WirtschaftsWoche: Herr Bauer, um die Insolvenz der Schweizer Bank Credit Suisse zu verhindern, wurde am Wochenende die Fusion mit der UBS durchgepeitscht. War das der richtige Schritt?
Daniel Bauer: Nein. Mit der Fusion der beiden Schweizer Großbanken entsteht jetzt noch ein größerer Brocken. Was ist denn, wenn der in vier, fünf Jahren auch mal Probleme kriegt? Das grundsätzliche Problem löst man durch die Fusion also nicht, deswegen bin ich kein Fan davon. Die ganze Genese wirft zudem die Frage nach der Aufsicht auf: Die Probleme der Credit Suisse waren seit Jahren unübersehbar. Trotzdem ist sie nun so unkontrolliert gecrasht. Das ist auch ein Aufsichtsversagen.
Was wäre denn die bessere Alternative zu einer Fusion gewesen?
Das Grundproblem muss man von der Regulierungsseite regeln: Viele Banken sind zu groß, als dass man sie pleite gehen lassen kann. Dann haftet im Zweifel der Steuerzahler. Das lässt sich nur beheben, wenn man etwa Obergrenzen für die Bilanzsumme oder ähnliches einführt.
Im Fall der Credit Suisse war es für so eine grundlegende Reform zu spät. Wäre ein direkter Staatseinstieg als akute Rettungsmaßnahme besser gewesen?
Ja. Dann hätte man die nicht überlebensfähigen Teile der Bank kontrolliert abwickeln und den Rest gesunden lassen können. Das Grundproblem der Credit Suisse war auch eher fehlendes Vertrauen. Das hätte sich mit einem staatlichen Einstieg mit der Zeit auch wieder herstellen lassen, und womöglich wären dann große Teile der Bank erhalten geblieben.
Zur Person
Daniel Bauer ist seit 2016 Vorstandsvorsitzender der Münchner Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Der Volkswirt war früher unter anderem für die australische Macquarie Bank tätig.
Stattdessen wurde in Windeseile ein Rettungspaket geschnürt, das vorsieht, dass die Anleihegläubiger nachrangiger Bonds, sogenannter Tier-1-Anleihen, alles verlieren, Aktionäre aber immerhin noch 76 Rappen je Aktie erhalten.
Das ist ordnungspolitisch ganz falsch und kann einfach nicht sein. Zuerst müssen die Verantwortlichen für die Misere haften, dann die Aktionäre. Und dann erst Anleihegläubiger. Dieses Prinzip hat man bei der Fusion auf den Kopf gestellt. Der Staat wollte vermutlich seinen eigenen Einsatz klein halten. Deswegen wurden die Tier-1-Anleihen wahrscheinlich gestrichen. Die Investoren der nachrangigen Bonds schauen deshalb in die Röhre. Das wird dazu führen, dass sie weniger bereit sind, in diese Anlagen zu investieren, und die Risikoaufschläge deutlich steigen. Das verteuert die Refinanzierung für alle Banken.
UBS – das ist der neue Bankenriese aus der Schweiz
Die UBS ist selbst ein Fusionsprodukt. 1998 schlossen sich der Schweizerische Bankverein (SBV) und die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) zur UBS zusammen. Die Wurzeln des Instituts reichen bis in das Jahr 1862 zurück. Seit damals wurden mehr als 370 Privatbanken, Sparkassen, Vermögensverwalter, Broker und Geschäftsbanken integriert.
In der Finanzkrise 2008 musste das Institut von der Schweizerischen Nationalbank und der Regierung des Landes gerettet werden. Danach dampfte sie das riskante Investmentbanking ein und richtete sich vor allem auf das Geschäft mit Millionären und Milliardären aus. 2021 verlor die Bank im Zuge des Archegos-Zusammenbruchs aber nochmals hunderte Millionen Dollar. Negativ-Schlagzeilen machte die Bank auch mit Rechtsfällen wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung wie etwa in Frankreich und den USA.
Die UBS gehört zu den weltweit größten Vermögensverwaltern für reiche Privatpersonen. Zusammen mit Credit Suisse wird sie mit Anlagevermögen von 3,4 Billionen Dollar hinter der amerikanischen Morgan Stanley zur globalen Nummer zwei in dem Geschäft. Daneben betreibt sie wie die Credit Suisse im Heimmarkt ein großes Privat- und Firmenkundengeschäft. Zusammen werden sie vor Raiffeisen die klare Nummer eins mit Kundeneinlagen von 333 Milliarden Franken und einem Kreditvolumen von 307 Milliarden Franken. Im Asset Management für Profikunden wie Pensionskassen steigt die fusionierte Bank mit Anlagevermögen von 1,5 Billionen Dollar zu den führenden Häusern Europas auf. Das vierte Geschäftsfeld ist das Investmentbanking mit Handel und der Beratung von Firmen etwa bei Unternehmenszusammenschlüssen. Das Handelsgeschäft der Credit Suisse, das dem Institut Milliardenverluste einbrockte, wird abgewickelt.
Dank der Größenvorteile dürfte die UBS die Kosten senken und das Angebot ausbauen können. Im Wachstumsmarkt Asien schließen sich die Nummer eins UBS und die Nummer zwei im Geschäft mit Reichen und Superreichen zusammen. Vor allem in Südostasien verstärkt sich die UBS dank des Zukaufs. Im zweiten Wachstumsmarkt USA nimmt die Schlagkraft der UBS im Geschäft mit Ultrareichen zu.
Ab 2027 dürfte sich der Deal positiv auf den Gewinn je Aktie auswirken. 2022 fuhr die UBS einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar ein und schaffte damit das beste Ergebnis seit 16 Jahren. Credit Suisse erlitt dagegen einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken.
Zusammen kommen UBS und Credit Suisse gegenwärtig auf rund 120.000 Mitarbeiter. Einem Insider zufolge dürften aber mindestens 10.000 Jobs abgebaut werden, vor allem bei der Credit Suisse.
Die kombinierte Bilanzsumme von 1,7 Billionen Dollar ist laut Analysten von Citi mehr als das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts der Schweiz. Dies läuft den Interessen der Schweiz eigentlich zuwider, denn eine Rettung dieses Giganten könnte die Kräfte des Landes übersteigen. Bereits heute gelten Credit Suisse und UBS als zwei der weltweit 30 Banken, deren Ausfall das ganze Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen könnten.
„Aus der Komplexität der Transaktion ergeben sich diverse Unwägbarkeiten“, erklärte ZKB-Analyst Michael Klien. Dazu gehörten Umsetzungsrisiken und Kulturkonflikte. Kunden, die Konten bei beiden Banken haben und ihre Risiken streuen wollten, könnten zudem einen Teil ihres Geldes abziehen.
Dazu könnten Rechtsstreitigkeiten kommen. „Dieser Deal wird zwangsläufig juristischen und politischen Widerstand hervorrufen“, erklärte Octavio Marenzi, Chef der Finanzberatung Opimas. Die Schweizer Regierung habe von Notstandsbefugnissen Gebrauch gemacht, um diese Fusion durchzusetzen. „Eine rechtliche Anfechtung durch die Aktionäre der Credit Suisse, die ihr Eigentum als widerrechtlich beschlagnahmt sehen, ist garantiert.“
Am Ruder bleiben die bisherigen UBS-Steuermänner, Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher und CEO Ralph Hamers. Kelleher dementierte in der Vergangenheit Spekulationen, dass die beiden Konflikte haben. Zudem warfen Medien zuletzt die Frage auf, ob nicht der krisengestählte frühere Morgan-Stanley-Finanzchef Kelleher besser für den CEO-Posten geeignet sein könnte als der Retailbanker und Digitalisierungsexperte Hamers.
(Stand: 20. März 2023)
Auch Investments in Bankaktien sind unattraktiver geworden: UBS- und Credit-Suisse-Aktionäre hatten schließlich keine Möglichkeit, über die Fusion mitzuentscheiden. Wäre so ein Verlust von Aktionärsrechten in Deutschland auch denkbar?
Denkbar ist alles. In der Schweiz ist die Politik schwer in Bedrängnis geraten, auch, weil bei der international ausgerichteten Credit Suisse viele ausländische Kunden und Investoren involviert sind und das Ausland schnelle Lösungen verlangt hat. Am Ende haben Politiker ohne Legitimation über Nacht über das Schicksal der Bank entschieden – an etablierten Prozessen vorbei. Deswegen glaube ich, dass es viele Klagen geben wird, die auch gute Aussichten auf Erfolg haben. In Deutschland ist so etwas in der Vergangenheit, etwa bei der Rettung der Hypo Real Estate, anders gelöst worden. Und das ist auch gut so.
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