Aktionäre Die heimliche Macht der Fonds

Fehlinvestitionen, abrupte Strategiewechsel und brisante Personalien: Die Hauptversammlungssaison wird spannend wie nie. Heimliche Macht auf den Aktionärstreffen sind die Vertreter milliardenschwerer Fonds. Wie Großanleger Druck machen, bei welchen Dax-Unternehmen es Krach geben wird.

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Die mit Aktionären gefüllte Olympiahalle bei der Hauptversammlung der Siemens AG in München Quelle: dpa

Viele Freunde hat Thomas von Oehsen nicht in den Top-Etagen der deutschen Wirtschaft. Wo der Deutschland-Chef des US-Aktionärsberaters Institutional Shareholder Services (ISS) auftaucht, gerät das Gebälk der Deutschland AG ins Wanken – denn der unauffällige, 39-jährige Jurist kann Vorstandskarrieren bremsen, Aufsichtsräte aus dem Amt kegeln und Kapitalerhöhungen blockieren.

Möglich machen dies die Milliarden, die Anleger in Fonds und Pensionskassen eingezahlt und an Lebensversicherer überwiesen haben. Weil die großen Kapitalsammler nicht die Zeit haben, selbst auf die Hauptversammlungen aller Unternehmen zu gehen, in die sie investiert haben, beauftragen sie Aktionärsberater, im Fachjargon „Proxy Advisors“ (Stellvertreter-Berater) wie ISS.

Wie viel Dividende Dax-Unternehmen pro Jahr an Aleger zahlen (in Milliarden Euro)¹ Quelle: DAI, Commerzbank, DSW, Die Aktiengesellschaft

600 Spezialisten des US-Dienstleisters beobachten Unternehmen und sagen Großinvestoren, wie diese bei brisanten Tagesordnungspunkten abstimmen sollen, und vertreten diese auch auf Hauptversammlungen (HV). Von Oehsen und seine Analysten werden in der anlaufenden Saison mehrere Hundert Abstimmungsempfehlungen abgeben – von Allianz bis Siemens, von BASF bis Volkswagen.

Mächtige Aktionärsflüsterer

Häufig, das ist im Preis mit drin, warten die Aktionärsflüsterer nicht bis zur HV, sondern schaffen vorher klare Verhältnisse. Wie mächtig sie sind, bekam zuletzt Josef Ackermann zu spüren. Der Chef der Deutschen Bank wollte sich auf der HV im Mai zum neuen Aufsichtsratschef küren lassen. Damit jedoch stieß Ackermann bei vielen Anteilseignern auf heftigen Widerspruch, die einen klaren Verstoß gegen gute Unternehmensführung (Corporate Governance) sahen. Kleinlaut gab er schließlich bekannt, dass er auf seine umstrittene Kandidatur verzichten werde.

Nähere Infos zu Aktionärsberatern

ISS hatte bereits vor drei Jahren den direkten Wechsel eines Vorstandschefs an die Spitze des Aufsichtsrats als unerwünscht deklariert. Zu groß sei die Gefahr, dass der Vorgänger den Nachfolger zu lasch kontrolliere. „Unsere Bedenken haben wir der Deutschen Bank frühzeitig mitgeteilt“, sagt von Oehsen. Nach Diskussionen mit Aufsichtsräten sagte er öffentlich, eine Kandidatur des Vorstandsvorsitzenden überschreite definitiv eine rote Linie. Jetzt war allen klar, dass ISS gegen Ackermanns Wahl stimmen würde.

Die Deutsche Bank kennt den Einfluss der Aktionärsberater: Auf der vorletzten HV lehnten 42 Prozent der anwesenden Stimmen eine Vorstandsvorlage zu neuen Bonusregeln ab – eine peinliche Schlappe für das Geldhaus. Kein Vorstand kann es sich erlauben, seine Interessen gegen so viele Aktionäre durchzusetzen. Die Zustimmung verweigerten vor allem US-Investoren, die den Empfehlungen von ISS folgen.

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