Anlegeralphabet Der Jahresabschluss - (k)ein Buch mit sieben Siegeln

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Verbale Informationen veralten langsamer als die nackten Zahlen

Die Bilanz stellt dem Vermögen des Unternehmens dessen Schulden und Eigenkapital gegenüber. Das ist eine eingefrorene Momentaufnahme zu einem Stichtag, dem letzten Tag des Geschäftsjahres. Daher liefern die Unternehmen auch immer einen Vergleich mit den Vorjahren, den man sich natürlich anschauen sollte.

Die Gewinn- und Verlustzahlen dagegen beziehen sich auf das gesamte abgelaufene Geschäftsjahr und zeigen, was nach Abzug aller Kosten etwa für Personal und Material oder der Steuern von den Umsätzen übrig geblieben ist.

Die Jahresabschlüsse von großen Aktiengesellschaften sind fast immer Konzernabschlüsse, in denen auch die Zahlen der von dem Unternehmen kontrollierten Töchter berücksichtigt werden. Umsätze zwischen den zum Konzern gehörenden Unternehmen werden dabei miteinander verrechnet. Das gilt auch für die in den Einzelbilanzen angesetzten Beteiligungen und das Eigenkapital der Töchter, ebenso für Schulden und Forderungen eines Konzernmitglieds bei einem anderen.

Unterschiedliche Standards bei der Rechnungslegung

Die Welt der Geschäftszahlen ist nicht so eindeutig und objektiv wie man vermuten könnte. Das zeigt schon die Tatsache, dass es unterschiedliche Rechnungslegungsnormen gibt, etwa die des deutschen Handelsgesetzbuchs und Aktienrechts oder die angelsächsisch geprägten Standards der internationalen Rechnungslegung.

Beiden Regelwerken liegen unterschiedliche Philosophien zugrunde. Das deutsche Handelsrecht ist traditionell geprägt vom Gläubigerschutz, will also sicherstellen, dass Kreditgeber das dem Unternehmen geliehene Geld zurückbekommen. Vermögen wird nach dieser Philosophie vorsichtig bewertet, also im Zweifel niedriger in der Bilanz angesetzt. Schulden dagegen werden eher mit dem maximal drohenden Betrag ausgewiesen. Gewinne dürfen also erst geschrieben werden, wenn sie wirklich sicher erzielt wurden.

Ganz anders sieht das Prinzip der vom Kapitalmarkt geprägten internationalen Rechnungslegung aus. Sie dient in erster Linie der Information von Investoren und will den Anspruch der Eigentümer auf angemessene Dividenden sicherstellen. An vielen Stellen fällt die Bewertung von Bilanzpositionen offensiver aus und werden Gewinne früher ausgewiesen.

Der kurze Ausflug in die Rechnungslegung soll zeigen, dass der gleiche Geschäftsvorfall je nach geltender Regelung anders dargestellt werden kann. Manche Unternehmen stellen deshalb eine Überleitungsrechnung von deutschen zu internationalen Normen zur Verfügung.

Ein Geschäftsbericht ist kein Roman, den man sich von vorne bis hinten durchliest. Er dient vielmehr als Nachschlagewerk für ausgewählte Bilanzpositionen, Projekte oder Probleme eines Unternehmens. Die verbalen Informationen zu diesen Punkten veralten wesentlich langsamer als die nackten Zahlen. Deshalb können Anleger sich eine Printversion des Geschäftsberichts auch noch auf der meist lang nach dessen Veröffentlichung stattfindenden Hauptversammlung einstecken, wo meist noch genügend Exemplare ausliegen.

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