




Ja, die Welt ist ungerecht; der Teufel macht immer auf den größten Haufen; wer hat, dem wird gegeben. Das mag man beklagen, aber man kann genauso gut monieren, dass Weihnachten immer in den Dezember fällt. An der Börse wird das Prinzip regelmäßig bis ins Groteske getrieben: Es gibt dort Firmen, die sind so beliebt, dass nichts und niemand ihren Höhenflug stoppen kann, und andere, die können melden, was sie wollen – die Anleger werden es finden, das Haar in der Suppe.
Viel bezahlen für Qualität
Wer es positiv darstellen will, nennt das Flucht in Qualität. So wie im Immobilienmarkt manche immer glauben, es gehe wirklich um „Lage, Lage, Lage“, und für Qualitätsquartiere mittlerweile Mondpreise berappen, glauben viele, an der Börse werde dauerhaft für Qualität bezahlt. Klar: In unsicheren Zeiten kaufen die meisten Fondsmanager lieber das, was sie kennen und was bereits funktioniert (im Kurs steigt), statt etwas, was gerade als riskant gilt und wofür man sich rechtfertigen muss. Das geht auch eine Weile gut. Für die damit einhergehende hohe Bewertung lassen sich Argumente finden. Diesen Job übernehmen dann die Analysten, die ja auch lieber „kaufen“ auf jene Aktien schreiben, deren Kurse längst gestiegen sind und bei denen die größten Gewinne schon gemacht sind.
Die vier Lieblingsbegründungen: überlegene Marktstellung (was oft stimmt), höhere Gewinnmarge (vergänglich), besseres Management (Ansichtssache) und der Chinese (kauft). Beispiel Fresenius. Die Aktie gilt unter Fondsmanagern gerade als must have im Dax. Folge: gekauft wird immer. Meldet der Konzern, er wolle den Klinikbetreiber Rhön übernehmen, findet die Mehrzahl der Anleger das toll, die Aktie steigt. Meldet Fresenius kurz darauf, der Deal sei geplatzt, findet die Mehrzahl trotzdem, das sei eine gute Kaufgelegenheit, die Aktie steigt. Oder Nestlé. Die Schweizer dürften in keinem „breit diversifizierten“ Portfolio der Welt mehr fehlen. Die starke Marke, heißt es, die Welt-Präsenz, die unverzichtbaren Produkte, die Preissetzungsmacht würden dafür sorgen, dass Nestlé in guten Zeiten stets mehr verdiene als die Konkurrenz; in schlechten aber wäre Nestlé weit besser als, sagen wir, ein Chipzulieferer, weil gegessen werde immer.
Entweder - oder
Es kann aber nur entweder Boom- oder Krisenprofiteure geben. Eine Firma, die zugleich beides ist, muss erst noch gegründet werden. Echte Krisenprofiteure sind zudem selten. Konkret ist das Unheil für Nestlé schon absehbar: Die Dürre in den USA lässt die Rohstoffpreise steigen. Die wird der Konzern nicht voll auf seine Preise überwälzen können. Die Marge wird leiden, die Kaufargumente der Analysten auch. Runter kommen sie alle.
Studien zufolge hat noch keine Aktie es je geschafft, länger als elf Jahre in Folge den Markt zu schlagen. Dass die Überflieger immer eingeholt werden, liegt am Herdentrieb der Anleger: Erfolgreiche Aktien ziehen das Interesse der Masse auf sich. So fließt immer mehr Geld in die Aktie, bis die Bewertung irgendwann schneller steigt als die Ertragskraft der Firmen. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit bis zur Enttäuschung.