Die Deutschen gelten als Aktienmuffel, ein viel strapaziertes Klischee, an dem dennoch etwas dran ist. Ermutigend stimmt es daher, dass die deutschen Anleger aktiver werden. So ist der Anteil der privaten Haushalte am Aktienindex Dax um zwei Prozentpunkte auf 16,1 Prozent gestiegen. Das zeigt eine Studie des Informationsdienstleisters Ipreo und des Deutschen Investor Relations Verbands DIRK, dem Sprachrohr der Kapitalmarktprofis.
Der DIRK und Ipreo haben den Aktienindex mit den 30 wichtigsten und größten deutschen Börsenunternehmen durchleuchtet und die Entwicklung in 2016 mit dem Vorjahr verglichen. Die Studie wird anlässlich des diesjährigen DIRK-Kongresses in Frankfurt vorgestellt. Zu diesem Anlass verleiht der DIRK gemeinsam mit der WirtschaftsWoche und dem Kapitalmarktdienstleister WeConvene Extel auch einen Preis für die besten IR-Experten nicht nur aus den Unternehmen des Dax, sondern auch aus dessen Schwesterindizes MDax, TecDax und SDax.
Laut der ausgewerteten Daten ist am deutschen Kapitalmarkt einiges in Bewegung geraten. Die Gründe dieser Dynamik liegen in den durch die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank aufgeheizten Börsenkursen aber auch in Schocks wie dem geplanten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, den Sorgen über die Konjunktur Chinas oder der Wahl des Populisten Donald Trump zum US-Präsidenten.
In Zeiten mit so vielen unerwarteten und einschneidenden Ereignissen wird mehr und öfter gehandelt als sonst. Das Handelsvolumen im Dax legte im Tagesdurchschnitt auf 96,3 Millionen Aktien zu – ein Anstieg um zwei Millionen Stück oder zwei Prozent.
Treue Kleinaktionäre
Der steigende Anteil privater Haushalte ist als positives Signal für die nach wie vor entwicklungsbedürftige deutsche Aktienkultur zu sehen. Vielleicht wirkt sich das auch auf die Kommunikationsstrategie der Investor-Relations-Abteilungen in den Konzernen aus. „Privataktionäre handeln häufig langfristig und sind als treue Aktionäre bei den Unternehmen beliebt und wichtig“, sagt DIRK-Geschäftsführer Kay Bommer. Privatanleger müssen jedoch anders angesprochen werden als die Kapitalmarktprofis und institutionellen Investoren, die bei den meisten Großunternehmen immer noch Hauptzielgruppe der Kapitalmarktkommunikation sind. „Moderne Privataktionäre wollen mehr als heiße Würstchen auf der Hauptversammlung, sondern fordern zu Recht für sie verständliche Informationen über das Unternehmen“, sagt Bommer.
Platzhirsch BlackRock, Außenseiter China
Die Eigentümerschaft des Dax ist vorwiegend international geprägt. Der Anteil heimischer Investoren wuchs zwar auf 17,1 Prozent, blieb aber hinter Investoren aus Nordamerika und dem Rest Europas an dritter Stelle. Allein ein knappes Drittel am Dax gehört Nordamerika, also vorwiegend den USA. Die Dominanz amerikanischen Kapitals ist keine Besonderheit des deutschen Kapitalmarkts. Sie ist auch in anderen europäischen Märkten zu beobachten, etwa in Österreich.
Platzhirsch unter den Dax-Investoren ist der Vermögensverwalter BlackRock aus den USA mit einem Anteil von 10,2 Prozent am institutionellen Streubesitz zum Jahresende 2016. Mit vier Prozent deutlich dahinter folgen die Fondsgesellschaft Vanguard Group und der norwegische Staatsfonds Norges Bank.
Die Bedeutung von Staatsfonds als Dax-Investoren wächst. Das ist auf steigende Aktivitäten aus dem Mittleren Osten zurückzuführen. So hat das Königreich Abu Dhabi seinen Dax-Anteil auf 1,9 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.
Briten auf dem Rückzug
In letzter Zeit wurde teils hitzig diskutiert über die Chinesen als vermeintliche Eroberer der deutschen Wirtschaft. Obwohl Investoren aus dem Reich der Mitte ohne Zweifel mit spektakulären Transaktionen hierzulande von sich reden machen, ist ihr Engagement im Dax allenfalls homöopathisch. So hat sich die chinesische Touristik- und Logistikgruppe HNA zwar zum größten Einzelaktionär der Deutschen Bank aufgeschwungen. Der Spartenkonzern mit Wurzeln auf der südchinesischen Tropeninsel Hainan bleibt jedoch ein krasser Außenseiter im Dax. Auf der Liste der größten Investorengruppen taucht der erste chinesische Spieler erst auf dem 13. Platz auf. Es handelt sich um den Staatsfonds China SAFE.
Bemerkenswert ist auch der Rückzug britischer Investoren aus dem Dax nach dem Volksentscheid zum Ausstieg aus der Europäischen Union. „Die Brexit-Entscheidung Ende Juni 2016 hat global zu deutlichen Mittelabflüssen britischer Investoren geführt, was auch im Dax tiefe Spuren hinterlässt“, sagt Ipreo-Experte Frederik Frank.
Wegen der wachsenden politischen Unsicherheit angesichts des Brexit haben institutionelle Investoren aus dem Vereinigten Königreich und Irland ihre Dax-Investments um 7,4 Prozent stark reduziert. Das von den Briten investierte Kapital sank von umgerechnet 126,7 auf 117,4 Milliarden Dollar.