Analyse der Facebook-Aktie Zuckerbergs teurer Frustkauf

An der Börse kann Mark Zuckerberg mit der Übernahme von WhatsApp nicht beeindrucken, die Kurse fallen. Hat Facebook sich übernommen?

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Das Facebook-Logo vor einer Anzeigetafel mit einem Aktienkurs Quelle: dpa

 

Dass Mark Zuckerberg bei seinen jungen Kollegen Evan Spiegel und Bobby Murphy 2012 abgeblitzt ist, scheint noch an ihm zu nagen. Facebook soll damals drei Milliarden US-Dollar für den Nachrichtendienst Snapchat geboten haben. Spiegel und Murphy lehnten ab.

Jetzt übernimmt Facebook eben den nächstmöglichen Kandidaten, auch wenn das umso teurer ist: 16 Milliarden US-Dollar kostet Facebook die Übernahme von WhatsApp.

Allein vier Milliarden Dollar legt Facebook bar auf den Tisch, für etwa 12 Milliarden kommen Aktienanteile an Facebook hinzu. Komplettiert wird der Deal durch drei Milliarden Dollar in Aktienoptionen für Mitarbeiter. Macht insgesamt 19 Milliarden – und ist damit die größte Übernahme in der IT-Branche seit über zehn Jahren.

von Matthias Hohensee, Jana Reiblein

Und die ist für Facebook unheimlich teuer. Nach Bloomberg-Daten bewertet Facebook den Konkurrenten WhatsApp mit dem 19-fachen des für 2017 geschätzten Umsatzes. Solche Preise würden üblicherweise nur für Pharmafirmen bezahlt, die etwa teure Krebsmedikamente entwickeln. Grundlage für diese Bewertung wären eine Milliarde zahlende WhatsApp-Nutzer in 2017. Aktuell nutzen etwa 450 Millionen Menschen weltweit die App, nach Angaben von Facebook sollen täglich über eine Million hinzukommen.

Zwar sitzt Facebook nach Angaben der neuesten Quartalszahlen auf frei verfügbaren Mitteln von etwa 3,3 Milliarden US-Dollar und Wertpapieren im Wert von acht Milliarden, kann die vier Milliarden für Whatsapp also quasi aus der Portokasse zahlen. Durch die Ausgabe der Facebook-Anteile dürfte die Übernahme den Konzern dennoch teuer zu stehen kommen. Kein Wunder, musste sich Facebook, so rumort es im Silicon Valley, gegen andere Interessenten wie Google beim Kauf durchsetzen.

So umgarnt WhatsApp sein mochte: Die Aktie reagierte in den USA erst einmal negativ auf die Übernahme, der Kurs fiel nach Börsenschluss von 68 Dollar auf 64 Dollar. Auch in Deutschland liegt der Kurs bereits über zwei Prozent im Minus zum Vortagesschluss von 50 Euro. Analysten schienen wenig beeindruckt von der Übernahme, einige passten ihre Preisziele nur marginal nach oben an. Der durchschnittliche Zielkurs für die nächsten zwölf Monate liegt bei 70,56 Dollar.

Nutzerzuwachs bei WhatsApp Quelle: Facebook

Denn Facebook signalisiert mit dieser Übernahme: Wir sind am Limit. Das eigene Nutzerwachstum hat sich verlangsamt, insbesondere jugendliche Nutzer zeigen sich gelangweilt vom einstigen Nummer-Eins-Netzwerk. Mit mehr als 1,2 Milliarden Nutzern weltweit dürfte es für Facebook immer schwieriger werden, neue Nutzer hinzuzugewinnen. Also kaufte man sich jetzt neue ein: für rund 42 US-Dollar pro WhatsApp-Nutzer.

Zwar hat Facebook bei seinen Zukäufen bisher ein glückliches Händchen bewiesen. Instagram beispielsweise kaufte Zuckerberg 2012 für 700 Millionen und wurde ein Erfolg. Mit WhatsApp versucht Facebook jetzt den Konkurrenten Twitter und Snapchat zu enteilen.

Denn von allen sozialen Netzwerken hatte WhatsApp bisher das stärkste Wachstum in seinen Anfangsjahren (siehe Grafik).

Erste Nutzer verabschieden sich von WhatsApp

Der Dienst hat die SMS so gut wie abgelöst und ist vor allem in Europa sehr beliebt. Neben Texten lassen sich Fotos, Videos und Sprachnachrichten in sekundenschnelle verschicken. Für die Nutzer ist die App ein Jahr lang kostenlos und auch danach mit 99 Cent-Jahresgebühr sehr günstig. Da alle Kontakte aus dem eigenen Telefonbuch automatisch in WhatsApp hinzugefügt werden, ist es ein unheimlich bequemes Netzwerk. Wird aber von Datenschützern gleichzeitig kritisiert, sie halten WhatsApp für eine der sammelwütigsten Apps was Nutzerdaten angeht.

Und das könnte zum Problem für Facebook werden. Erste WhatsApp-Nutzer wechseln bereits zum Dienst Threema. Dort können sie verschlüsselt kommunizieren und sich vermeintlich gar vor Abhörvorgängen der NSA schützen. Nach der Übernahme posteten Nutzer bereits auf Facebook, dass sie nun nicht mehr bei WhatsApp zu finden seien, sondern ausschließlich bei Threema.

Trotz dieser, vermeintlich sehr geringen, Nutzermigration, dürfte die Facebook-Aktie aber langfristig von der Übernahme profitieren. Mit Whatsapp werden sie zunächst ein Gigant auf dem mobilen Markt. Nach der Veröffentlichung ihrer letzten Quartalszahlen für 2013 war klar, Facebook macht 53 Prozent seines Umsatzes mittlerweile über mobile Geräte wie Smartphones, vor allem durch Werbung. Auch Twitter hat seine Strategie mittlerweile fast vollständig auf Nutzern an Smartphones ausgerichtet.

WhatsApp als mobiler Dienst passt also zu dieser Strategie. Allerdings sollen Nutzer weiterhin Nachrichten werbefrei verschicken können. Das ist nicht nur persönliches Anliegen von Firmenchef Jan Koum, auch Mark Zuckerberg bestätigte, dass der Dienst unabhängig betrieben werde – ohne Werbung.

Heißt: WhatsApp bringt aktuell einen maximal möglichen Umsatz von etwa 450 Millionen US-Dollar, wenn alle die Jahresgebühr zahlen. Für Facebook ein verschwindend geringer Anteil am eigenen Jahresumsatz von 7,8 Milliarden US-Dollar 2013. Zuckerberg kündigte schon an, man müsse deshalb drüber nachdenken, wie WhatsApp weiteren Umsatz generieren können.

Und dennoch, trotz vielleicht überzogener Bewertung bei der Übernahme: Am Ende könnte sich die Übernahme lohnen und auch die Aktie etwas treiben. Denn Mark Zuckerberg sorgte dafür, dass mit der Übernahme auch WhatsApp-Chef Jan Koum zu ihm auf die Führungsebene rückt. Koum soll einen Platz im Facebook Verwaltungsrat bekommen. Und er könnte die mobile Strategie maßgeblich vorantreiben.

Denn Zuckerberg und Koum sollen sich vor der Übernahme in sehr ausführlichen Gesprächen über die Zukunft mobiler Dienste ausgetauscht haben. Koum hat mit WhatsApp bereits bewiesen, dass er den richtigen Riecher für diesen Markt hat. Vielleicht ist der Kaufpreis auch eine Gebühr für die Expertise von Jan Koum, von der sich Zuckerberg weiteres Wachstum seiner eigenen Firma erhofft.

Noch müssen die US-amerikanischen Behörden die Übernahme durchwinken. Und selbst wenn der Deal nicht zustande kommen sollte, zahlt Facebook etwa zwei Milliarden Dollar an WhatsApp. Eine außergewöhnlich hohe Ausfallsumme. Experten sehen aber kaum Probleme für den Deal. Auf dem sehr dynamischen Markt seien Marktanteile nur schwer auszumachen und langfristig zu halten.

Als erste profitieren vom Deal werden dann nicht die Facebook-Aktionäre, sondern die Geldgeber von WhatsApp. Sequioa Capital ist die einzige Venture Capital-Firma hinter dem Start-up, zahlte 2011 rund acht Millionen Dollar für einen 15-Prozent-Anteil. Der dürfte nach der Übernahme nun 3,5 Milliarden US-Dollar wert sein.

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