Finanzkrise Auktionsanleihen: Gehasst wie die Pest

Für mehr als 40 Milliarden Dollar müssen Investmentbanken hochriskante Auktionsanleihen zurückkaufen. Auch deutsche Anleger wollen ein Stück vom Kuchen.

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New York Quelle: REUTERS

Der deutsche Anlegeranwalt Klaus Nieding ist dabei, sein Beuteschema zu ändern.

Meist streitet seine Kanzlei gegen die Schmuddelkinder des grauen Finanzmarkts, wie etwa den insolventen Phoenix Kapitaldienst.

Seit jedoch der US-Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo große Investmentbanken wie Citigroup und UBS zu Milliardenzahlungen an Anleger zwingt, traut sich auch Nieding den Angriff auf die Herren der Wall Street zu. Beim jüngsten Wall-Street-Skandal geht es um den 330 Milliarden Dollar schweren Markt für Auktionsanleihen (Auction Rate Securities, ARS).

Banken haben die Skandalpapiere auch an deutsche Kunden vertrieben, sagt Nieding: „Wir haben Anfragen von mehreren deutschen Privatanlegern, die für ihre Depots bei deutschen Banken Auction Rate Securities gekauft haben“.

Diese Bankkunden können nun auf die Erstattung ihrer Verluste hoffen, denn: Die Einigung der Schweizer Großbank UBS mit der US-Staatsanwaltschaft auf eine Entschädigung für erlittene Einbußen gilt weltweit. Das habe das Büro von Cuomo ihm bestätigt, sagt Nieding. Weitere Banken sollen nach dem gleichen Modell zahlen – also gegebenenfalls auch an Anleger hierzulande. Damit hat der Wall-Street-Skandal Deutschland erreicht.

Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hat nach Informationen der WirtschaftsWoche Fondsgesellschaften und Finanzdienstleister um Stellungnahme gebeten, ob sie in Deutschland Auction Rate Securities verkauft haben. Die Behörde wollte sich zum Ergebnis der Umfrage nicht äußern.

Die ARS-Papiere, die nun auch die deutsche Aufsicht beschäftigen, sind Bonds mit 20 bis 30 Jahren Laufzeit und stammen meist von US-Gemeinden. Die Zinsen wurden bei Auktionen regelmäßig neu festgelegt. ARS wurden von Banken als sichere Anlage verkauft. Doch seit die Finanzkrise im Februar den ARS-Markt lahmgelegt hat, sitzen die Kunden auf den Papieren.

Betroffen sind Kleinanleger, Wohltätigkeitsorganisationen und Unternehmen. Nun kaufen die US-Häuser Citigroup, Merrill Lynch, Morgan Stanley und JP Morgan sowie die Schweizer UBS auf Druck von Cuomo angeschlagene Auktionsanleihen im Volumen von gut 40 Milliarden Dollar zum Nennwert von Kunden zurück.

Ein Teil der Entschädigung steht deutschen Investoren zu

Anwalt Nieding ist überzeugt: Ein Teil der Entschädigung steht deutschen Investoren zu. Der US-Marktführer bei ARS, Citigroup, teilte der BaFin allerdings in einem Schreiben mit, dass „in Deutschland verkaufte Investmentvermögen keine ARS enthalten“.

Auch die Schweizer UBS sagte auf Anfrage, die ARS-Papiere seien nur in den Vereinigten Staaten an vermögende Privatkunden verkauft worden. Die Anfragen, die Anwalt Nieding vorliegen, stammten von Kunden mit Depots bei deutschen Banken, sagt er.

In New York bittet Generalstaatsanwalt Cuomo zurzeit immer mehr Branchengrößen zum Gespräch über eine Einigung. Im Visier des Generalstaatsanwalts stehen auch Wachovia, Goldman Sachs, Bank of America, Wells Fargo und Lehman Brothers. Die Deutsche Bank war ebenfalls am lange Zeit lukrativen Markt für Auktionsanleihen aktiv. Cuomo dürfte auch bei ihr nicht lockerlassen.

Der 50-jährige Jurist ist als Generalstaatsanwalt Nachfolger von Eliot Spitzer, der vor wenigen Monaten in seinem neuen Amt als Gouverneur des Staates New York über einen Sex-Skandal stolperte.

Die Wall-Street-Banker hassten Spitzer wegen seiner knallharten Strafverfolgungsmethoden wie die Pest. Doch Cuomo steht seinem Vorgänger darin kaum nach: Betrug, Täuschung und die Vernichtung von Beweismitteln warf er den Banken vor laufender Kamera vor und drohte mit Klage. Sie hätten ARS noch dann als liquide Anlageform an Tausende von Kunden verkauft, als sie intern längst wussten, dass der Markt austrocknet.

Teurer Vergleich

Zuvor hätten die beteiligten Banken über Monate den Handel künstlich am Leben gehalten, aber fröhlich weiter ARS mit dem Hinweis verkauft, das Zeug sei praktisch so gut wie Cash.

Wie teuer die Strafaktion für die Banken wird, hängt vor allem davon ab, ob und wie schnell sich der ARS-Markt wieder erholt. Die UBS schätzt, dass sie auf die von Anlegern zurückgenommenen Bonds 750 Millionen Dollar abschreiben muss. Hinzu kommen Strafzahlungen von 150 Millionen Dollar.

Noch härter als die Entschädigungszahlungen und Strafen dürfte der Rufschaden die Banken treffen, erwartet UniCredit-Anleihestratege Jochen Felsenheimer.

Immerhin: Die Bußgeld-Millionen der Investmentbanken werden sinnvoll angelegt: In Massachusetts sollen UBS-Strafgelder teils dazu genutzt werden, staatliche Angestellte zu schulen, die das Kapital von Kommunen in ARS-Papiere investiert hatten. Erste Lektion der Nachhilfestunde: „Glaube nie, was dein Banker dir verspricht“.

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