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Anleihemarkt Europas Krisenstaaten stürzen immer tiefer

Die Spaltung am europäischen Bondmarkt wird immer deutlicher. Während Frankreich, Italien und Spanien Rekordzinsen zahlen müssen, stürzen sich Anleger auf deutsche Bonds. Das sorgt zunehmend für Unfrieden.

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Die Euro-Zone ist in Aufruhr. Quelle: dapd

Düsseldorf Am Anleihemarkt regiert weiter die Nervosität. Die fehlende Klarheit über die Rettungsstrategie der Euro-Zone für überschuldete Staaten drückt weiter auf die Kurse der südeuropäischen Länder. Auch massive Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank können den Trend nicht stoppen.

Nachdem in den vergangenen Wochen vor allem Italien im Fokus der Anleger stand, gerät nun Spanien wieder stärker unter Druck. Binnen weniger Tage sind die Renditen zehnjähriger spanischer Staatsanleihen von 5,5 auf fast 6,8 Prozent gestiegen und liegen damit nur noch knapp unter der von Experten als kritisch erachteten Marke von sieben Prozent.

Am Donnerstag sorgte eine negative Wachstumsprognose der spanischen Finanzministerin für einen neuen Abwärtsschub. Statt 1,3 Prozent erwartet Elena Salgado in diesem Jahr nur noch 0,8 Prozent Wachstum. Zudem belastete das Ergebnis einer Anleiheauktion. Spanien brachte zehnjährige Anleihen im Volumen von 3,56 Milliarden Euro am Markt unter. Dafür musste das Land eine Emissionsrendite von 6,95 Prozent zahlen. Zudem verkaufte es weniger als geplant. Ursprünglich hatte Spanien vier Milliarden Euro aufnehmen wollen.

Das geringe Vertrauen der Anleger in die spanische Wirtschaftskraft und die Fähigkeit zum Schuldenabbau hatte sich bereits am Montag gezeigt, als das Land bei einer Anleiheauktion mehr als fünf Prozent für Papiere mit zwölf und 18 Monaten Laufzeit zahlen musste.

Neben Spanien testete auch Frankreich am Morgen, wie die jüngsten Turbulenzen seine Refinanzierung beeinträchtigen. Insgesamt wollte sich das Land über Anleihen verschiedener Laufzeiten 8,2 Milliarden Euro von Investoren beschaffen. Für fünfjährige Papiere lag die Rendite bei 2,82 Prozent, vor einem Monat hatte Frankreich lediglich 2,31 Prozent zahlen müssen.

Französische Staatsanleihen stehen seit vergangener Woche unter starkem Druck, nachdem die Ratingagentur Standard & Poor's versehentlich eine Mitteilung rausgeschickt hatte, die eine Herabstufung Frankreichs andeutete. Mit 3,77 Prozent werfen zehnjährige französische Staatsanleihen am Donnerstag erstmals seit Einführung des Euros zwei Prozent mehr Rendite ab als gleich laufende deutsche Bundesanleihen.

Nach Meinung von Mohit Kumar, Leiter der europäischen Anleihestrategie bei der Deutschen Bank, könnten die heutigen Emissionen Signalcharakter haben: "Die Märkte achten sehr genau darauf, ob sich die Seuche wirklich in die Kernmärkte ausgeweitet hat", sagte er der Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Euro-Zone stecke in einer generellen Vertrauenskrise und je näher das Jahresende rücke, desto geringer sei die Risikobereitschaft der Anleger.


„Deutschlands Schulden sind besorgniserregend“

Für die meisten Investoren ist geringe Risikobereitschaft aktuell gleichbedeutend mit einem Engagement in Bundesanleihen. Während die Scheu vor Bonds aus anderen Euro-Staaten kontinuierlich wächst und deren Refinanzierungskosten steigen, kann Deutschland am Kapitalmarkt zu rekordniedrigen Zinsen Geld aufnehmen. Am Dienstag musste der Bund für zweijährige Anleihen im Wert von 5,5 Milliarden Euro lediglich eine Rendite von 0,39 Prozent bieten.

Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sank erneut leicht auf 1,77 Prozent. Der Bund-Future, Maßstab für die Kursentwicklung deutscher Anleihen, stieg auf 138,40 Prozent und liegt damit nicht mehr weit von seinem Hoch bei gut 139 Prozent entfernt.

Unter den europäischen Partnern sorgt die starke Entwicklung deutscher Anleihen zunehmend für Unruhe. Am Mittwoch hatte eine französische Regierungssprecherin den Risikoaufschlag französischer Anleihen
gegenüber deutschen als "nicht gerechtfertigt" bezeichnet. Und auch Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, der der Euro-Gruppe vorsteht, äußerte in einem Interview mit dem Bonner General-Anzeiger Unverständnis: "Ich halte die Höhe der deutschen Schulden für besorgniserregend", sagte Juncker. Die Bundesrepublik habe "höhere Schulden als Spanien. Nur will das hier keiner wissen."

Um Entspannung ist auch die deutsche Seite bemüht. Sie versucht, die Probleme der anderen Euro-Staaten kleinzureden. So sagte der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und künftige EZB-Chefvolkswirt Jörg Asmussen im Gespräch mit der dpa, dass Italien kein Kandidat für den Euro-Rettungsschirm EFSF sei. Die Rekordzinsen bei italienischen Staatsanleihen seien nicht beunruhigend. „Das ist nicht erfreulich, aber ein Land von der Stärke Italiens kann kurzfristig das ohne jede Schwierigkeit meistern. Die Frage des EFSF stellt sich für Italien nicht“, sagte Asmussen.

Am Markt fanden seine Worte aber kein positives Echo. Die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen stieg am Morgen erneut über die Markte von sieben Prozent.

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