Für die meisten Anleger verlief die erste Begegnung mit der Börse erfolgreich. Die T-Aktie, sie stieg und stieg. Das weckte bei vielen Börsenunerfahrenen die von Profis wie dem Börsenaltmeister André Kostolany geweckte Hoffnung auf Vermögenszuwachs im Schlaf. Eine Hoffnung, die zunächst auch nicht enttäuscht wurde, allerdings kein Fundament hatte. War doch beispielsweise der Gewinn der Telekom ausgerechnet 1996 um zwei Drittel gegenüber dem Vorjahr eingebrochen.
Zweieinhalb Jahre sind vergangen seit jenem trüben Novembertag, als die Telekom im Frühsommer 1999 erneut auf Börsentour geht. Beim zweiten Börsengang sammeln die Bonner 10,6 Milliarden Euro ein; 1,7 Millionen Privatanleger ziehen bei der Kapitalerhöhung mit. 39,50 Euro zahlen sie, gut 170 Prozent mehr als beim ersten Börsengang.
Das Börsenfieber sprang zu diesem Zeitpunkt auf die echte Wirtschaft über. Befeuert von steigenden Kursen an den Börsen und dem plötzlichen Zugang auch für junge und recht kleine Unternehmen über das 1997 neu eingeführte Börsensegment Neuer Markt gründeten die Deutschen plötzlich wie verrückt Start-ups, Anleger stellten jetzt bereitwillig an den Märkten entsprechend zugängliches Geld bereit. Im Jahr 2000 zählten die Statistiker knapp 1,3 Millionen Neugründungen (2015: 763.000).
Allein in den Jahren 1998 bis 2000 gingen mehr als 200 junge Firmen an den Neuen Markt. Was wiederum den Markt für Risikokapital, die bevorzugte Finanzquelle für Start-ups, befeuerte.
So entstand zumindest für kurze Zeit in Deutschland, worum es die USA immer beneidete: ein ständiger Erneuerungskreislauf des Unternehmertums, gespeist aus Börsenkapital, guten (und schlechten) Ideen, die an der Börse im Wert stiegen, so Investoren neues Geld bescherten, was diese wiederum für Investments in neue Ideen nutzten. Zehn Milliarden Euro an Risikokapital flossen 1999 und 2000 in junge Unternehmen. Und wer über Risikokapital vorfinanziert ist, dem gelingt nicht nur die Ausweitung des Geschäftsvolumens besser, sondern für den wächst auch das Potenzial, die Börsenhürde zu überspringen.
2014 gingen in den USA 120 mit Venture Capital finanzierte Firmen an die Börse, in Deutschland deren fünf, nachdem der Markt für Risikokapital um vier Fünftel eingebrochen war. Seit 2008 wagten sich insgesamt nur 58 Unternehmen aufs deutsche Parkett. 1999 allein gab es mit 175 Initial Public Offerings (IPO) dreimal so viel Börsenneulinge wie in den Jahren 2008 bis 2015 insgesamt. Und wenn schon mal zarte Börsenpläne gehegt werden, dann oft von Firmen mit an US-Unternehmen angelehnten Geschäftsmodellen, sogenannten Klons.
Deutsche Ebays und Googles gab es auch; sie wurden geschluckt oder gingen pleite. Und heute winkt am Horizont als Börsenneuling bestenfalls mal ein Pizza-Lieferdienst.
Trotz einiger Börsengänge gibt es kein wachsendes Angebot für Anleger, weil sich Jahr für Jahr Unternehmen auch wieder zurückziehen, häufig mehr, als es Börsenneulinge gibt.
Kapital zapft auch die Deutsche Telekom noch einmal ab. Im Juni 2000 wirbt der Bund mit dem dritten Börsengang der T-Aktie Milliarden ein. Obwohl der Kurs von seinem Hoch bei 103,50 Euro schon massiv abgerutscht ist, geht die Emission zu einem Preis von 66,50 Euro je Aktie noch einmal locker durch. Ein Kurs, den die T-Aktie nie wieder erreichen sollte.