Wäre solch eine Rosskur am Anleihemarkt gut oder schlecht für Aktien?
Man konnte sehen: zu gleichen Zeit, als dieser Teil der Rentenmärkte gewackelt hat, bekam auch der Aktienmarkt seinen Schüttelfrost. Das ergibt ein konsistentes Bild. Wenn die Wachstumsgeschwindigkeit der Wirtschaft zu niedrig wird, fällt auch das Gewinnwachstum zu niedrig aus. Die Preissetzungsspielräume der Unternehmen werden kleiner und verstärken den Deflationstrend. Das alles bremst Investitionen und ist eigentlich nicht gut für Aktien.
Aktien gelten der niedrigen Volatilität zum trotz aber noch nicht als überbewertet und unter Renditeaspekten als alternativlos.
Gemessen am Niedrigzins könnten Aktien im Prinzip noch höher bewertet sein. Die Aktienmärkte wirken daher unentschlossen. Aber die Situation gleicht der eines langsam fliegenden Flugzeugs: Das Flugzeug bleibt gerade noch in der Luft, aber noch etwas langsamer, und es stürzt ab. So ähnlich geht es der Weltwirtschaft in Bezug auf die Wachstumsaussichten. Der Aktienmarkt befindet sich deshalb in einem Grenzbereich, und die Gefahr besteht, dass wir in den nächsten Monaten in ein Luftloch hineinstolpern. Dann kann es passieren, dass Aktien, die heute noch als moderat bewertet gelten, plötzlich viel zu teuer erscheinen und die Kurse abrupt einbrechen. Im Grunde lauert quer durch alle Anlageklassen, auch in den Sub-Indizes, zunehmend die Gefahr scharfer Verluste. Und läuft es auf einem Markt schlecht, gibt es unweigerlich Rückkopplungen auf andere Märkte.
Was glauben Sie, wie weit es bei Aktien schlimmstenfalls runter geht?
Bislang ist das nur ein Szenario, aber einen Teil der beschriebenen Abwärtsspirale könnten wir durchaus erleben. Dann kann es auch mal 30 Prozent in wenigen Wochen abwärtsgehen. Innerhalb von drei Monaten hatten wir jetzt bereits zwei kräftige Korrekturen, aber immer kehrten die Marktteilnehmer zu ihrem vorherigen Verhalten zurück und kauften nach Kursrückgängen erneut Aktien. Denkbar ist daher, dass bisherige Leitmärkte bei einem neuen Rückfall nicht nur zehn, sondern auch mehr als 20 Prozent in wenigen Wochen verlieren. Das muss aber kein Crash sein, sondern wäre letztlich nur die Rückkehr zu mehr Realität bei der Risikoeinschätzung. Außerdem kommen dann, wie vor zwei Wochen, wohl auch schnell wieder die Beruhigungspillen der Notenbanken. Insofern also auch wieder eine interessante Kaufgelegenheit – für erfahrene Anleger, die solche Marktentwicklungen einzuschätzen wissen.
Ist Bargeld jetzt Ihre favorisierte Portfolio-Position?
Wir haben schon im August und September damit begonnen, Liquidität aufzubauen. Außerdem haben wir uns von kritischen Anlagen im konjunktursensiblen Bereich getrennt und Anleihen aus der Euro-Peripherie abgebaut, um die Risiken zu begrenzen. Die Alternativ-Anlage heißt im Moment Cash in US-Dollar.
Was halten Sie von Börsenwetten auf eine steigende Volatilität?
Dass sich Wetten auf eine steigende Volatilität anbieten, war in den vergangenen acht Wochen offensichtlich. Die Volatilitäten waren so niedrig, dass sie irgendwann steigen mussten. Wer das umsetzen konnte, hat schon gut verdient. Dafür gibt es sogar spezialisierte Fondskonzepte. Als die Volatilität im Oktober von 15 auf mehr als 30 Prozent hochschoss, konnten diese Volatilitätsfonds deutlich zulegen. Risikofreudige Anleger – wohlgemerkt solche mit weit überdurchschnittlichen Investmentkenntnissen, die mit Optionsscheinen auf die Volatilität setzen, hatten noch deutlich größere Gewinnchancen. Professionelle Investoren können auch direkte Wetten auf Volatilitätsindizes wie den VDax, VStoxx oder den amerikanischen VIX kaufen. Derzeit liegt die Volatilität wieder im Bereich von 20 Prozent, quasi auf dem Weg zurück zu 15 Prozent. Das wäre dann der Moment, wieder auf einen Anstieg der Kursschwankungen zu setzen.