Anleihen-Crash

Crash? Nein, eine Korrektur zur rechten Zeit!

Die Kurse von Anleihen sind kollabiert. Die Aktienmärkte schwächelten deutlich. Der Euro musste gegenüber dem US-Dollar kräftig Federn lassen. In den vergangenen Wochen ist es an allen großen Märkten zu teilweise recht heftigen Verwerfungen gekommen. Geht es jetzt weiter abwärts? Oder werden wir schon bald zu den alten Höchstständen zurückkehren?

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Die Irrtümer der Crash-Propheten
Der US-Wissenschaftler Lars Peter Hansen - Nobelpreisträger für Wirtschaft in 2013 - warnt derzeit vor einem Crash. "Ein Einbruch um 20 Prozent kann passieren", sagte Hansen. Der Professor an der Universität in Chicago zeigte sich gegenüber der Tageszeitung "Welt" über die Gelassenheit der Investoren angesichts der Risiken erstaunt. Allerdings sei die Vorhersage, wann eine Spekulationsblase platze schwierig. Den Nobelpreis erhielt Hansen für seine Arbeiten zu Risiken und Unsicherheit am Kapitalmarkt. Andere Crash-Propheten lehnten sich deutlich weiter aus dem Fenster. Quelle: dpa
Nouriel Roubini Quelle: REUTERS
Marc Faber Quelle: dpa Picture-Alliance
Alan Greenspan Quelle: REUTERS
Wolfgang Münchau, Archivbild von 2002 Quelle: dpa
Paul Krugman Quelle: REUTERS
Max Otte Quelle: dpa Picture-Alliance

Vor allem die Bewegung am Rentenmarkt Anfang Mai ist bemerkenswert. Innerhalb von fünf Handelstagen stieg die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen um knapp 40 Basispunkte – der zweitstärkste Anstieg innerhalb einer Woche seit Beginn der Eurozone. Auch die Renditen nahezu aller anderen EWU-Anleihen stiegen auf neue Jahreshöchststände und somit auf Niveaus von vor der Ankündigung des EZB-Ankaufprogramms.

Der Abwärtstrend bei den Anleihekursen setzte nach der Veröffentlichung höherer Inflationszahlen aus Deutschland ein. Diese wurden mit einer möglicherweise schnelleren konjunkturellen Erholung in Verbindung gebracht. Doch es sind nicht nur fundamentale Ursachen, die zum Ausverkauf führten.

Ein Beleg hierfür: Die Sorgen um Griechenland haben zwar wieder zugenommen. Sie sorgen aber nicht - wie sonst üblich - für Zuflüsse in sichere Häfen wie zum Beispiel deutsche Bundesanleihen. Vor dem Crash neigten Bundesanleihen immer zu Kursgewinnen, wenn die Sorgen um das krisengeplagte Land zunahmen.

Ökonomen zu den Staatsanleihenkäufen der EZB

Die Ursachen für den jüngsten Crash am Rentenmarkt sind also wohl eher markttechnischer Natur. Erwartungen an ein breit angelegtes Staatsanleiheankaufprogramm sowie deren tatsächliche Ankündigung im Januar hatten die Kurse kräftig steigen lassen: Diese Preisanpassung nach oben erfolgte jedoch offenbar zu schnell und zu heftig. Zu rasch wurden psychologisch und markttechnisch wichtige Levels erreicht, bei denen eine kritische Masse von Investoren nicht mehr an einen weiteren Preisanstieg geglaubt hat.

Insbesondere das Erreichen von Niveaus jenseits der 160er-Marke beim Bund-Future dürfte, wie erst im Nachhinein klar wurde, das wohl wichtigste psychologische Signal in diesem Zusammenhang dargestellt haben. Viele Anleger hatten dieses Niveau beim Bund-Future vermutlich als Zielmarke anvisiert und beim Erreichen Gewinn mitgenommen. Als die Preise dann anfingen zu fallen, setzte die übliche Abwärtsspirale ein. Wichtige charttechnische Unterstützungsmarken wurden reihenweise unterschritten, was zu einem weiter steigenden Verkaufsdruck führte – niemand wollte zu früh auf der Käuferseite stehen.

Zudem wurde der Markt bildlich gesprochen auf dem falschen Fuß erwischt. Durch die das EZB Kaufprogramm rechneten die meisten Investoren mit weiter steigenden Preisen. Zudem hatten viele Anleger Positionen mit umfangreichen unrealisierten Gewinnen. Sie versuchten dann so viele ihrer Buchgewinne wie möglich zu retten – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Anleihekurse.

Hinzu kommt, dass die Notenbanken der Euro Länder die Korrektur bislang als eine „gesunde Reaktion“ des Marktes erachten und sich dem Preisverfall dementsprechend (noch) nicht entgegen stellen. Im Gegenteil: die Notenbanken profitieren von den Umständen, die mit dem Preisrückgang einhergehen: einerseits vergrößert sich das ankaufbare Universum an Euro-Staatsanleihen. Andererseits können die Notenbanken Staatsanleihen nun zu geringeren Kursen ankaufen.

Insgesamt jedoch spricht vieles dafür, dass die jüngste Abwärtsbewegung bei den Anleihekursen das bleibt, was sie bis hierhin war: eine Korrektur in einem langfristigen Aufwärtstrend. Zum einen macht insbesondere der Bund-Future als einer der Hauptauslöser der Bewegung nach der Korrektur einen stark überverkauften Eindruck. Zweitens dürften die fundamentalen Gründe für die langfristige grundlegende Aufwärtsbewegung schon bald wieder mehr zum Tragen kommen.

Positiver Preiseffekt durch Liquiditätsengpass

Die kontinuierliche Nachfrage der Euro-Notenbanken im Rahmen ihrer Ankaufprogramme wird schon bald wieder eine stützende Komponente darstellen. Allein die schiere Größe des Staatsanleiheankaufprogramms spricht dafür. Vergleicht man das Programm der EZB mit den Ankaufprogrammen der Bank of Japan sowie der US-Notenbank, fällt auf, dass das Ankaufvolumen des EZB-Programms im Vergleich zur Neuverschuldung deutlich größer ist.

Deshalb kann sich auch die Vermutung einiger Experten, dass ähnlich wie in den USA mit dem Beginn des Ankaufprogramms die Zinswende einsetzt, als falsch erweisen. Des Weiteren lässt ein bevorstehender Liquiditätsengpass im Sommer einen stärkeren positiven Preiseffekt der Notenbanken-Nachfrage vermuten. Auch das spricht für ein baldiges Ende der Korrektur.

Mit welchen Maßnahmen Regierungen und Notenbanken Sparer attackieren können
Instrument: NiedrigzinsAusgestaltung: Notenbank kauft (über Banken, die günstig Geld bekommen) Staatsanleihen; Notenbank hält Leitzinsen untennegativ betroffen wären/sind: Konten, Anleihen, Lebensversicherung, Betriebsrenten, VersorgungswerkeEintrittswahrscheinlichkeit: läuft bereits; •••••wie gefährlich für das Vermögen?: Inflation frisst Zinsen; Sparen lohnt sich kaum; ••••∘Vorteil für Staaten: niedrige Zinslast auf eigene Schuldenhistorische Vorbilder: USA• = unwahrscheinlich/ sehr niedrige Einbußen; ••••• = so gut wie sicher/ sehr hohe Einbußen Quelle: dpa
Instrument: Inflation zulassenAusgestaltung: Notenbanken schöpfen weiter Geld; Bürger verlieren Vertrauen; Umlaufgeschwindigkeit des Geldes steigtnegativ betroffen wären/sind: Bargeld, Konten, Anleihen, LebensversicherungEintrittswahrscheinlichkeit: aktuell gering; langfristig wahrscheinlich; •••∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: Hohe Inflation kann sämtliche Geldvermögen entwerten; •••••Vorteil für Staaten: Schulden werden nicht auf dem Papier, aber real drastisch verringerthistorische Vorbilder: Deutschland 1923; Frankreich 18. Jahrhundert; Zimbabwe 2009 Quelle: dpa
Instrument: NegativzinsAusgestaltung: Notenbank setzt negativen Leitzins fest; Banken legen negative Zinsen auf die Guthaben von Sparern um oder verteuern Gebühren/Kreditenegativ betroffen wären/sind: KontenEintrittswahrscheinlichkeit: ist bereits in der Diskussion; •••∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: Erspartes leidet nominal durch Negativzinsen und real durch Inflation ••••∘Vorteil für Staaten: höheres Wachstum durch ausgeweitete Kreditvergabe erhoffthistorische Vorbilder: Schweiz 1964, 1970er; Schweden; Dänemark Quelle: dpa
Instrument: VermögensabgabeAusgestaltung: Staat schneidet sich von allen Vermögenswerten einmalig ein Stück abnegativ betroffen wären/sind: Konten, Aktien, Anleihen, ImmobilienEintrittswahrscheinlichkeit: wird diskutiert, aber starker Widerstand zu erwarten; ••∘∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: je reicher desto härter; ••••∘Vorteil für Staaten: kann Schulden sofort drastisch senkenhistorische Vorbilder: Deutschland 1918/19, 1952 Quelle: dpa
Instrument: ZwangsanleiheAusgestaltung: Staat zwingt Bürger, einen Teil ihres Vermögens in Staatsanleihen zu packen; wird (teilweise) zurückgezahltnegativ betroffen wären/sind: Konten, Aktien, Anleihen, ImmobilienEintrittswahrscheinlichkeit: wird diskutiert, aber starker Widerstand zu erwarten; ••∘∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: hängt von Rückzahlungen ab; •••∘∘Vorteil für Staaten: verschafft Spielraum bis zum Rückzahlungsdatumhistorische Vorbilder: Deutschland 1914, 1922/23 Quelle: dpa
Instrument: Neue SteuernAusgestaltung: Vermögensteuer, zum Beispiel ein Prozent auf steuerpflichtiges Vermögen (nach Abzug von Freibeträgen)negativ betroffen wären/sind: Vermögen generellEintrittswahrscheinlichkeit: politische Forderung; ••••∘wie gefährlich für das Vermögen?: für Vermögende; •••∘∘Vorteil für Staaten: weitere Einnahmenhistorische Vorbilder: Deutschland, wurde 1997 abgeschafft Quelle: dpa
Instrument: Neue SteuernAusgestaltung: Transaktionsteuer von 0,1 Prozent auf Aktien und Anleihen und 0,01 Prozent auf Derivate; fällig für jedes Geschäft negativ betroffen wären/sind: Aktien, Anleihen, Derivate; indirekt auch Fonds und LebensversicherungenEintrittswahrscheinlichkeit: politisch herrscht Konsens; •••••wie gefährlich für das Vermögen?: drückt auch Rendite von Fonds und Versicherungen; •••∘∘Vorteil für Staaten: weitere Einnahmenhistorische Vorbilder: Deutschland 1881–1991; Schweden 1985–1992 Quelle: dpa

Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Renditeniveaus von kurz vor der Korrektur nicht noch einmal erreicht werden. Verantwortlich hierfür könnte die verbesserte konjunkturelle Lage in der Eurozone sein. Da die Inflationserwartungen wieder vorsichtig im Steigen begriffen sind und da auch der steigende Ölpreis auf einen baldigen Anstieg der realisierten Inflationsrate hindeutet, ist ein Rückgang der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen unter die Marke von null Prozent keine ausgemachte Sache mehr.

Zudem dürften viele Anleger nach der erlebten Korrektur gewarnt sein. Jene, die die Korrektur überrascht hat, könnten nach der vermutlich bevorstehenden Gegenbewegung schneller bereit sein, sich von ihren Positionen zu trennen oder sogar dazu neigen, auf einen neuen etwaigen Short-Zug aufzuspringen.

Ein sehr ähnliches Bild ergibt sich bei den Aktienmärkten. Hier zeigten einfache technische Indikatoren, wie zum Beispiel der Abstand des Dax zu seiner 200-Tage-Durchschnittslinie, schon seit rund sechs Wochen eine deutliche Überhitzung an. Der deutsche Aktienmarkt war durch das Kaufprogramm der EZB sehr teuer geworden. Und man war auf den Weg hin zu einer irrationalen Übertreibung. Der Gewinnanstieg der Unternehmen konnte mit dem Anstieg des Dax (Mitte April waren es zwischenzeitlich +26 Prozent) nicht annähernd mithalten.

Die fundamentalen Perspektiven für die Unternehmen haben sich in den vergangenen Wochen jedoch nicht geändert. Aus europäischer Sicht sprechen unter anderem der schwache Euro, niedrigere Rohstoffpreise und die gute Konsumnachfrage für einen weiteren Anstieg der Unternehmensgewinne. Die in Europa jüngst begonnene Berichtssaison bestätigt diese Tendenz. Auch das Niedrigzinsumfeld wird Bestand haben und dürfte den Aktienmärkten weitere Mittelzuflüsse bescheren. Entsprechend dürften die europäischen Aktienmärkte wieder steigen. Jedoch: Wenn man wieder die Höchststände erreicht hat, wird sich zunehmend Nervosität bemerkbar machen.

Insgesamt kam die Korrektur zur rechten Zeit um die Marktteilnehmer daran zu erinnern, dass der Finanzmarkt sich dauerhaft nicht völlig von der fundamentalen Entwicklungen abkoppeln kann. Die generellen Treiber der Märkte sind noch in Kraft, daher dürften die bisherigen Trends wieder aufgenommen werden. Jedoch wird man nun vorsichtiger agieren und das ist auch gut so.

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