Ausblick Lehren aus der Finanzkrise

Was ändert sich durch die Finanzkrise? Während die Politik ihre Macht wiederentdeckt, horten Unternehmen wieder Eigenkapital. Manager planen wieder langfristiger, Anlegern geht jetzt Sicherheit vor.

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Die Politik entdeckt ihre Macht

Franklin D. Roosevelt: Der New Quelle: AP

Es ist gar nicht so lange her, da glichen die Vorstandsetagen der großen internationalen Konzerne Feldherrnhügeln. Von hier aus entwarfen Manager ihre Strategien und steuerten Unternehmen wie Armeen. Die Politik wirkte wie ein Zuschauer. Mit der Wirtschaftskrise ändert sich das. Wie 1932 beim „New Deal“ des damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelts richtet sich die Macht neu aus, und Politiker nutzen die Schwäche mancher Unternehmenslenker, um den Primat der Politik über die Wirtschaft durchzusetzen. Aus dem gefeierten Retter Staat wird ein Volksbeglücker. Die Wirtschaft wiederum hat sich ein schlechtes Gewissen einreden lassen und räumt kampflos das Feld.

Der Staat greift ein

Nicht zu übersehen ist, wie das Reiten auf der Krisenwelle Politikern Adrenalinstöße versetzt hat. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erinnert an den Notarzt, der an die Unfallstelle auf der Autobahn kommt und sich mit einem „Lassen Sie mich vor, ich bin Arzt“ durch ein Gruppe Schaulustiger schiebt. Zugleich will er mit seiner rabiaten Rhetorik gegen, so Steinbrück, „gierige“ Manager Kontrollfehler der Politik vergessen machen – bei der KfW-Bank, der IKB und bei mehreren Landesbanken .

Das Bewusstsein der neuen Bedeutung verändert das Zusammenspiel mit der Wirtschaft. Dieser Prozess wird sich 2009 verstärken. Der Druck der Regierung wächst, auch auf das operative Handeln der Unternehmen einzuwirken. Selbst Unions-Politiker schrecken nicht mehr vor Staatsinterventionismus zurück. Waren es erst Gehaltsvorgaben für Krisen-Banker, folgen jetzt weitere Eingriffe: Im Januar will Bundeskanzlerin Angela Merkel die Chefs der Dax-30-Unternehmen ins Kanzleramt einladen, um eine Beschäftigungsgarantie einzufordern. Das verschafft der Politik Luft im Super-Wahljahr. Für die Unternehmen ist es aber schwierig: Wer nicht mitzieht, steht moralisch am Pranger. Vielleicht verzögert das hier und da sogar Entscheidungen, die zur Sicherung des Fortbestands eines Unternehmens notwendig wären.

Unternehmen horten wieder Eigenkapital

Maria-Elisabeth Schaeffler: Quelle: dpa

Sie galten als altmodisch – Unternehmen, die mit viel Eigenkapital ausgestattet waren. Wer scheinbar zu viel Geld in der Kasse hatte, musste sich rechtfertigen — gegenüber Investoren, Aktionären und Banken. Wer etwas kaufte, tat dies in der Regel auf Pump und investierte nur wenig eigenes Geld. Denn Liquidität war im Überfluss vorhanden und das zu extrem günstigen Konditionen. Viele Banken entwickelten daraus ein Geschäftsmodell. Sie blähten ihre Bilanz auf, handelten immer mehr auf eigene Rechnung. Das war auch darum möglich, weil sie nach Basel II, den neuen Eigenkapital-Richtlinien für Banken, für risikoarme Papiere weniger Eigenkapital vorhalten mussten. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass auf solche Bewertungen wenig Verlass ist.

Die Banken erhöhen jetzt ihre Eigenkapitalquoten und bauen Schulden ab. Dies wird auch die nächsten Monate so weitergehen und heißt: Die Geldhäuser vergeben weniger Kredite, ihre Kunden durchleuchten sie deutlich kritischer als bisher. Zudem dürfte es so schnell keine Übernahmen mehr geben, die mit hohen Krediten finanziert sind. Das war zuletzt noch beim Autozulieferer Schaeffler der Fall, der so den größeren Konkurrenten Continental schlucken will.

Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass die Finanzierung für sie auf Dauer teurer wird und ihr Eigenkapital wichtiger. Für viele fällt die Geldbeschaffung über den Kapitalmarkt flach, die in den vergangenen Jahren so populär war. Anleihen können sie nur teuer platzieren – wenn überhaupt. Auf dem Markt für nachrangige Kredite, die unter gewissen Umständen wie Eigenkapital behandelt werden, bewegt sich vorläufig so gut wie nichts. Deshalb gewinnt in den Unternehmen die Innenfinanzierung über einbehaltene Gewinne an Bedeutung. Die Krise verändert zudem das Verhältnis zu Zulieferern. Konzerne werden diesen zur Seite springen, um deren Pleite abzuwenden. Denn dass Banken helfen, darauf kann sich niemand mehr verlassen.

Für Anleger geht Sicherheit vor Rendite

Krisenstimmung an der Börse: Quelle: AP

Nichts ist mehr so, wie es war – diese Erkenntnis haben die Tagesschau-Bilder der Kundenschlangen vor Northern Rock, die Pleiten von Lehman und Kauphting Bank befördert. Ein Volk von Aktionären sind wir nie gewesen. Die Finanzkrise aber, und das ist neu, hat den sicherheitsbewussten Sparern demonstriert, dass die Binsenweisheit „Keine Rendite ohne Risiko “ auch für Produkte gilt, die als risikoarm bezeichnet werden. „Hauptsache, ich bekomme mein Geld wieder“ dürfte die Maxime des kommenden Jahres sein. Symptomatisch ist, dass US-Staatsanleihen, die null Prozent Zinsen bieten, sich dennoch verkaufen.

Investments, bei denen der Staat als letzter Garant von Sicherheit involviert ist, werden weiter gefragt sein. Die Merkel-Garantie für Spareinlagen hat einen Bank-Run verhindert. Festgeld bei der Bank gilt deshalb künftig als sicher. Absolute Sicherheit aber gibt es selbst hier nicht; Staatsgarantien könnten auch Staaten überfordern. Gefährdet ist auf jeden Fall der Wert des Geldes. Die Geldschöpfung, die Notenbanken in Gang gesetzt haben, um Banken zu retten und Deflation zu bekämpfen, weist in Richtung Inflation. Mit der Geldentwertung schlägt dann die Stunde selbst genutzter Immobilien und des Goldes, das vor dem Preisverfall des Papiergeldes schützt und nicht pleitegehen kann.

In Zukunft müssen Anleger nicht nur nach der Sicherheit von Investments fragen, sondern auch nach der Solidität dessen, der sie anbietet. Eine Garantie ist immer nur so gut wie derjenige, der sie ausspricht. Geldanlage ist harte Arbeit. Die nehmen weder Ratingagenturen dem Anleger ab noch Bankberater, schon gar nicht Hedge‧fonds-Manager oder Börsengurus. Wer vor dem Autoverkauf wochenlang Prospekte und Testberichte liest, aber dafür spontan 30 000 Euro nach Island schaufelt, weil die Bank ein halbes Prozent mehr für Festgeld zahlt, hat seinen Arbeitsaufwand ungleich verteilt. Lohn der Mühe: Sie zahlt sich aus – in nicht allzu ferner Zeit selbst wieder bei Aktien.

Manager greifen auf Bewährtes zurück

Controller: Sparen, sanieren Quelle: REUTERS

Die Schockwellen der Finanzkrise drücken auf Manager- wie auf Einsteigergehälter. Üppige Fixgehälter plus Boni und Dienstwagen? Diese Zeiten sind vorbei. Stattdessen steigen die variablen Gehaltsanteile. Als Folge der Finanzkrise belohnen die Unternehmen dann aber weniger kurzfristige Börsenerfolge, sondern vielmehr langfristige Entwicklungen. Zudem kehren 2009 die Kostensenkungsorgien von 2001 und 2002 zurück. Statt in neue Anlagen, Köpfe oder Innovationen zu investieren, greift das Management auf Bewährtes zurück: restrukturieren, zusammenlegen, sparen, entlassen.

Zahlenverliebte Controller, Sanierer, Prozessoptimierer und Kostensenker haben wieder Konjunktur. Dass dieser Managertyp verstärkt gesucht wird, bestätigen Personalberatungen. Im Visier der Headhunter stehen meist erfahrene und ältere Krisenmanager. Sie ersetzen manchen bisherigen Aufsteiger, dessen Stärken eher im Entwickeln und Riskieren liegen. Entsprechend dramatisch sind die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt: Eine OECD-Prognose rechnet 2009 mit bis zu 700.000 bedrohten Jobs, Pessimisten erwarten sogar sechs Millionen Arbeitslose. Schon jetzt bangt jede vierte Fach- und Führungskraft um den Job, ergab eine Umfrage des Karriereportals Placement24. Folge: Jeder Zweite ist derzeit zum Jobwechsel bereit. Manager sind also gut beraten, ihren Leistungsträgern gute Gründe zum Bleiben zu geben. Alles andere lähmt das ohnehin angeschlagene Unternehmen weiter und erleichtert es der Konkurrenz, gute Leute abzuwerben.

Wer sich in der Krise auf Entlassungen beschränkt oder Einstellungsstopps verhängt, beschädigt sein Image nachhaltig – was es dann künftig erschwert, Top-Talente zu rekrutieren. Die Erfahrung machten 2005 etwa Accenture, SAP und HP: Nach der Dotcom-Krise hatten sie kaum noch Absolventen eingestellt. Später mussten sie viel Geld ausgeben, um die Gunst der Studenten zurückzugewinnen.

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