Alternative Indikatoren Was Börsenprognosen mit Baukränen, Chinafotos oder Bewegungsdaten taugen

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Skyscraper-Index, Baltic Dry, Wetterindizes

Auf ähnlicher Basis wie Deloitte seinen Baukran-Index entwickelte Andrew Lawrence 1999 als Immobilienanalyst bei der Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein den Skyscraper-Index (Grafik unten). Die These: Visionäre Wolkenkratzerprojekte kündigen Wirtschaftskrisen an, denn kurz bevor eine Hausse endet, gehen Investoren die größten Risiken ein.

Tatsächlich kam keine der großen Krisen des 20. Jahrhunderts ohne neuen Rekord-Wolkenkratzer daher. So kündigten in New York der Bau des Chrysler Building und des Empire State Building die Depression von 1930 an, die Petronas Towers in Kuala Lumpur 1997 die Asienkrise, das Taipei 101 in Taiwan das Platzen der Dotcom-Blase und zuletzt 2008 das Burj Khalifa in Dubai die Finanzkrise. Immobiliengigantomanie ist Symptom einer zu laschen Geldpolitik. Niedrige Zinsen und steigende Preise führen zu überschwänglichem Optimismus.

In der saudischen Stadt Dschidda begann 2013 der Bau des Jeddah Tower, der 2020 mit mehr als einem Kilometer das höchste Gebäude der Welt sein soll. Daran gemessen dürfte die nächste Krise nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Gestützt wird dieser alarmierende Ausblick auch vom Misery-Index. Nicht die Daten selbst sind alternativ, sondern deren Kombination. So addiert der Misery-Index die Inflationsrate und die Arbeitslosenrate der USA zu einem Kontraindikator. Die Idee dahinter ist, dass immer dann ein Börsencrash droht, wenn die US-Wirtschaft auf ihrem Zenit ist. Ende 2016 erreichte der Misery-Index seinen tiefsten Wert seit gut 60 Jahren. Traut man ihm, müsste nach den aktuellen Höchstständen an den US-Börsen bald ein starker Einbruch folgen. Ähnlich tiefe Niveaus erreichte der Misery-Index vor dem Beginn der Finanzkrise 2007 und dem Platzen der Dotcom-Blase 2000.

Dass ein alternatives Barometer jahrzehntelang funktioniert, ist keine Garantie für die Zukunft. So wird beispielsweise der Baltic Dry Index, der die Frachtraten für den Schiffstransport von Rohstoffen abbildet, darunter Eisenerz, Kohle und Getreide, durchaus kritisch gesehen. Die Logik hinter dem Baltic Dry: Verlangen die Reeder mehr für Transporte, wird der Welthandel wachsen und die Konjunktur anziehen. Sinken die Raten, ist ein Abschwung wahrscheinlich.

Da 90 Prozent des Welthandels über Schiffe abgewickelt werden, gilt der Baltic Dry Index als zuverlässiger Frühindikator. Zwischen 2012 und 2014 verlor der Index jedoch den Link zur Konjunktur. Auf den Weltmeeren gab es ein deutliches Überangebot an Frachtraum. Entsprechend niedrig waren die Frachtraten. 2012 lag der Baltic Dry Index daneben, als er im Januar um 60 Prozent einbrach. Eigentlich hätte eine globale Wirtschaftskrise folgen müssen. Tatsächlich wuchs die Weltwirtschaft 2012 und 2013 um jeweils 3,4 Prozent. Der Baltic Dry wurde daher als „Schrott-Index“ verspottet. Seit Mitte 2015 läuft er wieder im gleichen Takt wie der Index MSCI World, der die Aktienmärkte der wichtigsten Industrienationen abbildet (siehe Grafik). Die Überkapazitäten bei Frachtschiffen bauen sich anscheinend langsam ab.

China Satellite Manufacturing Grafik

Wetter beeinflusst Preise und Kurse: Zu viel oder zu wenig Regen bedeutet miese Ernten und höhere Preise für Lebensmittel. Kalte Winter lassen die Energiepreise steigen und drosseln die Baukonjunktur. Zuletzt bewegten Hurrikane die Öl- und Benzinpreise, aus Angst um die Raffinerien in Texas.

Wettertrends lassen somit Prognosen für die Rohstoff- und Finanzmärkte zu. Der britische Hedgefondsmanager Peter Brewer etwa nutzt das für seinen Cumulus Fund. Der Informatiker und Experte für Wetterrisiken fährt nach eigenen Angaben mit Wetten auf Energiepreise Jahresrenditen von bis zu 100 Prozent ein. Für Börsenprofis sind zwei Wetterindizes interessant: Der Oceanic Nino Index (ONI) und der North Atlantic Oscilation Index (NAO), beide von der US-Wetterbehörde berechnet.

Der ONI misst, wie wahrscheinlich es ist, dass die Klimaphänomene El Niño und La Niña auftreten. Beide lösen Wetterextreme aus, die massive Schäden anrichten können. Für Dezember sehen die Klimaforscher den ONI bei minus 1,3 Punkten, das deutet auf starke Regenfälle in Asien und einen kalten Winter in den USA hin. Sollte La Niña eintreten, könnten in den USA die Energiepreise, die Inflation und auch die Zinsen steigen. Das wären schlechte Vorzeichen für den US-Aktienmarkt. Schützen können sich Anleger mit Indexzertifikaten auf Öl oder Erdgas, wie sie die britische ETF Securities oder die Deutsche Bank anbieten.

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