläumsjahr mit Aufschlag verkaufen. Günstiger als im Antiquariat kaufen Anleger oft auf Auktionen, bei denen sich auch die Profis eindecken.

„Das Wichtigste aber ist“, sagt Antiquar Schäfer, „dass Sammler Spaß an ihren Büchern haben.“ Die Rendite kommt dann meist ganz von allein.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%