10 Jahre Lehman, 10 Indikatoren So groß ist die Gefahr einer neuen Finanzkrise

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Ausgerechnet vom Immobilienmarkt droht wieder Gefahr

5. Immobilien

Ein weiterer wichtiger Indikator ist der amerikanische Häuserpreisindex, der sogenannte Case-Shiller-Homeprice-Index. Die Häuserpreise steigen wieder kräftig an und das Niveau liegt deutlich über dem Höhepunkt vor der Finanzkrise. Damals hatte die US-Regierung die Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac angewiesen, Hypothekenkredite von regionalen Banken anzukaufen, zu verbriefen und weiterzuverkaufen. Dabei handelte es sich vielfach um Kredite, die die Banken an Personen vergeben hatten, die im Grunde genommen gar nicht kreditwürdig waren, da es ihnen an Einkommen, Sicherheiten und Eigenkapital fehlte. Die Banken vergaben dennoch Kredite an diese Personen, weil sie wussten, dass sie die Risiken bei Fannie und Freddie abladen konnten. Hintergrund war, dass die US-Regierung die Kreditvergabe an untere Einkommensschichten zum Erwerb von Immobilien quasi als Sozialprogramm und Substitut für staatliche Transferzahlungen betrachtete, da diese in Amerika traditionell schwach ausgeprägt sind.

Das Besondere an den Kreditkonstruktionen war, dass die Zinsen für die ersten ein bis zwei Jahre auf niedrigem Niveau festgeschrieben waren. Für die Folgezeit war dann eine Verzinsung zum geltenden Marktzins vereinbart. Weil die Fed Mitte 2004 begann, die Leitzinsen zu erhöhen, kam für viele Kreditnehmer das böse Erwachen. Als die Festzinsvereinbarungen ausliefen, sprang die Zinsbelastung unerwartet auf das höhere aktuelle Marktzinsniveau. Das überforderte viele Kreditnehmer, die daraufhin ihren Schuldendienst einstellten. Die Kredite wurden faul, die Finanzkrise nahm ihren Lauf.

Die Folgen der Finanzkrise sind auch nach zehn Jahren noch nicht bewältigt. Deutsche Steuerzahler hat diese bislang 59 Milliarden Euro gekostet – doch damit ist die Finanzlast noch nicht ausgestanden.

Die Niedrigzinspolitik der Fed hat in den vergangenen Jahren wiederum viele Menschen in den kreditfinanzierten Kauf von Immobilien getrieben. Das hat die Immobilienpreise nach oben getrieben. 2016 hat die Fed nun damit begonnen, die Leitzinsen anzuheben. Steigen die Zinsen weiter, könnte das manche Schuldner in Bedrängnis bringen. Allerdings dürfte die Fed diesmal bei den Zinserhöhungen sehr vorsichtig vorgehen, um einen erneuten Crash am Immobilienmarkt zu verhindern.

Krisenfaktor: Mittel bis groß, je nach Kurs der Zentralbanken. 

6. Private Schulden und BIP

In einer Analyse aus dem Jahr 2013 untersucht die BIZ Frühwarnindikatoren und kommt zu dem Ergebnis, das zwei von ihnen besonders aussagekräftig sind: Das Verhältnis privater Schulden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie die Schuldendienstquote. Der Blick auf die Verschuldung der Privathaushalte stimmt indes wenig optimistisch: Sie liegt in vielen Ländern auf dem Niveau von 2008 oder gar darüber – und das zum Teil auf extrem hohem Niveau. So liegt die Haushaltsschuldenquote in Dänemark, Australien, Irland, der Schweiz und den Niederlanden bei über 100 Prozent.

Schon Ende 2014 hatte die Verschuldung der Privathaushalte wieder das Vorkrisenniveau überschritten: Die Schulden beliefen sich weltweit auf 40 Billionen Dollar gegenüber 33 Billionen Dollar Ende 2007.

Ausgerechnet in den USA, wo die Menschen nach der Finanzkrise vorsichtig wurden und deutlich weniger Schulden aufnahmen, haben die Privatschulden zuletzt ein Rekordniveau erreicht: 2017 betrugen sie erstmals mehr als 13 Billionen Dollar. Immerhin: Da die Wirtschaft boomt, sind das nur 67 Prozent des BIP – weniger als vor der Krise. Trübt sich die Wirtschaft jedoch ein, dürfte das Verhältnis schnell ganz anders aussehen. Das Gros der Kredite ist auf lange Dauer angelegt – es sind, ähnlich wie schon 2007, Immobilienkredite.

Krisenfaktor: Kurzfristig gering, mittelfristig jedoch groß, gerade in den USA.

7. Schuldendienstquote

Der zweite Frühwarnindikator der BIZ setzt Zahlungen für Schulden, also Zins- und Tilgungszahlungen, ins Verhältnis zu den Einnahmen. Diese sogenannte Schuldendienstquote lag etwa in Deutschland vor der Krise bei knapp sechs Prozent. Heute hat sie sich auf gut drei Prozent halbiert – ein Effekt, der vor allem auf die Niedrigzins-Kur der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückzuführen ist. Selbst in Griechenland hat sich die Schuldendienstquote in zehn Jahren von über zwölf Prozent auf gut sechs Prozent halbiert.

Die USA hingegen profitieren in deutlich geringerem Maße von den niedrigen Zinsen und der boomenden Wirtschaft: Die Schuldendienstquote ist heute mit knapp fünf Prozent annähernd auf demselben Niveau wie vor der Krise. In absoluten Zahlen sieht es noch dramatischer aus: Da mussten die USA 2017 eine Zinslast von 274 Milliarden Dollar schultern, so viel wie nie zuvor.

Und das ist nicht alles. Prognosen zufolge soll die Zinslast weiter deutlich ansteigen, verstärkt dadurch, dass die amerikanische Zentralbank Fed die Zinsen bereits schrittweise anhebt. Gleichzeitig gehen die Einnahmen zurück, vor allem als Folge Trumps großzügiger Steuersenkung. Die Schuldendienstquote dürfte sich also verschlechtern – und das bereits unter den aktuell rosigen Wirtschaftsbedingungen.

Krisenfaktor: In Europa vorerst überschaubar, in den USA hingegen mittelfristig groß.

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