Anleihen Papier mit Haken

Zahlen Unternehmen Anleihen vorzeitig zurück, gehen Rendite-Rechnungen nicht mehr auf. Mit den aktuell niedrigen Zinsen steigt das Risiko. Wo Anlegern die Kündigung droht.

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Ramsch wird solide

Anleger, die Bonds des Spezial-Chemikers Cognis im Depot haben, kassieren Traumzinsen: 9,5 Prozent überweist die ehe-malige Henkel-Tochter ihren Gläubigern. Cognis gehört Private-Equity-Fonds, ist hoch verschuldet und muss demzufolge so viel bieten. Als BASF ankündigte, Cognis bis November zu übernehmen, schoss der Kurs der Anleihen nach oben (siehe Grafik). Der Chemie-konzern gilt als solider Schuldner und wird eine neue Tochter nicht pleitegehen lassen. Die Ratingagentur Moody’s etwa bewertet BASF zehn Stufen besser als Cognis. Vergleichbare Anleihen von BASF bringen maximal zwei Prozent Rendite. Wer sich über ein todsicheres Geschäft freute, wurde enttäuscht: Cognis-Anleihen sind auch vor dem Ende ihrer Laufzeit kündbar. Im Markt gilt es als sehr wahrscheinlich, dass BASF für Cognis künftig nur noch niedrigere Zinsen zahlen will.

Kündigung ignoriert

Cognis steht nicht allein da. Industrieadressen, aber auch Versicherer, Banken und Bundesländer haben vorzeitig kündbare Anleihen ausgegeben. Ein Blick auf die Rückzahlungskonditionen ist bei jedem Kauf von Unternehmensanleihen Pflicht. Gerade in der andauernden Niedrigzinsphase lohnt es sich für Unternehmen, Anleihen zu kündigen und so Zinskosten zu drücken. „Für Emittenten ist es außerdem attraktiv, durch eine neue Anleihe die Gesamtlaufzeit ihrer Finanzierung zu verlängern“, sagt Joachim Heppe, Leiter der Anleiheplatzierung bei der Commerzbank.

Der Autozulieferer Dürr etwa will Mitte September eine neue fünfjährige Anleihe ausgeben. Mit den dort eingenommenen 150 Millionen Euro soll im November eine alte Dürr-Anleihe vorzeitig komplett getilgt werden. Für die neue Anleihe zahlt Dürr 2,5 Prozentpunkte weniger als für die alte. Die erste Hälfte der 200-Millionen-Anleihe hatte Dürr bereits 2008 gekündigt und dabei 105,25 Prozent des Ausgabepreises ausgezahlt.

Da der Kurs damals bei 103,85 Prozent stand, strichen Anleger, die kurz vorher kauften, sogar Gewinn ein. Die zweite Tranche soll im November nur zu 100 Prozent vorzeitig getilgt werden. Realistischerweise müsste der Kurs um die 101 Prozent notieren. Dennoch kostet die Anleihe noch deutlich über 102 Prozent.

Einzige Erklärung: Anleger ignorieren die drohende Kündigung. „Wer die Alt-Anleihen jetzt kauft, hätte bei Kündigung bis Dezember trotz des hohen Kupons eine negative Rendite“, sagt Stefan Sigrist, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.

Bonds der Baumarktkette Hornbach notieren zurzeit fast drei Prozentpunkte über dem möglichen Rückzahlungskurs. Hier versichert das Unternehmen, die Kündigung der Anleihe stehe auch „bis Laufzeitende derzeit nicht zur Debatte“. Eine Garantie ist das nicht, eine Kündigung allerdings eher unwahrscheinlich, weil Hornbach kaum bei einem deutlich niedrigeren Zins genügend Investoren finden dürfte.

Vor Ablauf Geld zurück

Darauf zu setzen, dass BASF die Cognis-Anleihen nicht schnellstmöglich kündigt, ist eine hochriskante Wette. „Wir haben die Absicht, die ausstehenden Finanzschulden von Cognis umzuschulden“, sagte BASF-Chef Jürgen Hambrecht vor Analysten. Insgesamt stecken über zwei Milliarden Euro in verschiedenen Cognis-Anleihen.

Für Anleger kommt es auf die im Wertpapierprospekt aufgelisteten Kündigungskonditionen an – und die sollten Investoren, nicht nur bei Cognis, immer schon vor dem Kauf genau studieren. Das Regelwerk kündbarer Anleihen ist kompliziert – mal hat der Käufer ein Kündigungsrecht und verzichtet dabei beim Kauf der Anleihe auf Rendite, mal kauft sich der Verkäufer das Recht zur vorzeitigen Kündigung und zahlt einen Renditeaufschlag. „Es gibt keine zwei gleich konstruierten Anleihen“, sagt Jochen Schlachter, Kreditanalyst bei UniCredit.

Anleger sollten das Angebot nicht annehmen

So können Investoren im Fall einer Übernahme, sobald ein Unternehmen vom neuen Eigner kontrolliert wird, ihre Anleihen zurückgeben. Auch bei Cognis gibt es eine solche „Change of Control“-Klausel. 30 Tage nachdem die Kartellbehörden der Übernahme durch BASF zugestimmt haben, müsste Cognis Anleihebesitzern dann ein Rücknahmeangebot machen und 101 Prozent plus der aufgelaufenen Zinsen bezahlen. Anleger müssen und sollten dieses Angebot allerdings nicht annehmen, 101 Prozent sind eindeutig zu wenig. Wahrscheinlicher ist, dass Cognis nach der Übernahme kündigt. Das muss mindestens 30 und maximal 60 Tage vor dem Rückzahltag passieren. Liegt der Rückzahltag vor dem nächsten Zinstermin Mitte Mai bekämen Anleger laut Prospekt 103,167 Prozent.

BASF dürfte sich darauf einlassen. Denn Zeit ist in diesem Fall Geld, zahlt BASF doch selbst für Anleihen mit Laufzeiten über 2014 hinaus weniger als fünf Prozent Zinsen. „Es macht für BASF keinen Sinn, die Anleihen weiter teuer zu bedienen, der Markt hat die Rückzahlung längst einkalkuliert“, sagt Schlachter. Die Cognis-Anleihen notieren aktuell noch über 104 Euro. Angesichts der hohen Zinsen und des garantierten Rückzahlungskurses von 103 Prozent scheint dies fair.

Wenn die Anleihe noch mindestens drei Monate laufen würde, könnten Anleger vor Kosten derzeit noch aufs Jahr gerechnet knapp vier Prozent einstreichen. Wird die Anleihe später als erwartet gekündigt, steigt die Rendite noch. Kündigt Cognis früher, fällt sie. Platzt die Fusion, womit zurzeit niemand rechnet, würde der Kurs einbrechen.

Anleihen mit Kündigungsrecht rentieren einige Zehntelpunkte höher als solche ohne. Wie hoch der Aufschlag ausfällt und ob dieser angemessen ist, lässt sich für Anleger mangels Vergleichsmöglichkeiten kaum nachvollziehen. Grundsätzlich gilt: Emittenten verschafft das Recht einen immensen Vorteil. Steigen die Zinsen, hat sich das Unternehmen relativ günstig verschuldet. Fallen sie, kann es kündigen und sich billiger refinanzieren.

Anleger dagegen tragen zwei Risiken: Zum einen könnte der Rückzahlungskurs zu tief unter ihrem Kaufkurs liegen, zum anderen müssen sie das plötzlich frei gewordene Geld neu investieren, zu deutlich niedrigeren Zinsen. Was den Unternehmen zum Vorteil gereicht, wird für Anleger zum Nachteil.

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