Abverkauf vor dem Wochenende Was der Einbruch der Bankaktien über die Marktlage verrät

Die Aktien der Deutschen Bank rutschen auf den niedrigsten Stand seit Oktober. Quelle: REUTERS

Die Angst um das Bankensystem ist nicht gebannt: Die Aktien von Deutscher Bank und Commerzbank verzeichnen am Freitag massive Kurseinbrüche – und ziehen den Dax runter. Was dahintersteckt.

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Die Sorgen um den Bankensektor in Zeiten unsicherer Geldpolitik sind am Freitag mit voller Wucht zurückgekehrt. Erneute Kurseinbrüche bei der Commerzbank und der Deutschen Bank lösten bei den Anlegern Alarm aus. Auch außerhalb Deutschlands ging es für die Bankenaktien bergab.

Der Kursverfall bei der Deutschen Bank fiel verglichen mit anderen Geldhäusern besonders stark aus. Teils lag das Papier am Freitagmittag um 14 Prozent im Minus. Die Aktien der italienischen Unicredit und der Schweizer UBS dagegen fielen bis zum Mittag um fünf und sieben Prozent. Der Grund für den heftigeren Absturz der Deutsche-Bank-Aktie: Das Frankfurter Institut gehört weiterhin zu den schwächeren Banken Europas, ihr Papier ist deshalb besonders anfällig für Kursstürze. Die Commerzbank lag zwischenzeitlich neun Prozent im Minus. Immerhin, bis zum Abend konnten beide Werte etwas Boden gutmachen. Die Deutsche Bank schloss den Handelstag mit gut acht Prozent Minus, die Commerzbank mit 5,5 Prozent.

Der Kursrutsch der Banken zog auch den deutschen Leitindex ins Minus. Unsere Grafik zeigt den Einbruch deutlich:

Mit den Gewinnmitnahmen rundet der Leitindex eine schwankungsreiche Woche ab: Zuerst war er mit 14.458 Punkten auf seinen tiefsten Stand seit der ersten Januar-Woche gefallen, bevor dann eine rasante Erholung bis an die 15.300 Punkte folgte. Am Freitag fiel er zwischenzeitlich auf gut 14.800 Punkte, kratzte dann zum Abend hin wieder knapp an den 15.000 Punkten, konnte sie aber nicht ganz erreichen (Schlusskurs 14.957,23 Punkte).

Der MDax mit den mittelgroßen Börsenwerten sackte am Freitag ebenfalls ab, um 2,86 Prozent auf 26.484,15 Zähler. Auch an den US-Börsen zeichnet sich am Freitag ein verlustbringender Handelsauftakt ab: Vorbörslich lagen alle großen Banken an der Wall Street im Minus: JP Morgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley und Wells Fargo fielen um je zwei Prozent, Citigroup fast drei Prozent, Bank of America verloren 2,5 Prozent. Die angeschlagene Regionalbank First Republic Bank rauschte weitere sechs Prozent nach unten, die Western Alliance und PacWest sackten um je vier Prozent ab.

Für Unruhe sorgte laut Händlern zum Wochenschluss vor allem der rapide Anstieg der CDS der Deutschen Bank, also des Kreditderivats, mit dem Ausfallrisiken gehandelt werden. Für die Absicherung eines zehn Millionen Euro schweren Pakets von Deutsche-Bank-Anleihen mussten dem Datenanbieter S&P Market Intelligence zufolge am Freitag über 200.000 Euro gezahlt werden. Am MIttwoch waren es noch 142.000 Euro.

Gut zu wissen:

Manche Finanzexperten halten die Deutsche Bank dennoch für widerstandsfähig: „Wir sind relativ entspannt angesichts des robusten Eigenkapitals und der Liquiditätspositionen der Bank“, schrieben Analysten von Autonomous Research in ihrer Analyse. „Um es klar zu sagen: Die Deutsche Bank ist nicht die nächste Credit Suisse.“ Seit der Not-Rettung der Schweizer Großbank Credit Suisse durch den Rivalen UBS am vergangenen Wochenende sorgen sich viele Investoren über eine Ausweitung der Vertrauenskrise auf andere Geldhäuser. Die CDS anderer großen Geldinstitute wie UBS, Societe Generale und Intesa Sanpaolo schossen am Freitag ebenfalls in die Höhe.

Auch die Kurse von eigenkapitalähnlichen Anleihen (AT1) der Deutschen Bank gaben nach Daten des Online-Brokers Tradeweb nach, was die Rendite auf 24 Prozent ansteigen ließ. Damit rentierten sie doppelt so hoch wie noch vor zwei Wochen. Eigenkapitalähnliche Anleihen von Banken sind unter Druck geraten, seit die Credit Suisse gezwungen war, AT1-Schulden im Wert von 16 Milliarden Schweizer Franken im Rahmen der Übernahme durch die UBS auf Null abzuschreiben.

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Die neuerlichen Kursstürze zeigen, wie nervös Anleger immer noch sind. Trotz großangelegter Rettungsaktionen, trotz Einlagengarantien, trotz Liquiditätsspritzen: Investoren schließen offenbar nicht aus, dass weitere Banken in Schieflage geraten und Probleme verursachen könnten. Klare fundamentale Gründe für den Absturz bei Bankaktien waren am Freitag nicht zu erkennen, keine neuen Hiobsbotschaften erschütterten die Märkte.

Das zeigt einmal mehr, dass die Bankenkrise in erster Linie eine Vertrauenskrise ist – und sich dieses Vertrauen nicht so leicht wiederherstellen lässt.

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Bankaktien sind aus einem weiteren Grund besonders anfällig für Kursstürze: Ihre Papiere sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen, weil Banken als Profiteure der steigenden Zinsen galten. Die Investoren übersahen dabei aber offenbar, dass die Zinswende auch neue Risiken birgt, die vor allem der Untergang der Silicon Valley Bank verdeutlicht hat. Insofern sehen Anleger nun womöglich auch die Chance, Gewinne einzustreichen, indem sie die Aktie verkaufen.

Eine Rolle gespielt haben dürfte die jüngste Zinsanhebung der US-Notenbank Federal Reserve. Am Mittwoch hob diese die Leitzinsen in den USA um weitere 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) an. Viele Investoren hatten im Vorfeld der Sitzung gehofft, dass die Bankenkrise die Fed von ihrem Kurs abbringen und der Zinswende ein vorläufiges Ende bescheren würde. Doch die Notenbanker zeigten sich hartleibig.

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Dadurch, dass die Fed die Zinsen nur leicht anhob und andeutete, dass ein Kurswechsel bevorstehen könnte, wollte sie offenbar einen Spagat zwischen Inflationsbekämpfung und Beruhigung der Investoren hinbekommen. Das hat nicht so geklappt wie erhofft. Europäische Banken haben zwar nicht unbedingt dieselben Probleme wie US-Institute. Sollten in den Vereinigten Staaten weitere Banken kippen, weil ihnen die Last steigender Zinsen zu schaffen macht, dürfte das dem Vertrauen in das Bankensystem, auch das europäische, aber nicht gerade zuträglich sein.

Hinzu kommt die Sorge, dass die Zinswende über eine Bankenkrise hinaus auch zu einer Wirtschaftskrise in den USA führen könnte, deren Folgen wiederum Europa beeinträchtigen dürften. Dann könnten nämlich auch bei den europäischen Banken wieder mehr Kredite ausfallen, was die Ergebnisse der Banken belasten würde. Die Furcht vor einem solchen Szenario dürfte vor allem bei der Commerzbank zu dem aktuellen Kursabsturz am Freitag beigetragen haben. Schließlich gilt der Konzern als wichtigster Finanzier des deutschen Mittelstandes, der unter einer Wirtschaftskrise stark leiden würde.

Die EU bemüht sich derweil um Schadensbegrenzung und Wiederherstellung von Zuversicht an den bebenden Märkten. So sagte etwa Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel: „Ich glaube, dass unsere Regulierungsbehörden, unsere Institutionen auf nationaler und europäischer Ebene eine sehr, sehr wichtige Rolle bei der Stärkung der Widerstandsfähigkeit unseres Bankensystems gespielt haben.“ Er sei daher zuversichtlich, „was die Liquidität und die Widerstandsfähigkeit angeht, die unser Bankensystem aufgebaut hat“.

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Auslöser der aktuellen Unruhen am Bankenmarkt war Anfang März die Abwicklung von Silvergate Capital. Dieser US-Finanzkonzern war auf die Kryptobranche ausgerichtet, in der es schon seit Monaten rumort. Nur wenige Tage später brach die Silicon Valley Bank zusammen. Das auf Start-up-Finanzierungen spezialisierte US-Geldhaus wurde Mitte März zunächst unter die Kontrolle der US-Behörden gestellt und geschlossen. Im Zuge dessen gerieten nach und nach weitere kleinere US-Regionalbanken ins Straucheln; in Europa rutschte dann die Schweizer Credit Suisse in die Krise.

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters

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