15 Jahre Telekom-Börsengang Die verflixte Volksaktie

Vor 15 Jahren ging die Deutsche Telekom an die Börse. Die T-Aktie sollte die Deutschen zu einem Volk von Aktionären machen, doch sie wurde ein Reinfall. Und eine neue Börsenstory ist nicht in Sicht.

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Die T-Aktie hat die Erwartungen der Anleger enttäuscht. Quelle: dapd

Düsseldorf Wenige Monate vor dem Börsengang der Deutschen Telekom bekam der damalige Vorstandsvorsitzende Ron Sommer den Deutschen Kommunikationspreis 1996. Hätte er die Auszeichnung im November nicht schon in der Tasche gehabt, er hätte ihn nachträglich noch einmal bekommen müssen. Denn wie es der Manager schaffte, einem Volk von Aktienmuffeln sein Telekom-Papier schmackhaft zu machen, war ein wahres PR-Meisterstück.

„Der Spiegel“ schrieb im November 1996 in der Titelgeschichte „Testfall Telekom“, die Deutschen hätten bis dahin monatlich 7 Mark für Bananen ausgegeben – aber nur 1,22 Mark für Aktien. Das sollte sich jetzt ändern, die Deutschen zum Aktionärsvolk werden. Die Euphorie war riesig: Monatelang wurde auf allen Werbekanälen für die T-Aktie getrommelt. So schaffte es Sommer, dass das Papier zur ersten wahren Volksaktie wurde. 1,9 Millionen Privatanleger stiegen ein, 713 Millionen Aktien wurden ausgegeben. Die Telekom wäre auch die fünffache Menge losgeworden. Aber auch so konnten sich Vorstandschef Ron Sommer  und der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel über sich und das Unternehmen über jede Menge frisches Kapital freuen: Rund 10 Milliarden Euro spülte der Börsengang in die Kassen.

Der Star der damaligen Werbekampagne war der Tatort-Kommissar Manfred Krug. Dass er sich kaum zehn Jahre später in einem Interview mit dem „Stern“ bei allen Käufern entschuldigen und seine Werbeauftritte als größten beruflichen Fehler bezeichnen würde, konnte damals keiner ahnen. Für Käufer der Aktie, Kleinanleger wie institutionelle Investoren, war ohnehin nur eine Frage entscheidend: Gelingt es Ron Sommer aus der ehemaligen Behörde mit all seinen Beamten und den angestaubten Strukturen ein profitables Privatunternehmen zu machen? Denn auch für die Privatisierung einer Behörde war die Telekom ein Testfall.

Die Antwort schien zunächst positiv auszufallen. Zu Beginn lief es für das ehemals staatliche Telekommunikationsunternehmen auf dem Parkett perfekt. Am ersten Handelstag sprang der Kurs vom Einstiegspreis 28,50 Mark zunächst auf 33 Mark. Die anfänglichen Querelen um die neue Tarifpolitik des Telekommunikations-Monopolisten belasteten den Kurs nicht.


Ein katastrophales Jahr

Auch die Liberalisierung des Festnetz-Geschäfts und die zunehmende Konkurrenz auf dem Mobilfunkmarkt übten zunächst keinen Druck auf die Aktie aus. Im Juni 1999 wurde bereits die zweite Tranche der T-Aktie auf den Markt geworfen. Ausgabepreis: 39,50 Euro. Auch diese Emission brachte wieder rund 10 Milliarden Euro ein. Wer jetzt kaufte - und das taten die Deutschen reichlich - konnte noch einmal abräumen: Ein Dreivierteljahr später kostete die T-Aktie 103,50 Euro.

Höher sollten die Papiere nie mehr notieren. Und nie wieder hielten so viele Deutsche Aktien wie im Jahr 2000.  Nach Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) gab es zu dieser Zeit rund 6,2 Millionen direkte Aktionäre. Im Jahr 1996 waren es 3,7 Millionen gewesen.

Der T-Euphorie folgte die T–Übertreibung. Getrieben vom New-Economy-Boom ließ sich Ron Sommer zu weiteren Börsengängen hinreißen: Das Papier der Internet-Tochter T-Online wurde im April 2000 erstmals ausgegeben. Die Aktie kostete 27 Euro. Der für die damalige Zeit niedrige Einstiegspreis sollte dem Kurs an der Börse Flügel verleihen. Doch das gelang nur kurz, schnell wurde das Papier zum Verlustbringer. Das hinderte Sommer aber nicht, im Juni eine dritte Tranche der T-Aktie an die Börse zu bringen. Das Papier fand immer noch reißenden Absatz, war um das dreieinhalbfache überzeichnet. Der Ausgabepreis von 66,50 Euro lag noch unter dem der damals gehandelten Papieren, am ersten Handelstag rutschte der Kurs dann auf 65,79 Euro.  Der schmerzhafte Absturz folgte aber erst.

Das Jahr 2001 sollte dann ein katastrophales werden. Die Telekom korrigiert den Wert ihrer Grundstücke um insgesamt 2,5 Mrd. Euro nach unten. Die Anleger fühlen sich getäuscht, vor allem diejenigen, die beim dritten Börsengang Aktien gekauft haben. Eine Klagewelle beginnt. Im selben Jahren erwirbt die Telekom die amerikanischen Mobilfunkunternehmen Voicestream und Powertel für ca. 39,4 Mrd. Euro (inklusive übernommener Schulden). Angesichts der Höhe des Preises, die der Telekom eine zusätzliche Schuldenlast aufbürdet, geht ein Aufschrei durch die Öffentlichkeit.


Ungebremster Absturz

Die Aktie stürzt ungebremst in die Tiefe. Der Tiefpunkt ist im Juni 2002 bei 8,14 Euro erreicht. Im Juli tritt Ron Sommer, der große Kommunikator, zurück. Es folgen: Ein Vorstandswechsel (zu Kai-Uwe Ricke), Stellenstreichungen, Ermittlungen wegen Anlagebetrugs und Falschbilanzierung, Rekordverluste, ein weiterer Vorstandswechsel (René Obermann). Unter Obermann scheint sich die Lage etwas zu entspannen. Das Papier der Telekom steigt wieder in Richtung 15 Euro im Jahr 2006. Doch einen Datenskandal und ein paar millionschwere Prozesse später ist auch der positive Obermann-Effekt abgeklungen, der Kurs geht erneut auf Talfahrt.

Einen Hoffnungsschimmer für die T-Aktionäre gibt es erst wieder im März 2011. Spekulationen um den Verkauf der US-Mobilfunktochter treiben den Kurs über die 10-Euro-Marke. Am 21. März dann die Bestätigung: T-Mobile USA wechselt für 39 Milliarden Dollar den Besitzer. Der amerikanische Kommunikationsriese AT&T hat zugeschlagen. Doch das Glück der Aktionäre ist nur von kurzer Dauer. Der Börsencrash im August 2011 reißt auch die T-Aktie wieder in den einstelligen Kursbereich.

Am 31. August folgt dann der letzte Schlag: Das US-Justizministerium will eine Kartellklage gegen die T-Mobile USA Übernahme anstrengen. Der Verkauf droht zu platzen. Für die Anleger das vorerst letzte Kapitel in einer größtenteils ernüchternden Börsenstory.

Auch die enttäuschten Kleinanleger prozessieren gegen die Deutsche Telekom. In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt haben rund 17 000 Kleinaktionäre wegen erlittener Kursverluste Schadensersatz verklagt. Sie sind der Meinung, das Unternehmen habe sie mit dem Verkaufsprospekt für den dritten Börsengang im Jahr 2000 getäuscht. Der Prozess dauert an - eine Entscheidung wird im Januar 2012 erwartet. Beobachter geben den Klägern kaum Chancen.

Heute kostet eine T-Aktie 9,24 Euro – 37 Prozent weniger als beim Börsengang 15 Jahre zuvor. Die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist auf 3,7 Millionen gesunken, weniger als im Jahr 1996. Der Testfall Telekom ist gründlich nach hinten losgegangen - für die Aktionäre war er ein Reinfall.

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