Altersvorsorge Die Riester-Bombe

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Was man nicht sieht, ist das, was in dem Automaten passiert. Welche Rädchen drehen sich da? Was geschieht mit meinem Geld? Und wo ist es, jetzt, in diesem Moment – bevor es am Ende wieder in meinen Händen landet?

Das waren die Fragen, die ich mir stellte. Die Fragen, von denen ich glaubte, Rod Wright könne sie mir beantworten.

 Wright ist Angestellter des amerikanischen Finanzunternehmens Pioneer Investments, das seit einigen Jahren zu der italienischen Großbank UniCredit gehört. Er arbeitet im Geschäftsviertel von Boston an der Ostküste der USA, in einem Haus, das so heißt wie seine Adresse: 60 State Street. Es ist einer dieser Bürotürme aus Glas und Stahl, in denen jeden Tag ein paar Tausend Menschen in klimatisierten Räumen vor ihren Computern sitzen.

Wright hat einen reizvollen Beruf, auf den ersten Blick. Er geht einkaufen. Die ganze Zeit gibt er Geld aus. Es ist Geld, das er von anderen Leuten bekommen hat, von mir zum Beispiel. Und vom deutschen Staat.

RingRiesterAktiv top3 ist eine sogenannte fondsbasierte Riester-Rente. Das bedeutet: Das Geld, das ich dem Deutschen Ring überweise, bleibt nicht dort, sondern fließt zu einem oder mehreren Investmentfonds, die von dem Geld dann Wertpapiere an der Börse kaufen. So weit war mir die Sache bei Vertragsabschluss noch bewusst.

Herr Krüger hatte mir bei unserem ersten Gespräch eine Liste mit den 22 Investmentfonds vorgelegt, mit denen der Deutsche Ring zusammenarbeitet. „Suchen Sie sich die besten aus", sagte er.

"Ihr Geld ist in guten Händen"

Besonders ein Fonds fiel mir auf. Es war der U.S. Mid Cap Value Fund der Firma Pioneer. Auf dem Infoblatt, das mir Krüger gegeben hatte, stand, dieser Fonds kaufe Aktien mittelgroßer amerikanischer Unternehmen, sogenannter Mid Caps. Daneben war eine gezackte Linie zu sehen: die Renditekurve. Sie stieg steil nach oben. Der Manager des U.S. Mid Cap Value Fund schien mir ein fähiger Mann zu sein. Die richtige Wahl für meine Altersvorsorge.

Der Manager ist Rod Wright. Ein schlanker 49jähriger Mann, der schnell redet und oft lacht. Seit 15 Jahren leitet er den U.S. Mid Cap Value Fund. Als ich ihn in seinem Büro besuche, um mit ihm über mein Geld zu sprechen, sagt er: „Ich habe eine gute Nachricht für Sie."

Wright dreht einen seiner drei Computerschirme zu mir und deutet auf eine Tabelle, die gerade auf der Internetseite des Wall Street Journal erschienen ist. Sie zeigt die zwanzig besten amerikanischen Investmentfonds. Der U.S. Mid Cap Value Fund ist einer davon.

Rod Wright erwirtschaftet für seine Anleger eine Rendite von fast 13 Prozent pro Jahr. Wenn er das weiterhin schafft, bekomme ich bei Rentenbeginn nicht 100.000 Euro, wie von Krüger angekündigt, sondern fast dreimal so viel.

„Ihr Geld ist in guten Händen", sagt Wright und zwinkert mir zu.

Bevor sich Rod Wright für eine bestimmte Aktie entscheidet, trifft er sich manchmal mit dem Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens. Meistens aber bleibt er beim Einkaufen im Büro. Er studiert Renditekurven, Wachstumszahlen, Umsatzzahlen. Sind die Zahlen gut, kauft er die Aktie. Was das Unternehmen herstellt, ist ihm nicht so wichtig.

Im Prinzip verhält sich Rod Wright nicht anders, als ich mich in den ein oder zwei Stunden verhielt, die ich brauchte, um mich für seinen Fonds zu entscheiden. Er schaut auf das Produkt, es muss ihm gefallen. Das Produkt ist die Aktie.

Am Ende unseres Gesprächs gibt mir Rod Wright eine Liste der Unternehmen, in denen er das Geld seiner Anleger investiert hat. Stand: 28. Februar. Neuere Daten gibt Pioneer nicht heraus.

„Klare Siege, saubere Schlachtfelder"

96 Namen stehen auf der Liste. Einige sind dabei, die ich kenne. Der Motorradbauer Harley-Davidson zum Beispiel, das Softwareunternehmen Compuware, der Büromaschinenhersteller Xerox. Andere habe ich noch nie gehört. Smucker. Medtronic. Textron.

Smucker kocht Marmelade. Medtronic baut Herzschrittmacher. Bei Textron ist die Sache komplizierter. Unter www.textron.com erscheinen Hubschrauber, Rasenmäher und Handsägen.

Textron ist ein Mischkonzern. So nennt man Unternehmen, die sich nicht auf eine bestimmte Wirtschaftsbranche beschränken. Als ich auf der Internetseite weiterklicke, tauchen Fotos von Golfmobilen, Propellerflugzeugen und Rollstühlen auf. Neben den Fotos lese ich Werbesprüche wie „Selbst der Beste kann noch besser werden« oder „Draußen und drinnen überlegen".

Schließlich sehe ich die Bombe, grün und schmal, mit vier silbernen Flügeln am Ende. CBU-105. „Klare Siege, saubere Schlachtfelder“, heißt es daneben.Auf der Liste, die ich von Rod Wright bekommen habe, steht auch, wie viel Geld er in Textron investiert hat. Umgerechnet 15 Millionen Euro. Auch mein Geld ist in diese Aktien geflossen.

In einer E-Mail an die Presseabteilung der Firma Textron frage ich, ob es möglich ist, sich die Fabrik anzusehen, in der die Bombe gebaut wird, das Testgelände, auf dem Offiziere und Ingenieure ihre Sprengkraft erproben. Ich will auch wissen, wohin Textron die CBU-105 verkauft hat.

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