Rafael Correa, der sozialistische Präsident von Ecuador, verweigerte am 12. Dezember 2008 die Zinszahlung auf Ecuadors Staatsanleihen. Seine skurrile Begründung damals: Die Schulden seiner Vorgängerregierung seien illegitim. Ecuadors Gläubiger nannte er damals „Monster“. Doch Monster sind gierig. Deshalb konnte das südamerikanische Land jetzt an den Kapitalmarkt zurückkehren. Bei der Aussicht auf 7,95 Prozent Rendite bissen die Monster an und rissen sich um Correas zehnjährige Dollar-Anleihe. Die Gier nach Rendite macht es möglich.
Billiges Geld der großen Notenbanken hat den Blick auf die Risiken an den Kreditmärkten vernebelt. Offenkundig wird das nicht nur bei Staatsanleihen wie jener von Ecuador, sondern auch bei Papieren der Euro-Krisenstaaten: Die Renditen, die Investoren für spanische, italienische oder französische Staatsanleihen erzielen, sind so niedrig wie seit 200 Jahren nicht mehr.
Dass Investoren Kreditrisiken ignorieren, zeigt sich ebenso bei Unternehmensanleihen. Unternehmen mit guter bis mittelmäßiger Bonität (Investmentgrade) können sich exorbitant verschulden. Und die Renditeaufschläge von Papieren bonitätsschwacher Unternehmen (Junk Bonds) gegenüber Staatsanleihen sind so niedrig wie vor der Finanzkrise.
Verschuldung der Unternehmen außerhalb des Finanzsektors
201 Milliarden US Dollar (23% des BIPs)
Quelle: Standard & Poor’s; Internationaler Währungsfonds (IWF)
208 Milliarden US Dollar (54% des BIPs)
233 Milliarden US Dollar (79% des BIPs)
273 Milliarden US Dollar (22% des BIPs)
294 Milliarden US Dollar (94% des BIPs)
571 Milliarden US Dollar (209% des BIPs)
867 Milliarden US Dollar (39% des BIPs)
950 Milliarden US Dollar (51% des BIPs)
1.040 Milliarden US Dollar (57% des BIPs)
1.099 Milliarden US Dollar (73% des BIPs)
1.380 Milliarden US Dollar (113% des BIPs)
1.680 Milliarden US Dollar (66% des BIPs)
5.023 Milliarden US Dollar (103% des BIPs)
11.235 Milliarden US Dollar (88% des BIPs)
13.104 Milliarden US Dollar (78% des BIPs)
14.211 Milliarden US Dollar (155% des BIPs)
Verschuldung steil nach oben
Die Notenbanken konnten die Märkte zwar davon überzeugen, dass Staaten nicht pleitegehen können – solange es Notenbanken gibt, die bereit und fähig sind, das Geld zu drucken, das zur Finanzierung der Regierungen gebraucht wird. Eine Bestandsgarantie für Unternehmen lässt sich daraus aber nicht ableiten. Es wäre nicht überraschend, wenn eine neue Kreditkrise von den Unternehmensschulden ausginge.
Befeuert von den tiefen Zinsen, ist die Verschuldung der Unternehmen steil nach oben gegangen. Die US-Unternehmen brachten es zuletzt auf die Rekordschuld von 13.900 Milliarden Dollar, rund ein Fünftel mehr als 2009. Zwar bekamen Unternehmen mehr Geld in die Kasse: Bei 1100 US-Unternehmen, deren Bonität seit mindestens fünf Jahren von der Ratingagentur Standard & Poor’s bewertet wird, legten die Cash-Bestände von 2010 bis 2013 um 204 Milliarden auf 1230 Milliarden Dollar zu. Doch zugleich wuchs die Bruttoverschuldung um 748 Milliarden auf 4000 Milliarden Dollar. Im Ergebnis fielen die Nettoschulden um 24 Prozent auf 2770 Milliarden Dollar.
Die aufgenommenen Mittel steckten Unternehmen vor allem in Übernahmen und Fusionen (M&A), Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen. Laut Börsendienst Bloomberg erreichte das M&A-Volumen in den USA im zweiten Quartal 546 Milliarden Dollar. Es war der höchste Dreimonatswert seit dem dritten Quartal 2007. Mit den steigenden Aktienkursen werden Übernahmeziele immer teurer, was die Verschuldung der Aufkäufer weiter in die Höhe treibt. Der US-Fleischkonzern Tyson Foods etwa erhielt nach einem Bietergefecht mit dem Hühnchenproduzenten Pilgrim’s Pride gerade den Zuschlag für den Wettbewerber Hillshire Brands – für 8,55 Milliarden Dollar einschließlich Schulden. Das entspricht dem 17-fachen operativen Gewinn von Hillshire. Ein Großteil der Cash-Offerte will Tyson per Kredit finanzieren.