25 Jahre Dax Das sind die Lieblingsaktien der Deutschen

Anlässlich des Dax-Jubiläums hat die WirtschaftsWoche die Depots von 600.000 Privatanlegern untersucht und deren Favoriten ausgemacht. Welche Aktien Glücksgriffe sind und welche Papiere Sie besser verkaufen sollten.

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Der Dax-Chart in der Frankfurter Börse Quelle: REUTERS

Eine Analyse der Münchner DAB Bank hat exklusiv für die WirtschaftsWoche mehr als 600.000 Depots ausgewertet; in knapp der Hälfte sind Einzelaktien vertreten. Im Schnitt sind diese Portfolios 41.000 Euro wert; 23.000 Euro davon stecken in Aktien. Und Nestlé ist die beliebteste Auslandsaktie der Deutschen. 1,4 Prozent ihrer in Aktien investierten Gelder stecken in dem Schweizer Wert. In der Depotauswertung landete Nestlé auf Rang zwölf. Die ersten zehn Plätze hingegen werden von Dax-Aktien belegt. Sechs der zehn beliebtesten Aktien – Allianz, BASF, Bayer, Daimler, Deutsche Bank und Siemens – sind seit Gründung des Deutschen Aktienindex vor 25 Jahren ununterbrochen im Dax vertreten.

Durch dick und dünn

Weltweit gibt es mehr als 8000 an Börsen gehandelte Aktien. "Dennoch beschränkten sich 80 Prozent der Privatanleger ihr ganzes Anlegerleben lang auf ein Universum von 30 Titeln", sagt der freie Anlage-Verhaltensforscher Andreas Beck, der Zehntausende von Privatanlegerdepots analysiert hat. Die Münchner DAB-Banker interessierten vor allem zwei Fragen:

  • In welche Aktien haben Privatanleger das meiste Geld investiert? BASF führt sie an: 4,3 Prozent der von Privatkunden in Aktien investierten Gelder stecken in BASF-Aktien.
  • Welche Aktien werden von den meisten Privatanlegern gehalten? Die zweite Rangliste zeigt, in wie viel Prozent der Depots die jeweilige Aktie liegt. Die Aktie der Deutschen Telekom etwa liegt immer noch in fast jedem fünften privaten Aktiendepot.

"Haben Privatanleger einmal Vertrauen in eine Aktie gefasst, halten die meisten über Jahre durch dick und dünn daran fest", sagt Max Schott, Chef der Stuttgarter Vermögensverwaltung Sand-Schott. Laut Schott liegt die durchschnittliche Haltedauer von Privaten bei fünf Jahren.

Zwar ist das im Grundsatz nicht verkehrt, schließlich gelten Aktien als Langfristanlage, in die am besten nur Geld fließen sollte, das man entbehren kann. Doch von aussichtslosen Fällen sollte man sich trennen, etwa dann, wenn sich das Unternehmen oder die Rahmenbedingungen, unter denen es operiert, völlig verändert haben. "Die Mehrzahl der Anleger aber tut sich schwer damit, sich von Fehlinvestments mit Verlust zu trennen", sagt Schott. "Viele halten in eiserner Nibelungentreue an ihren Investments fest, obwohl sie rational längst eingesehen haben, dass sich das Papier nicht mehr erholen wird."

So wie die Aktie des Neuen-Markt-Senkrechtstarters Intershop, der einmal 11,3 Milliarden Euro wert war und heute bei einem Börsenwert von 50 Millionen herumkrebst. Die Aktie ist immer noch eines der 20 am häufigsten in Privatanlegerdepots vertretenen Papiere, genauso wie Constantin Medien, die aus dem Zeichentrick-Vermarkter EM.TV hervorging.

Psychologie verhindert Trennungen

In welche Aktien Privatanleger am meisten Geld investiert haben

Immerhin: Intershop hat überlebt; die Bilanz ist solide, das Unternehmen arbeitete in den meisten der vergangenen Jahre profitabel. Es entwickelt und verkauft noch immer E-Commerce-Software, mit der große Versandhäuser wie Otto ihre Bestellungen managen. Doch der Wettbewerb ist hart, Intershop droht abgehängt zu werden: Lange fehlte den Thüringern eine Lösung für das moderne, kabellose Internet-Zeitalter (Cloud); große Kunden sind schon auf dem Absprung, neue sind kaum in Sicht. Anleger dürften auf Verlusten sitzen bleiben.

Es ist die Psychologie, die viele hindert, sich rechtzeitig von aussichtslosen Engagements zu trennen. "Die meisten Anleger begrenzen Verluste zu spät und nehmen bei guten Aktien zu früh Gewinne mit", sagt Joachim Paul Schäfer, seit 1970 an der Börse aktiv und einer der dienstältesten Vermögensmanager Deutschlands. "Fällt eine Aktie, versuchen viele, wenigstens ihre Einstiegskurse wieder zu erreichen."

Das letzte Fünkchen Hoffnung

Klar: Wer mit Verlust verkauft, muss sich einen Fehler eingestehen; wer am Papier festhält, dem bleibt immerhin ein Rest Hoffnung. Fortan werden negative Nachrichten ignoriert und positive gierig aufgenommen. "Oft hören wir den Satz, es sei ja noch kein ,echter‘ Verlust, da die Aktie ja noch nicht verkauft worden sei", so Schott, "dabei ist die Chance, bei einer Intershop, Constantin Medien oder auch Nokia die Einstiegskurse aus den Jahren 1998 bis 2000 wiederzusehen, realistisch gesehen gleich null."

Volksaktie noch vorn
Welche Aktien am häufigsten in Privatanlegerdepots auftauchen
AktieVerbreitung¹Empfehlung
Deutsche Telekom19,0

verkaufen

Daimler10,3halten
Commerzbank10,3

verkaufen

E.On8,8halten
Deutsche Bank7,7

verkaufen

Siemens7,6

verkaufen

Nokia6,4

verkaufen

Allianz6,3

kaufen

Infineon6,0

kaufen

BASF5,4halten
Deutsche Post5,1

kaufen

SAP4,8halten
RWE4,3halten
Lufthansa3,8

verkaufen

Thyssen3,4

verkaufen

Cisco3,4

kaufen

Münchener Rück3,1

kaufen

intershop Comm.3,0

verkaufen

Bayer2,9

kaufen

Constantin Medien²2,9

verkaufen

¹Prozentsatz der Depots, in denen diese Aktie liegt ; ²Nachfolgepapier des Neuen-Markt-Highflyers EM.TV; Quelle: DAB Bank, Stand: Juni 2013

Besser wäre es, von Zeit zu Zeit das Depot auszukehren: Sind die Gründe, die einst zum Kauf einer Aktie führten, noch intakt? Wenn ja, spricht nichts gegen einen Verbleib des Papiers im Depot; vergangene Kursgewinne sind genauso wenig ein triftiger Grund, eine Aktie loszuschlagen, wie umgekehrt bisherige Verluste ein Festhalten rechtfertigen.

Wenn die alten Kaufgründe nicht mehr gelten, sich Marktposition, Bilanz und Zukunftschancen nachhaltig verschlechtert haben, man schlicht von einem Szenario ausging, das sich nicht materialisiert hat, sollte man aber die Reißleine ziehen. Auf den folgenden Seiten hat die WirtschaftsWoche die zehn beliebtesten Aktien, in die Privatanleger das meiste Geld investiert haben, untersucht: Die Analyse der Stärken und Schwächen der zehn Bestseller führt dann letztlich zur Empfehlung "halten", "kaufen" oder "verkaufen".

BASF-Papier mit steiler Karriere

BASF ist die beliebteste Aktie in deutschen Depots Quelle: dpa

Die BASF-Aktie hat bei deutschen Privatanlegern eine steile Karriere gemacht: Sie ist – anders als etwa die Telekom – kein Überbleibsel aus dem Börsenhype. Noch 2006 tauchte das Papier nicht unter den Top 10 der beliebtesten Aktien auf, heute ist BASF die Einzelaktie, in die deutsche Privatanleger das meiste Geld investiert haben. 4,31 Prozent des von Privatkunden der DAB Bank in Aktien investierten Kapitals stecken in BASF. Durch Produkte und Management hat der Konzern die Aura des Grundsoliden, gleichzeitig ist er einer der Hauptprofiteure des Chinabooms der vergangenen Jahre im Dax.

Ein Schnäppchen ist das Papier mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 13 auf Basis der erwarteten Gewinne 2013 allerdings längst nicht mehr, für einen Euro Umsatz zahlen Anleger schon knapp einen Euro an der Börse. Positiv: Analysten haben ihre Schätzungen zum Gewinnwachstum zuletzt um gut zehn Prozentpunkte nach unten korrigiert, sodass die Erwartungen nun realistisch sein dürften.

BASF-Aktie

Aber: Chemie ist sehr konjunktursensibel, die Anzeichen auf eine weltweite Eintrübung der Wirtschaft verdichten sich. BASF hat Produktionskapazitäten in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut, eine Abschwächung des Asiengeschäfts würde die Kosten schnell steigen lassen. Die US-Wettbewerber Dupont und Dow Chemical haben zudem Rückenwind durch günstige Energiepreise in den USA, vor allem dank der Förderung von Erdgas aus Schiefergestein (Fracking). Stabilisierend wirken die Agrarchemie sowie das Öl- und Gasgeschäft der Tochter Wintershall, die beide weiter stark wachsen.

Der Rekordgewinn aus dem Jahr 2011 dürfte, nachdem der Gewinn schon im vergangenen Jahr zurückging, dennoch im laufenden Jahr nicht erreicht werden. Der für die Dividendenfähigkeit maßgebliche freie Cash-Flow ging seit 2010 um knapp ein Drittel zurück. Immerhin soll der Umsatz wieder leicht zulegen, auf gut 73 Milliarden Euro, nachdem die Erlöse 2012 ebenfalls leicht rückläufig waren.

Siemens kassiert Prognosen

Der Technologiekonzern bekommt die Konjunkturflaute deutlich zu spüren. Anfang Mai kassierte er seine Prognosen für 2012/13 (das Geschäftsjahr endet am 30. September). Vor allem in Europa, wo Siemens noch 30 Prozent der Umsätze erzielt, bremst die Krise das Geschäft, aber auch in den USA und China lässt die Dynamik wieder nach. Von Januar bis März lief es überraschend schlecht. Der Umsatz fiel gegenüber dem Vorjahreszeitraum um sieben Prozent. Auch beim Gewinn gab es einen Rückschlag; hier drücken auch noch Sondereffekte, wie die verzögerte Auslieferung neuer ICEs an die Bahn. Im Gesamtjahr dürfte der Konzern nur noch 77,5 Milliarden Euro Umsatz machen (nach 78,3 Milliarden 2011/12) und einen Nettogewinn von rund 4,5 Milliarden Euro einfahren.

Siemens-Aktie

Der freie Cash-Flow wird sich bei 3,4 Milliarden Euro einpendeln, in zwei Jahren hat er sich fast halbiert. Unbefriedigend aus Sicht der Aktionäre ist auch, dass Konkurrenten wie General Electric, ABB und Philipps gute Zahlen vorlegten. Die Bewertung der Siemens-Aktie ist mit einem KGV von 14,8 auch kein Kaufanreiz. Positiv ist immerhin der Auftragseingang, der mit 21,45 Milliarden Euro im zweiten Quartal über den Erwartungen lag.

Die  jahrelang als Kleinod gehandelte, inzwischen aber in einem massiven  Umbauprozess steckende und durch Restrukturierungskosten belastete Tochter Osram wird  Anfang Juli  abgespalten: Siemens-Altaktionäre erhalten  für zehn Siemens-Aktien, die sie zu einem bestimmten Stichtag halten,  eine Aktie der der Osram Licht AG  ins Depot gebucht. Frisches Geld in die Kasse spülen wird die Münchner  Licht-Tochter der Mutter also nicht, die Gelegenheit dazu hat das Siemens-Management zwei Mal verstreichen lassen.

Allianz lockt mit Dividende

Aktien von Versicherern wie der Allianz leiden unter Naturkatastrophen. Quelle: REUTERS

Versicherungen wurden zuletzt gern totgesagt. Wegen der niedrigen Zinsen, die auf die Rendite von Lebensversicherungen durchschlagen, erwarten viele, dass bei den Assekuranzen bald das Licht ausgeht, weil denen die Kunden davonlaufen. Zumindest akut sieht das bei der Allianz aber nicht so aus. Im Gegenteil: Im ersten Quartal des Jahres schrieb der Konzern 1,8 Milliarden Euro Nettogewinn, fast 25 Prozent mehr als im ersten Quartal 2012. In der Schaden- und Unfallversicherung, dem wichtigsten Geschäftszweig, der 40 Prozent der Gewinne einbringt, kann die Allianz in vielen Fällen die Prämien erhöhen und hat die Kosten im Griff. Mit rund 94 Prozent ist die Schaden-Kosten-Quote derzeit um zwei Prozentpunkte besser als vor einem Jahr. Heißt: Für jeden Euro Prämieneinnahmen fallen nur 94 Cent an Schadenszahlungen und Kosten an – eine gute Zahl, auch im Branchenvergleich. Das zweite Standbein, die Vermögensverwaltung Allianz Global Investors (AGI), glänzt; allein die US-Fondstochter Pimco verzeichnete im ersten Quartal netto Mittelzuflüsse von 40 Milliarden Euro. Insgesamt stiegen die von der Allianz verwalteten Gelder von 1,65 Billionen Euro auf 1,93 Billionen Euro. 900 Millionen Gewinn machte die Allianz damit.

Allianz-Aktie

Sorgenkinder bleiben das Lebens- und Krankenversicherungsgeschäft, die unter schwachem Neukundengeschäft und Niedrigzinsen leiden, doch auch hier verdient die Allianz trotz widriger Märkte Geld. Klar: Ein Crash an den Finanzmärkten oder eine riesige Naturkatastrophe würde die Allianz-Aktie hart treffen, das ist generell das Risiko bei Versicherungen. Solange aber große Katastrophen an den und abseits der Börsen ausbleiben, hat die Allianz noch Potenzial: 2012 machten die Münchner 106 Milliarden Euro Umsatz und erzielten daraus einen Gewinn pro Aktie von 11,42 Euro, was einem KGV von 10,3 entspricht. Für 2013 schätzen Analysten 12,42 Euro je Aktie (KGV: 9,4). Sehen lassen kann sich auf jeden Fall die Dividende mit rund fünf Prozent Rendite.

Häufigster Gast im Depot: Telekom

Über die anhaltende Kursschwäche (fast 50 Prozent in zehn Jahren) hinwegtrösten konnten sich die Anleger, die immer noch gut drei Prozent ihrer Aktiendepots mit Telekom bestückt haben, lange Zeit mit der Dividende. Doch auch die gerät unter Druck: statt 78 Cent wie in den Jahren 2007 bis 2009, zahlte die Telekom zuletzt nur noch 70 Cent, im kommenden Frühjahr wird es voraussichtlich nur noch etwas mehr als 50 Cent geben. Damit verblasst einer der wichtigsten Kaufanreize für die T-Aktie, denn übertrieben günstig ist die Telekom längst nicht mehr, das KGV liegt schon leicht über Dax-Durchschnitt. Auch in den kommenden Jahren dürfte die Aktie keine großen Sprünge machen – und die Dividende eher karg ausfallen.

Telekom-Aktie

Noch immer drücken rund 37 Milliarden Euro Nettofinanzschulden; der Umsatz schwindet seit Jahren, von knapp 65 Milliarden Euro 2009 auf zuletzt 58 Milliarden; in den kommenden zwei Jahren dürfte er stagnieren. Der für die Dividendenzahlungen entscheidende freie Cash-Flow ist unter Druck. Zuletzt lag der freie Cash-Flow pro Aktie noch bei 1,69 Euro, knapp die Hälfte davon floss also in die Dividenden. Künftig dürfte es eher ein geringerer Anteil sein, der Aktionären zugute kommen wird. Denn die Telekom muss in den Ausbau der Netze investieren, kann dies wegen des hohen Wettbewerbsdrucks aber nur eingeschränkt. Auch deshalb sollen Kunden mit besonders viel Bedarf künftig mehr bezahlen. Wie das Experiment ausgeht – steigende Umsätze oder Flucht der Kunden zur Konkurrenz –, ist unklar, schon weil die Kabel-TV-Firmen als wichtige Wettbewerber nicht mitziehen müssen: Sie haben ihre eigenen Netze und Bandweite genug.

Kummer beim Daimler-Aktionär

Anleger mit Daimler-Aktien sollten diese halten Quelle: dpa

Daimler-Aktionäre – drei Prozent der Aktiengelder von Privatkunden stecken in dem Papier – sind Kummer gewohnt. Quartal für Quartal dämpft das Management die Erwartungen. Im vergangenen Geschäftsjahr verdiente Daimler unterm Strich operativ kein Geld: Der Cash-Flow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (Summe der Bareinnahmen abzüglich Kosten; ohne Finanzgeschäfte, Zinsen oder Steuern) war mit minus 1,1 Milliarden Euro tiefrot. Und 2013 lief schon wieder enttäuschend an: Die Euro-Krise und ein weltweit schwacher Automarkt machten Wachstum derzeit schwierig, musste Konzernchef Dieter Zetsche einräumen. Den Markt, speziell in Westeuropa, habe man wohl zum Jahreswechsel schon wieder zu positiv eingeschätzt.

Doch damit könnte – endlich – die Talsohle erreicht gewesen sein. Die strategische Irrfahrt (vom Premiumautobauer über den breit aufgestellten Technologiekonzern zur "Welt-Auto-AG" mit Chrysler und zurück) der vergangenen Jahrzehnte ist beendet: Mit dem Verkauf seiner Anteile an dem Flugzeugbauer EADS im April für 2,2 Milliarden Euro vollzog Daimler den letzten Schritt zur Portfoliobereinigung; Daimler ist wieder ein reiner Autobauer. Die Aufgaben sind gewaltig, denn der Konzern hinkt Audi und BMW nicht nur in puncto Wachstum (China) und Profitabilität im Kerngeschäft Pkw noch immer hinterher, auch technisch (etwa beim Verbrauch) haben die zwei Bayern die Schwaben inzwischen weit abgehängt.

Daimler-Aktie

Dafür hat die Daimler-Aktie aber Potenzial. Vor allem die im Vergleich zur Konkurrenz zu hohen Produktions- und Einkaufskosten lassen sich noch senken; Audi, BMW und Lexus dürften dabei schon am Limit fahren. Ein neues Programm soll allein bei den Pkws bis 2014 zwei Milliarden Euro einsparen. Bei den Trucks soll mehr als eine Milliarde weniger Kosten anfallen. Dafür will Daimler in den lange vernachlässigten Vertrieb investieren; die lange vernachlässigte Modellpalette hat der Konzern schon in Angriff genommen, die neuen Modelle wirken frisch und weniger bieder als die Vorgänger. Sie dürften ab 2014 für erheblichen Schub sorgen und die Entwicklungskosten schnell hereinholen.

Spielball der Politik: Deutsche Bank

Der Wille der Politik, den Spielraum der Investmentbanken dauerhaft zu beschneiden, sollte nicht unterschätzt werden. Das könnte bis zur erzwungenen Trennung in Filial- und Investmentbank gehen und das aktuelle Geschäftsmodell der Deutschen Bank massiv gefährden. Schon jetzt kosten Abschreibungen auf faule Kredite und die größeren Kapitalpuffer die Bank so viel Geld, dass sie zu Kapitalerhöhungen gezwungen war. Allein im April sammelte sie drei Milliarden Euro frisches Geld ein. Kurzfristig feierte die Börse das als Befreiungsschlag, langfristig sind Kapitalerhöhungen für die Altaktionäre ein Mittel mit unangenehmen Nebenwirkungen, schließlich verwässert die Ausgabe junger Aktien Gewinn und Dividende.

Deutsche Bank-Aktie

Weitere Kapitalerhöhungen könnten drohen. Vorsichtshalber stimmt die Doppelspitze um Jürgen Fitschen und Anshu Jain die Aktionäre schon mal auf eine längere Dürreperiode ein. Zahlreiche Skandale belasten Image und Reserven: strittige Zinsgeschäfte mit Mittelständlern, der Libor-Skandal, die Kirch-Pleite und der Verdacht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Derzeit hat die Bank 2,4 Milliarden Euro für Prozesse zurückgestellt, die für Gewinne und Dividenden fehlen. 2012 fiel das Nettoergebnis von 4,3 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf nur noch 290 Millionen, die Dividende soll aber gleich bleiben (knapp 700 Millionen Euro), sodass die Bank aus der Substanz ausschüttet.

Die Bank ist zu groß, zu ineffizient und in zu viele Randaktivitäten verwickelt. Sie muss ihr Kostenproblem in Angriff nehmen. Immerhin: Die lange Zeit zu schwache Kernkapitalquote (hartes Eigenkapital im Verhältnis zu allen Risiko-Assets) der Bank hat sich von einst rund 5,0 auf 9,5 Prozent schon stark verbessert. Um die Quote weiter zu verbessern (das Regelwerk Basel III schreibt nur neun Prozent vor, internationale Spitzenbanken haben aber 15 Prozent), kann die Bank entweder weiteres Kapital aufnehmen oder riskante Anlagen am Markt verkaufen. Passieren wird mit Sicherheit Letzteres: Sogenannte Risikoaktiva, etwa Hypothekenkredite in Südeuropa und den USA, werde man zur Not auch mit Verlust verkaufen, heißt es aus der Bank. Meldungen über Teilverkäufe könnten dem Kurs kurzfristig helfen.

Marke von Weltrang: SAP

Auch bei SAP läuft es derzeit gut Quelle: dpa


Keine Frage: Es läuft gut zurzeit für die einzige deutsche Softwarefirma von Weltrang: Abgeschüttelt ist das alte Image vom schwerfälligen, behördengleichen Marktführer für Betriebssoftware (Einkauf, Vertrieb, Personal). Und an der Börse startete SAP durch: Mit einem Plus von 60 Prozent in drei Jahren gehört das Papier zu den Antreibern im Dax. Mit einem Börsenwert von über 70 Milliarden Euro ist SAP sogar zum wertvollsten deutschen Unternehmen aufgestiegen. Schon mehren sich mahnende Stimmen, der Höhenflug der Aktie könne so nicht ewig weitergehen. Da haben sie wohl recht – sehr langfristig gesehen. Einer Analyse von Boston Consulting zufolge konnte kein Unternehmen weltweit länger als neun Jahre in Folge den Gesamtmarkt schlagen; so droht auch SAP der unvermeidliche Absturz.

SAP-Aktie

Allzu tief dürfte SAP aber nicht fallen. Sowohl am Produktmix als auch an der Bilanz gibt es wenig auszusetzen. SAP steigert seit Jahrzehnten (von ein paar kleinen Dellen wie im Krisenjahr 2009 abgesehen) seinen Umsatz und verdient eine mehr als komfortable operative Marge von rund 25 Prozent. Der Konzern erwirtschaftet trotz zahlreicher Zukäufe solide Cash-Flows und ist fast schuldenfrei. Einzig der hohe Geschäfts- und Firmenwert (Goodwill) von rund 13 Milliarden Euro in der Bilanz (wegen der teuren Zukäufe in den vergangenen Jahren) trübt das Bild. Und natürlich die ständigen Personalquerelen. In den USA etwa hat SAP zuletzt dreimal den Posten des Vertriebschefs neu besetzt. Auch in der Doppelspitze soll es knirschen; doch Probleme mit dem Spitzenpersonal sind SAP-Aktionäre ja aus den vergangenen Jahren schon gewohnt. Sie haben dem Kurs der Aktie nicht nachhaltig geschadet. Allerdings ist die Aktie nach dem rasanten Anstieg der vergangenen drei Jahre auch kein klarer Kauf mehr.

E.On: Geldmaschinen abgeschaltet

Der Atomausstieg rasierte die Gewinne. Abgeschriebene Atommeiler waren Geldmaschinen, dürfen nun aber nicht mehr laufen. Mit dem Gewinn fällt die Dividende. E.On rentieren nur noch einen Punkt über dem Dax-Durchschnitt von knapp vier Prozent. Seit Berlin 2011 das AKW-Aus bis 2022 beschloss, sucht E.On ein neues Geschäftsmodell. Europaweit sank der Absatz von Strom wegen der Wirtschaftskrise seit 2008 um vier Prozent. E.On sucht sein Heil in Schwellenländern, wo der Strombedarf noch wächst; in Brasilien etwa schloss man ein Joint Venture, das große Kraftwerke bauen soll. Auch in der Türkei investiert E.On mit einem lokalen Partner. Doch die Risiken sind hoch. So musste E.On in Brasilien dieses Jahr bereits 800 Millionen Euro nachschießen, um die dortige Energiebeteiligung MPX zu stützen.

E.On-Aktie

2013 sind nur noch 115 Milliarden Euro Umsatz drin; 2012 waren es noch 132 Milliarden Euro; der Gewinn je Aktie dürfte sich bei 1,30 Euro einpendeln; 2012 hatte E.On noch 2,20 Euro verdient und davon genau die Hälfte als Dividende ausgeschüttet. Die Dividende dürfte also kaum steigen, zumal E.On bereits eine hohe Schuldenlast trägt.

Katastrophen schaden der Münchener Rück

Auch die Münchener Rück ist eine Kaufempfehlung Quelle: dpa

Land unter – und wer zahlt? Katastrophen wie das Hochwasser in Süd- und Ostdeutschland rücken an der Börse eine Branche in den Mittelpunkt: die Versicherer. Bei der Münchener Rück versichern sich Erstversicherer wie Allianz und Axa für den Fall, dass ihre Schadensleistungen das zuvor kalkulierte Ausmaß weit übersteigen sollten. 2011 bezahlte die Münchener Rück rund 4,5 Milliarden Euro für Naturkatastrophen wie das Erdbeben in Japan. Als Folge schrumpfte der Nettoreingewinn auf 712 Millionen Euro. 2012, ein "normales" Jahr in puncto Naturkatastrophen, brachte dann wieder 3,21 Milliarden Euro Gewinn.

Münchener Rück-Aktie

Als Faustregel gilt also: Katastrophenjahre schmälern bei Rückversicherern den Gewinn. Aber: Wird die Häufung von Naturkatastrophen zum Trend, wovon die Experten der Münchener Rück wegen des Klimawandels überzeugt sind, können die Rückversicherer meist Prämienerhöhungen durchsetzen, es bleibt selbst in Katastrophenjahren noch ein stattlicher Gewinn übrig. Bei der Münchener Rück ist die Dividende seit 1969 noch nie gesunken. Nicht zuletzt überzeugt der Weltmarktführer mit einer starken Bilanz (gute Kapitalausstattung), einer konservativen Kapitalanlagepolitik und einem exzellenten Rating (AA-). Das ist wichtig, um sich für Zahlungsverpflichtungen günstig refinanzieren zu können.

Das hat offenbar auch den weltweit bekanntesten Spezialisten für Rückversicherungen überzeugt: Berkshire Hathaway, das Investment-Vehikel von Star-Investor Warren Buffett, hält mehr als elf Prozent an den Münchnern. Und mit Rückversicherern kennt Buffett sich aus, schließlich besitzt Berkshire selbst zwei davon.

Bayer: Chemie ohne Wachstum

Die Leverkusener, in denen knapp 1,9 Prozent der privaten Aktiengelder stecken, verfolgen auch nach Ausgliederung der einst schwach rentablen Färb- und Gerbstoffe sowie der Kunstkautschukproduktion (als Lanxess) noch immer eine Drei-Säulen-Strategie (Chemie, Pharma und Pflanzenschutz). Nennenswertes Wachstum bringen aber nur Agrar und Pharma, während die Chemie ein Schattendasein fristet. 61 Prozent der Rohgewinne (Ebitda) stammen aus dem Pharmageschäft, 24 Prozent aus dem Pflanzenschutz und nur 15 Prozent aus der Chemie.

Bayer-Aktie

Vor allem Pharma ist attraktiv. Die Pipeline der in späten Entwicklungsphasen oder sogar schon kurz vor der Markteinführung stehenden Medikamente hat sich dramatisch verbessert. Für das Knochen- und Prostatakrebsmittel Radium 223 Dichlorid (Xofigo) bekam Bayer die US-Zulassung; das Medikament gilt als potenzieller Blockbuster (so heißen in der Branche Pillen mit mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz pro Jahr) ebenso wie die kurz davor zugelassenen Xarelto (Gerinnungshemmer), Eylea (gegen Augenerkrankungen) und Stivarga (Krebs). Allein diese vier Medikamente könnten mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz bringen.

Regional überzeugt die starke Marktstellung in Asien. Das Umsatzwachstum (derzeit setzt Bayer gut 40 Milliarden Euro um) dürfte sich in den kommenden Jahren bei fünf Prozent einpendeln, deutlich mehr als das Wachstum der Weltwirtschaft. Die Gewinnmarge sollte ebenfalls stabil bleiben, respektable 17 Prozent vom Umsatz bleiben als Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) hängen.

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