Anlegeralphabet Charttechnik - Anlageerfolg mit Liebe zu Linien

Das erste Mal als Anleger an der Börse unterwegs? Wir erklären das wichtigste Anlegervokabular von A bis Z. Heute: C, wie Charttechnik – von den falschen und richtigen Signalen für Aktionäre, Trends und Widerständen.

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C wie Chartanalyse - die Aktienanalyse mit Hilfe von Linien, Trendmustern, Unterstützungs- und Widerstandszonen Quelle: Getty Images

Die Stichworte A, wie Aktie und B, wie Börse haben wir in den ersten beiden Folgen des Anlegeralphabets abgehakt. Ziemlich basic? Zugegeben. Aber jetzt wird es mit Folge C schon etwas kryptischer und technischer: Die Charttechnik gilt bei Börsenanfängern als die Hexenküche der Kapitalmarktprofis, eine unverständliche Wissenschaft für sich, eine Welt aus Kurven, Balken, Unterstützungslinien und anderen visuellen Hilfsmitteln, deren Funktion sich erst bei genauerem Hinschauen erschließt, wenn überhaupt. Vorsicht: Das ganze kann (unangenehme) Erinnerungen an den Mathematikunterricht wecken.

Charttechnik ist keine Eintrittskarte für die Börse. Mit anderen Worten, es geht auch ohne. Vereinfacht dargestellt lassen sich Börsenprofis sogar in zwei Lager unterteilen: das der „Fundamentalisten“ und das der Charttechniker. Fundamentalisten, wie die Partei der eingefleischten Charttechniker die Anhänger der Fundamentalanalyse scherzhaft bezeichnet, bilden sich ihre Meinung über eine Aktie anhand der Geschäftszahlen des jeweiligen Unternehmens und der Entwicklungsperspektiven der Märkte, in denen das die Aktie emittierende Unternehmen tätig ist.

Die tägliche Frage bei der Analyse von Aktien lautet: Sind die Marktchancen und die Verfassung des Unternehmens so gut, dass sich ein Kauf der Aktie lohnt oder sollte man lieber die Finger davon lassen beziehungsweise die Anteile verkaufen, falls man sie schon im Depot hat?

Diese Frage wollen sowohl Fundamentaltechniker als auch Charttechniker beantworten, doch bei den eingesetzten Mitteln unterscheiden sich beide Lager deutlich. „Charties“ wühlen sich nicht durch Geschäftsberichte und Konjunkturprognosen. Stattdessen schauen sie auf den Kursverlauf der Vergangenheit und suchen darin Muster, die Hinweise auf einen steigenden, sinkenden oder konstanten Trend liefern könnten. Sie versuchen, in den Mustern Signale für den Handel zu erkennen, um Anlegern und Investoren den Kauf- oder Verkauf eine Aktie zu empfehlen – oder das Halten. Datengrundlage der Charttechniker ist der Kurs einer einzelnen Aktie oder der Verlauf von Aktienindizes, in denen ganze Gruppen von Aktien zusammengefasst sind.

Charttechnik lässt sich also sowohl auf die ThyssenKrupp-Aktie anwenden als auch auf den Aktienindex Dax, der die 30 wichtigsten börsennotierten deutschen Unternehmen abbildet. Charttechniker analysieren aber auch den Verlauf des Öl- oder Goldpreises. Charts sind grafische Darstellungen von Zahlen, in diesem Fall von Kursen und Preisen im Zeitablauf. Daraus entsteht das Bild einer sich auf- und ab bewegenden Kurve, die sich über Monate oder Jahre ziehen kann oder nur über wenige Tage und Stunden.

Der Dax-Verlauf an einem Handelstag sieht dabei natürlich anders aus als das Dax-Chart der Jahre 2008 bis 2016. Langfristige Trends lassen sich in der Regel nicht am Intraday-Chart ablesen, das den Kursverlauf eines einzigen Tages wiedergibt. Dafür muss man das Chart aufzoomen – mit Hilfe von Software und Bildschirmen keine Problem. Das lässt sich sogar unterwegs auf dem Smartphone darstellen, Google oder zahlreiche Finanzportale liefern interessierten Privatanlegern die Daten meist kostenlos. Auch die WirtschaftsWoche zeigt die Kurscharts von tausenden Aktien, Fonds, Indizes und allen möglichen Wertpapieren auf ihren Börsenseiten.

Beispiel für einen Dax-Chart

Ob Charttechnik der Fundamentalanalyse überlegen ist, haben unzählige empirische Studien herauszufinden versucht. Die Ergebnisse sind – man ahnt es – nicht eindeutig. Auch hier werden wir den Gelehrtenstreit nicht entscheiden. Bei der Wahl des Namens zumindest haben die Charttechniker den Kürzeren gezogen. Fundamentalanalyse dagegen klingt schon vertrauenserweckend, schließlich suggeriert die Bezeichnung, dass die Methode am alles erklärenden Fundament der Märkte ansetzt. Aber ein solches Fundament gibt es nicht oder man hat es jedenfalls noch nicht entdeckt.

Wer an Geschäftszahlen glaubt und über die Charttechniker die Nase rümpft, sollte sich eines klar machen: Aktienkurse ignorieren oft genug Personalwechsel im Management der Unternehmen oder deren neue Geschäftszahlen. Stattdessen führen die Kurse ein von diesen scheinbar so fundamentalen Daten losgelöstes Eigenleben, welches für Anleger hoch relevant ist. Natürlich reagieren die Börsen auf akute Nachrichten wie Ad-hoc-Mitteilungen aus Unternehmen, wenn sich also fundamental etwas ändert. Aber die Kurse bewegen sich oft genug auch dann, wenn es keine solchen Nachrichten gibt und obwohl aus Sicht der fundamentalen Betrachtung alles beim Alten bleiben müsste.

Kostenlos Charttechnik ausprobieren

Großbanken und institutionelle Investoren beschäftigen daher sowohl klassische Unternehmensanalysten, die in Quartalsberichten und Bilanzen jeden Stein umdrehen als auch Charttechniker, die immer auf die Kurse schauen. Nun muss man gerade als Privatanleger nicht jedem Chartsignal hinterherlaufen. Wer will, kann sich aber das Prinzip der Chartanalyse ganz einfach mit Hilfe von Papier, Bleistift und Lineal klar machen. Zudem geben Handelsportale und Depotbanken oft kostenlose Onlinekurse, bei denen sie in die Geheimnisse der Charttechnik einführen. Die Börse Stuttgart stellt einen kostenlosen Tradingdesk im Internet zur Verfügung, auf dem Privatanleger unter anderem charttechnische Methoden ausprobieren können.

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Die am häufigsten verwendete Chartform ist die des Liniencharts. Dabei werden die Schlusskurse einer Aktie an jedem Handelstag über mehrere Wochen oder Monate zu einer von links nach rechts laufenden Kurve verbunden. Auf der waagerechten Achse des Charts lässt sich der Zeitpunkt ablesen, auf der senkrechten der Kurs. Beim Linienchart fallen allerdings die Kursbewegungen innerhalb der Handelstage unter den Tisch. Abhilfe schaffen Balkencharts. Auf ihnen ist jeder Handelstag in Form einer senkrechten Linie dargestellt.

Der Anfang und das Ende jeder Linie setzt an den Höchst- und Tiefstkursen eines jeden Handelstags an. Auch Eröffnungs- und Schlusskurse werden auf diesen Balken markiert. Daraus lässt sich im Unterschied zum Linienchart ablesen, wie stark eine Aktie Tag für Tag schwankt.

Chartanalyse beim SilberpreisZu sehen sind der 200-Tage-Durchschnitt, Widerstandslinien, Abwärtstrend (Linie T1), der nach oben durchbrochen wurde. Für Charttechniker ein Vorzeichen für eine Trendumkehr.

Der Job der Charttechniker liegt nun vereinfacht gesagt darin, in den Kursverläufen Signale für Aufwärts-, Abwärts- oder Seitwärtstrends zu finden. Anhaltspunkte bieten Extrempunkte in den Kurscharts, also Tiefst- und Höchststände innerhalb der betrachteten Periode. Diese lassen sich mit Abwärts- oder Aufwärtslinien verbinden, die weiter in die Zukunft gezogen werden.

Wenn die Kurse später die vorher gezogenen Linien durchbrechen, leiten die Charttechniker daraus Chartsignale ab. Zum Beispiel: Solange sich der Dax oberhalb einer Aufwärtslinie hält, bleibt der Aufwärtstrend intakt. Anleger sollten dann am deutschen Aktienmarkt am Ball bleiben, kleinere Abstürze sind dabei noch kein Signal für den Ausstieg. Anders sieht es aus, wenn der Kurs eines Indikators oder einer Aktie die Linie von oben nach unten durchbricht. Charttechniker schließen daraus, dass es jetzt dauerhaft abwärts gehen könnte und legen in einer solchen Situation meist den rechtzeitigen Verkauf des Papiers nahe.

Unterstützungs- und Widerstandslinien hingegen bilden eine Art Netz oder Deckel für die Kurse. Ein Beispiel dafür ist die beliebte 200-Tage-Trendlinie. Jeder Punkt dieser Kurve zeigt den gleitenden Durchschnittswert der vorangegangenen 200 Tage an. Charttechniker gehen davon aus, dass die Märkte in der Regel vor diesen Linien zurückschrecken. Das heißt: Sie können Abstürze auffangen oder das Ende von Aufwärtstrends markieren. Durchbricht etwa der Dax den 200-Tage-Trend von oben nach unten, ist das ein schlechtes Omen für die weitere Kursentwicklung.

Wie jede Methode hat auch die Charttechnik ihre Fußangeln. Von einer Bärenfalle spricht man, wenn die Kurse nach unten abzusacken scheinen, aber kurz darauf von einem noch darunter liegenden Netz aufgefangen werden. Hier darf das Verkaufssignal nicht zu früh gesendet werden. Ein irreführendes Kaufsignal dagegen wird als Bullenfalle bezeichnet. Scheinbar nach oben ausbrechende Kurse scheitern etwas später an einem höheren Widerstand und sinken wieder. In einer solchen Situation sollte man nicht zu früh kaufen.

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