Anleihemarkt Mittelstandsanleihen sind nicht wasserdicht

Die Traumschiff-Anleger sind baden gegangen und auch bei Penell sieht es nicht gut aus. Sicherheiten sind unsicher, Treuhänder handeln fragwürdig – das Drama um Mittelstandsanleihen nimmt kein Ende.

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Gefährliche Mittelstands-Anleihen an der Börse
Mehrere Pakete des alkoholischen Getränks Underberg liegen auf einem Haufen Quelle: Creative Commons-Lizenz
Hemden des Herstellers Seidensticker Quelle: PR
Produkte des Nahrungsmittelherstellers Zamek Quelle: PR
Schalkes-Fans feuern den FC Schalke 04 an Quelle: dpa
Katjes Yoghurt Gums Quelle: dpa/dpaweb

Den „Traumschiff“-Anlegern steht das Wasser bis zum Hals: 50 Millionen Euro haben sie der Beteiligungsgesellschaft der MS Deutschland über eine Anleihe geborgt, als Sicherheit wurde ihnen das Schiff versprochen. 100 Millionen Dollar sei das wert, hieß es vor zwei Jahren. Heute ist die Gesellschaft insolvent, das Schiff kaum für 100 Millionen zu verkaufen, und zu allem Überfluss ist sich der vorläufige Insolvenzverwalter auch noch sicher: Das Schiff wurde nicht wirksam als Sicherheit für die Anleihegläubiger bestellt, es gehört ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht.

Für „Traumschiff“-Anleger kein Trost, aber: Sie sind nicht allein. Immer wieder ködern Emittenten von Mittelstandsanleihen Anleger mit trügerischen Sicherheiten.

Was Investoren für die lukrativste Geldanlage halten

Aktuell bangen Anleihekäufer des Elektrogroßhändlers Penell um fünf Millionen Euro. Als Sicherheit dient ihnen das Kupferkabel-Lager des Unternehmens. Doch eine Überprüfung der Bestände, so Penell, habe ergeben, dass die Kabel nicht, wie behauptet, neun Millionen Euro, sondern deutlich weniger wert seien. Die Ratingagentur Feri hat die Anleihe auf CC („höchstes Ausfallrisiko“) herabgestuft. Die Wertberichtigung bedrohe das Eigenkapital und signalisiere ein „gestiegenes Verlustrisiko“ für Anleger.

Bei Penell soll der Sicherheiten-Treuhänder, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Alarm geschlagen haben. Derartige Treuhänder oder Kontrolleure der Mittelverwendung sollen überwachen, ob Unternehmen Anlegergeld wie im Prospekt versprochen ausgeben. Oft fließt das Geld der Anleger auf ein Sonderkonto, der Treuhänder soll es nur freigeben, wenn wie geplant investiert wird. Doch längst nicht immer sind die Treuhand- und Sicherheiten-Konstrukte so wasserdicht wie beim Verkauf der Anleihe behauptet.

Die Kanzlei Keitel & Keitel geht aktuell gegen einen Anwalt vor, der die Mittelverwendung bei einer Anleihe der Immobiliengesellschaft WGF kontrollieren sollte. In deren Anleiheprospekt hieß es, dass mindestens 60 Prozent der Immobilien im Portfolio Wohnungen sein sollten. Gewerbliche Mieter, die auch mal pleitegehen können, sollten in der Minderheit sein.

Die größten Fehler der Anleger

Anleger gingen davon aus, dass der Kontrolleur, Anwalt Ferdinand Dahlmanns, ihr Geld nur freigibt, wenn die 60-Prozent-Vorgabe eingehalten wird. Keitel wirft ihm nun vor, dass deutlich über 90 Prozent der Fläche als Gewerbefläche ausgewiesen war. Da WGF in die Insolvenz schlitterte, fordert Anwalt Hans-Georg Keitel für Anleger nun Schadensersatz – ihr Geld könnte, wenn der Kontrolleur es nicht freigegeben hätte, noch auf dem Sonderkonto sein.

Dahlmanns argumentiert, dass er „nur zum Zeitpunkt des Ankaufs“ die Möglichkeit der Kontrolle gehabt habe. Da hätten die Zahlen gestimmt. Vertraglich sei vereinbart gewesen, dass der WGF-Vorstand schriftlich bestätige, dass mindestens 60 Prozent der Immobilienfläche als Wohnung genutzt werde. Das habe der getan. „Ich musste mich auf die Bestätigung des Vorstands verlassen“, sagt Dahlmanns. Zumindest später veröffentlichte WGF-Zahlen deuteten auf die regelwidrige Quote hin. Ob der Konzern später Wohnungen verkauft hat, wie Dahlmanns sagt, und so die Quote sank, wollte WGF nicht sagen.

Formal hat der Kontrolleur seinen Job getan: Im Prospekt steht, WGF müsse dem Kontrolleur schriftlich bestätigen, dass die Investitionskriterien eingehalten wurden.

Anleger bedürfen Aufklärung

Dass auch klangvolle Namen von Treuhändern nicht schützen, zeigt der Fall des Immobilienunternehmens Deikon. Die Firma hatte 2006, noch unter dem Namen Boetzelen RheinMainHypo, eine zweite und dritte Anleihe begeben. Wächter über diese Gelder war als Treuhänder die renommierte Wirtschafts-Großkanzlei CMS Hasche Sigle. Im Sommer verurteilte der VI. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf CMS, einem Anleger 34.000 Euro Schadensersatz zu zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weitere Verfahren laufen. CMS wollte sich nicht äußern.

Boetzelen-Immobilien sollten sowohl mit Anlegergeld als auch mit Bankkrediten finanziert werden. Die Bank sollte erstrangig im Grundbuch abgesichert werden, nachrangig sollten den Anleihegläubigern Grundpfandrechte eingeräumt werden. Der Clou: Mit jeder Kreditrate, die Boetzelen der Bank bezahlte, sollten die Sicherheiten für die Anleger werthaltiger werden. Der erstrangige Anspruch der Bank würde schrumpfen; die Chance, dass die Anleger bei einer Pleite als die Zweiten in der Schlange Geld sehen, würde zunehmen.

Die Anleihekäufer, heißt es im Urteil (I-6 U 127/13), hätten dank CMS darauf vertrauen können, dass das investierte Kapital erst freigegeben werde, nachdem es wie im Prospekt angegeben abgesichert war.

Boetzelen hatte einen Kreditrahmen über 75 Millionen Euro mit der BerlinHyp vereinbart und sicherte ihn mit dem Immobilienportfolio ab. Laut Urteil, das die Kanzlei Dr. Späth & Partner zusammen mit der Kanzlei Keitel erstritten hat, steht im Vertrag mit der Bank auch, dass die Grundschulden „der Sicherung aller Ansprüche der BerlinHyp aus dem Kreditvertrag“ dienen sollten. „Damit dienten auch Immobilien der Anleihe als Sicherheit für Bankkredite, die andere Anleihen oder sonstige Zwecke betrafen“, sagt Anwalt Keitel.

Der Vertrag passt nicht zu den Versprechen im Prospekt: „Was fehlte, war die Vereinbarung, dass sich die Grundbuchsicherheiten der Anleihegläubiger mit der Tilgung der Bankdarlehen verbesserten“, sagt Keitel. Die Bank sollte Jahre nach Tilgung die gleiche Position im Grundbuch haben. „Das hätte CMS auffallen müssen, der Treuhänder der Kanzlei hätte die Auszahlung der Gelder verweigern müssen“, so Keitel. Das tat CMS aber mitnichten.

Die Richter monieren, CMS habe Anleger nicht informiert, dass das Konzept der ansteigenden Absicherung der Anleihegelder nicht vollständig umgesetzt worden sei. Anleger hätten die Anleihen kaum gekauft, wenn sie das gewusst hätten.

Ähnlich der XVI. Senat des OLGs Düsseldorf: In einem Hinweisbeschluss, der die Richtung vorgibt, in die das Gericht bei einem Urteil tendierte, gehen die Richter von einem Interessenkonflikt von CMS aus. Die Kanzlei hatte für Boetzelen die Prospekte geprüft und sollte dann sicherstellen, dass die Ansprüche der Anleger abgesichert sind. Aufgrund des Kreditvertrages, so der Senat, sei eine „prospektgemäße Absicherung“ nicht möglich gewesen. Über die „schwerwiegende Gefährdung des Sicherheitenkonzepts“ hätte CMS Anleger aufklären müssen. Das geschah nicht.

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