Börse Die neue Dotcom-Blase

Facebook will, LinkedIn und Pandora sind schon an der Börse. Kommt es zu einer Neuauflage der Internetblase wie vor zehn Jahren? Vieles spricht dafür, einiges auch dagegen.

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LinkedIn-Vorstandschef Jeff Quelle: dpa

Es gibt sie wieder, die Euphorie für neue Internetaktien. Aber Skepsis ist angebracht, denn die milliardenschweren Börsengänge von LinkedIn oder Pandora haben gezeigt, dass die anfänglichen Kurshöhenflüge nicht von Dauer sind.

Die Begeisterung der Investoren zum Börsendebüt des Internetradios Pandora hat sich schnell abgekühlt. Am Ende ihres ersten Börsentages kannte die Pandora-Aktie nur noch eine Richtung - abwärts. Nachdem das Papier kurz nach Beginn des Handels mit 26 Dollar und einem Kursplus von 60 Prozent seinen Höchststand erreicht hatte, schloss es mit 17,42 Dollar noch knapp neun Prozent über dem Ausgabekurs. Am Freitag lag die Aktie dann teilweise schon 17 Prozent unter dem Ausgabepreis.

Gute Wachstumschancen

Pandora hat bei seinem Börsengang die gute Stimmung für Internetfirmen gekonnt genutzt. Gleich zweimal hatte der Musikdienst den Ausgabekurs in den vergangenen Tagen angehoben, weil die Nachfrage der Investoren das knapp gehaltene Angebot an Aktien bei weitem überstieg. Letztlich kosteten die Aktien bei ihrem Debüt 16 Dollar, was einer Börsenbewertung des Unternehmens in Höhe von 2,6 Milliarden Dollar entspricht.

Für den Betreiber eines Internetradios, der weiterhin Verluste schreibt, ist das sehr schmeichelhaft. Und wie nach dem kollektiven Rausch um den Börsenstart des Online-Karrierenetzwerks LinkedIn sprechen viele Marktbeobachter von einer neuen Internetblase. Typische Merkmale: Astronomische Bewertungen für Unternehmen, die noch Verluste machen, dafür aber auf einem digitalen Wachstumsmarkt agieren.

Pandora hat natürlich seine Stärken und Alleinstellungsmerkmale: Der Dienst stellt sich auf den Musikgeschmack des Hörers ein. Laut Marktforschern hält Pandora bereits die Hälfte des Marktes für kommerzielles Internetradio in den USA. Das Angebot wird angenommen, das Know-how ist vorhanden, die Umsätze sind mit 138 Millionen Dollar im vergangenen Jahr recht ansehnlich. Mit den Einnahmen aus dem Börsengang von 235 Millionen Dollar könnte Pandora über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus wachsen.

Björn Glück, Aktien-Portfoliomanager bei Lupus alpha, sieht in der hohen Bewertung dennoch klare Anzeichen einer Übertreibung: „Pandora müsste schon einen signifikant positiven Gewinn machen, um auf eine aussagekräftige Bewertung zu kommen, wie es für ein gutes Investment wünschenswert wäre.“

Der größte Vermögenswert von Pandora sind die mehr als 90 Millionen registrierten Nutzer. Gern wird der Satz kolportiert, nach dem jede Sekunde ein neuer Pandora-Nutzer hinzu kommt. Klingt eindrucksvoll, Kritiker bezweifeln aber, dass es Pandora selbst bei einem starken weiteren Wachstum gelingen wird, Gewinn zu machen. Denn Pandora muss für die Musikstücke hohe Lizenzgebühren zahlen. Hören mehr Leute die Musik, muss das Unternehmen auch tiefer in die Tasche greifen. Geld kommt vor allem durch Werbung in die Kasse. Doch allein von Februar bis April machte das Unternehmen einen Verlust von neun Millionen Dollar. 

Böses Erwachen

Verluste hat Pandora mit vielen Internetfirmen gemein, die derzeit an die Börse streben. Mancher Beobachter fühlt sich deshalb an Zeiten der New Economy vor rund zwölf Jahren erinnert. Denn auch damals bremsten anhaltende Verluste die Nachfrage der Anleger bei Börsengängen kaum. Was zählte, war allein die Zukunft mit Millionen von Kunden aus dem rasend schnell wachsenden Kreis der Internetnutzer. Erst nachdem der Internethype seinen Zenit überschritten hatte und die ersten Internetikonen pleite gingen, kam es zum bösen Erwachen für die Anleger.

Es ist, als ob sich die Geschichte wiederholt. Als das berufliche Online-Netzwerk LinkedIn Mitte Mai an die Börse ging, schoss die Aktie von 45 auf bis zu 122,70 Dollar hoch. Seitdem geht es ebenfalls abwärts. Zuletzt stand das LinkedIn-Papier bei 74,62 Dollar. „Nach der expansiven Geldpolitik der Notenbanken ist einfach sehr viel Geld im Markt, vor allem aus Amerika“, sagt Portfoliomanager Glück. „Die Investoren suchen strukturelles Wachstum, der leise Glaube an ein zweites Google ist schon da.“

Er hält die Bewertungen der Internet-Neuemissionen generell für zu hoch. „Etablierte Unternehmen mit handfesten Produkten wie aktuell Samsonite und Prada stehen in einem Käufermarkt und mussten sich im Preis drücken lassen.

Bei Internetfirmen ist es ein Verkäufermarkt: Die Internetunternehmen können für ihre Aktien zunächst höhere Preise durchsetzen. Dass die Kurse nach dem Debüt auf dem Börsenparkett die Talfahrt antreten, erklärt Glück mit kurzfristigen Gewinnmitnahmen: „Auch Fondsmanager sind manchmal selbst getrieben und wollen aus taktischen Gründen dabei sein. Danach sichern sie die schnellen Gewinne und verkaufen wieder Anteile.“

Doch eine Weile könnte der Internethype anhalten, denn mit dem Rabattportal Groupon oder dem Facebook-Spieleentwickler Zynga streben weitere Firmen an die Börse. Vor allem aber warten alle gespannt Facebook. 600 Millionen Nutzer zählt das weltweit größte soziale Netzwerk. Und nachdem Internetgigant Google eindrucksvoll bewiesen hat, welch ein Vermögen sich mit solchen Nutzerzahlen verdienen lässt, überschlagen sich die geschätzten Bewertungen für Facebook, das seinen Börsengang erst im kommenden Jahr anstrebt.

Große Summen

Als die US-Investmentbank Goldman Sachs zum Jahreswechsel einstieg, wurde der Unernehmenswert auf schon damals unfassbare 50 Milliarden Dollar taxiert. Kurz darauf schwirrten schon 65 Milliarden Dollar durch den Raum. Inzwischen ist von 100 Milliarden Dollar die Rede.

Zum Vergleich: 100 Milliarden Dollar oder umgerechnet knapp 70 Milliarden Euro sind mehr als der Autobauer BMW, der Sportartikel-Hersteller Adidas und der Stahlkonzern ThyssenKrupp zusammen an der Börse kosten. Und dabei handelt es sich um drei der größten und traditionsreichsten Konzerne Deutschlands mit Dutzenden Werken, weltweiten Geschäftsverbindungen und jeder Menge Know-how.

Anlegern, die trotzdem Interesse an Internetaktien haben, rät Aktienexperte Glück dennoch zum Abwarten: „Vielleicht ist Facebook eines Tages wirklich so wertvoll wie Google. Aber im Moment sind die Bewertungen einfach zu hoch für die geringe Visibilität.“

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