Deutsche Börse Kleinaktionäre proben den Aufstand

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„Die Deutsche Börse verliert ihren Namen“

Kengeter versucht, diesen Ängsten entgegen zu treten – doch es gelingt ihm nur schwer, durchzudringen. Immer wieder wiederholt er, was er längst gesagt hat. Seine Entscheidungen, verteidigt der Investmentbanker, müsse er aufgrund von betriebswirtschaftlichen Fakten und Erwägungen treffen. Und da stehen nun mal ganz oben Kosteneinsparungen von 450 Millionen Euro pro Jahr an, ab dem dritten Jahr nach der Fusion. Und die Rechnung sei, versichert er, extern überprüft und bestätigt worden. Nicht jeder Aktionär will dem Manager das bedingungslos abkaufen: Schließlich seien viele Fusionen schon gescheitert, sagt einer, oder die errechneten Kostensynergien kämen am Ende so nicht aus. Zunächst einmal stehen außerdem Kosten für den Zusammenschluss in einem niedrigen dreistelligen Bereich zu Buche.

Mehr als das aber stößt vielen der Plan auf, dass die neue Holding ihren Sitz in London haben soll. Die gebetsmühlenartig vorgetragene Anmerkung, dass mit Deutscher Börse und LSE beide heutigen Unternehmen so bestehen bleiben sollen und die Holding nur als neues Dach aufgestülpt wird, verhallt bei vielen Aktionären fruchtlos. „Die Deutsche Börse verliert ihren Namen“, schimpft einer ins Mikrofon, „aber das britische Element wird betont“, sagt der Mann. Und ein anderer, der 20 Jahre lang mit Briten zusammengearbeitet hat, gibt ganz subjektiv zu bedenken, dass die Briten zunächst einmal an sich selber denken würden. Danach würden sie an die „englischen Leute“ denken und erst danach an die anderen. Dass die größere und stärkere Deutsche Börse es zugelassen hat, den Hauptsitz London zu akzeptieren, findet kaum einer hier in Ordnung. Kengeter entgegnet dem, dass jeder Partner etwas gebe und jeder auch etwas bekomme. Stimmt: Kengeter soll Chef der neuen Holding werden. „Verantwortlich für das operative Geschäft wäre meine Wenigkeit“, sagt er ganz bescheiden. Er rechnet jetzt damit – wenn alles bei Aktionären und den verschiedenen Aufsichtsbehörden durchgeht -, dass die Fusion Ende 2016 oder im ersten Quartal 2017 abgeschlossen ist.

An Fragen wie diesen können die Emotionen schnell überkochen. Einmal grätscht Aufsichtsratschef Faber gar dazwischen: Ein Mann ist ans Mikro getreten. „Von Herrn Kengeter haben wir heute viel blabla gehört“, sagt er. Bisher habe man doch eine sehr sachliche Diskussion gehabt, mahnt Faber. „Ich bitte auch sie sich auf Sachfragen zu konzentrieren.“

Grob die Hälfte der Aktionäre interessiert sich da schon nicht mal mehr für diese Sachfragen: Sie stehen längst unten am Buffet. Der Duft von Lasagne vermischt sich mit dem von Streuselkuchen. Doch auch das stimmt nicht alle versöhnlich. Das Essen sei „keine ordentliche Naturaldividende“, schimpft ein Frankfurter, der zum ersten Mal bei der Deutschen Börse auf der Hauptversammlung ist. Er hat Aktien vieler Unternehmen im Depot. Zum Glück sei morgen die Hauptversammlung von Audi, sagt er erleichtert. Da bekomme man wenigstens ein Modellauto – und gutes Essen.

Ein paar andere Kleinaktionäre debattieren unterdessen munter weiter. Doch trotz all dem Gegenwind – die privaten Anleger werden die Fusion kaum verhindern können. Sie haben bei der Deutschen Börse gerade mal einen Anteil von fünf Prozent. Das Gros der Aktien liegt in den Händen institutioneller Anleger-, und 28 Prozent davon kommen aus … Großbritannien.

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