Der Marktführer ISS arbeitet für 1.700 Anleger weltweit und analysiert 39.000 Unternehmen. Hierzulande bekam etwa die Lufthansa die Macht der Berater zu spüren, als ISS empfahl, Ex-Chef Wolfgang Mayrhuber nicht in den Aufsichtsrat der Lufthansa zu wählen. Der hätte um ein Haar nicht mehr kandidiert und bekam dann letztlich nur gut 63 Prozent der Stimmen.
Da die Abstimmungsbeauftragten der AGI den Vorschlägen von ISS fast immer folgen, stellt sich die Frage, ob die AGI die Stimmrechte selbst noch aktiv wahrnimmt – oder ob nicht vielmehr ISS Herr über die Stimmen geworden ist.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
In den wenigen Fällen, in denen die AGI-Manager gegen ISS und ihr eigenes weltweites Regelwerk handelten, dürfte das Motiv kaum immer das Wohl der Anleger gewesen sein: So wählten die AGI-Fonds Allianz-Chef Michael Diekmann in den Aufsichtsrat von Linde, obwohl Diekmann damit auf sieben Mandate kommt. Vier davon sind allerdings Posten innerhalb des Allianz-Konzerns. Die aktuellen AGI-Standards gestehen Vorstandschefs nur drei Sitze zu – die Herren hätten sonst zu wenig Zeit, sich zu kümmern. Deshalb hatte auch ISS der AGI empfohlen, Diekmann nicht zu wählen. Union Investment etwa hatte wegen zu vieler Mandate gegen Diekmann gestimmt. Die AGI nennt Zweifel am Abstimmungsverhalten bei Linde „unbegründet und völlig haltlos“.
Nachgebessert
Die AGI ist gerade dabei, ihre Struktur umzubauen. Vormals selbstständige europäische Gesellschaften wie die in Frankreich wurden in den vergangenen Wochen mit der AGI Europe GmbH, zu der auch die Frankfurter AGI-Einheit gehört, verschmolzen. An den Verschmelzungstagen gab die AGI dann Stimmrechtsmeldungen für Hugo Boss und Infineon ab. Den Europäern ist gemeinsames Abstimmen jetzt also erlaubt.
In den USA und Asien hat die AGI aber immer noch Töchter, die sich an den globalen Abstimmungsregeln ausrichten, sich die aber nicht vorschreiben lassen und nicht gemeinsam abstimmen dürfen. Eigentlich.