Dass eine von den USA eingeläutete Zinswende die Kurse in Asien und anderen Schwellenländern drücken könnte, fürchten Anleger jedenfalls kaum noch. Steigende Zinsen in den USA verteuern die Finanzierungskosten für Investitionen und bremsen die Anlegerneigung, Risiken einzugehen. 2013 hatte die vom damaligen US-Notenbankchef Ben Bernanke angekündigte Straffung der US-Geldpolitik noch für einen Crash vieler Lokalwährungen gesorgt. Tatsächlich erhöhte erst Bernankes Nachfolgerin Janet Yellen die Zinsen – im Dezember 2015 und auch nur minimal.
Unter Investoren setzt sich nun die Überzeugung durch, dass es so bald keine weitere Zinsanhebung in den USA geben wird. Von einem starken Konjunkturaufschwung, der Notenbanken zwingen könnte, auf die Bremse zu treten, ist weder in den USA noch weltweit etwas zu sehen. Die Währungen der Schwellenländer haben sich daher wieder beruhigt.
Seit März summieren sich die Nettozuflüsse internationaler Investoren in Aktien und Anleihen der Schwellenländer auf gut 67 Milliarden Dollar (siehe Grafik). Zwischen Juli 2015 und Februar 2016 hatten sie noch Monat für Monat Geld abgezogen.
Nachdem die Börsen in Lateinamerika bereits stark profitiert haben, könnte nun Asien vor einem breiten Kursanstieg stehen.
Die konjunkturelle Ausgangslage ist gut. Zwar ist der große Boom früherer Jahre vorbei. Zweistellige Zuwachsraten pro Jahr, wie sie die Tigerstaaten Südkorea, Taiwan und Singapur sowie die Metropolregion Hongkong bis zum Ausbruch der Asienkrise 1997 teils erlebten, gibt es nicht mehr. Aber die Region wächst immer noch mehr als doppelt so schnell wie der Rest der Welt. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) rechnet allein für die Länder Südostasiens mit 4,5 Prozent Wirtschaftswachstum. „Die Region hat sich von einem Zentrum für die Produktion von Autos, Elektronik und anderen Konsumgütern zu einem Absatzmarkt für genau diese entwickelt“, sagt Kevin Martin, Leiter des asiatischen Vermögensverwaltungsgeschäfts bei der britischen Großbank HSBC. Profitieren werden vor allem Länder mit einem großen Binnenmarkt.
Als neuer Star der Region gelten die Philippinen. Die Wirtschaft auf dem Archipel mit 7109 Inseln wächst dynamisch, die Demografie ist vorteilhaft, und Staat, Unternehmen und Privathaushalte sind nur gering verschuldet. Mit Wachstumsraten von über sechs Prozent ist der Inselstaat die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft Asiens. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf liegt mit 2900 Dollar dennoch erst halb so hoch wie das von Thailand. Mehr als die Hälfte der 100 Millionen Einwohner ist jünger als 30 Jahre. Der Anteil der Beschäftigten, die mehr als 5000 Dollar verdienen, ist seit 2005 von 6 auf mehr als 20 Prozent gestiegen.
Wachstum und Lohnkosten in ausgewählten Asean-Staaten
Branche: Chemie
Umsatz: 36,8 Mrd. Dollar
Wertschöpfung im Land: 21 Mrd. Dollar
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der inländischen Wertschöpfung: 15%
Lohnkosten pro Jahr: 5100 Dollar
Lohnkosten in Deutschland pro Jahr: 80.000 Dollar
Branche: Lebensmittel
Umsatz: 80,8 Mrd. Dollar
Wertschöpfung im Land: 72,3 Mrd. Dollar
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der inländischen Wertschöpfung: 14,7 %
Lohnkosten pro Jahr: 1800 Dollar
Lohnkosten in Deutschland pro Jahr: 31.000 Dollar
Quelle: Cosefa Markatforschung Köln
Branche: Elektronik
Umsatz: 87,7 Mrd. Dollar
Wertschöpfung im Land: 17,3 Mrd. Dollar
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der inländischen Wertschöpfung: 4,7%
Lohnkosten pro Jahr: 9800 Dollar
Lohnkosten in Deutschland pro Jahr: 64.297 Dollar
Branche: Erdölprodukte
Umsatz: 53,8 Mrd. Dollar
Wertschöpfung im Land: 3,3 Mrd. Dollar
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der inländischen Wertschöpfung: 18,1 %
Lohnkosten pro Jahr: 20.000 Dollar
Lohnkosten in Deutschland pro Jahr: 107.800 Dollar
Quelle: Cosefa Markatforschung, Köln
Branche: Chemie
Umsatz: 46,2 Mrd. Dollar
Wertschöpfung im Land: 18,3 Mrd. Dollar
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der inländischen Wertschöpfung: 8,6%
Lohnkosten pro Jahr: 50.000 Dollar
Lohnkosten in Deutschland pro Jahr: 80.000 Dollar
Branche: Elektronik
Umsatz: 68,1 Mrd. Dollar
Wertschöpfung im Land: 17,2 Mrd. Dollar
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der inländischen Wertschöpfung: 3,5 %
Lohnkosten pro Jahr: 44.000 Dollar
Lohnkosten in Deutschland pro Jahr: 64.000 Dollar
Quelle: Cosefa Markatforschung, Köln
Branche: Lebensmittel
Umsatz: 49 Mrd. Dollar
Wertschöpfung im Land: 22 Mrd. Dollar
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der inländischen Wertschöpfung: 6%
Lohnkosten pro Jahr: 3.000 Dollar
Lohnkosten in Deutschland pro Jahr: 31.000 Dollar
Branche: Elektronik
Umsatz: 46 Mrd. Dollar
Wertschöpfung im Land: 17,5 Mrd. Dollar
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der inländischen Wertschöpfung: 7,8 %
Lohnkosten pro Jahr: 3.200 Dollar
Lohnkosten in Deutschland pro Jahr: 64.000 Dollar
Quelle: Cosefa Markatforschung, Köln
Branche: Lebensmittel
Umsatz: 57,9 Mrd. Dollar
Wertschöpfung im Land: 7,7 Mrd. Dollar
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der inländischen Wertschöpfung: 11,4%
Lohnkosten pro Jahr: 3.300 Dollar
Lohnkosten in Deutschland pro Jahr: 31.000 Dollar
Branche: Textil
Umsatz: 21 Mrd. Dollar
Wertschöpfung im Land: 2,9 Mrd. Dollar
Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der inländischen Wertschöpfung: 5,3 %
Lohnkosten pro Jahr: 2.400 Dollar
Lohnkosten in Deutschland pro Jahr: 25.000 Dollar
Quelle: Cosefa Markatforschung, Köln
Es wächst so eine Mittelklasse heran, deren Kaufkraft steigt. Das Land erwirtschaftet Leistungsbilanzüberschüsse, exportiert also mehr Waren und Dienstleistungen, als es importiert, und sitzt auf 74 Milliarden Dollar Währungsreserven. Als Wachstumsbremse gilt die marode Infrastruktur des Landes. Das aber hat der neue Staatspräsident Rodrigo Duterte erkannt. Er will in die Infrastruktur künftig 5,0 statt 3,3 Prozent des BIPs stecken. Spielraum hat er: Staatsschuldenquote (45 Prozent) und Budgetdefizit (2,5 Prozent) erfüllten Maastricht-Kriterien. An anderer Stelle muss Duterte internationale Standards indes noch erreichen. Jüngst sorgten Aufrufe zum Töten von Drogendealern und -abhängigen für Kritik. Duterte („Menschenrechte interessieren mich nicht.“) zeigte kaum Einsicht.