Aufbruch oder Glücksspiel? Die große Bitcoin-Leserdebatte

Revolutioniert der Bitcoin die Finanzwelt – oder droht eine Blase, die die Regulierer bekämpfen müssen? Das Handelsblatt hat die Leser zum Hype um die Kryptowährung befragt. Rund 170 haben geantwortet. Eine Auswahl.

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Bitcoin: Aufbruch oder Glücksspiel? – Die große Leserdebatte

Zukunft

Die Technik hinter dem Bitcoin sehen viele Leser als Katalysator für eine Revolution der Finanzbranche.

Alternative für Hochinflationsländer
Die grundsätzliche Idee und Einführung von innovativen Kryptowährungen ist eine nützliche und hilfreiche Sache, um viele unterschiedliche Bedürfnisse zu befriedigen. Stabile Kryptowährungen können zum Beispiel in Hochinflationsländern als sichere Alternative zu schon bekannten Währungen – wie zum Beispiel zum amerikanischen Dollar und zum Euro – verwendet werden. Der Hauptvorteil gegenüber normalen Währungen liegt in der Fälschungssicherheit. Die Blockchain-Technologie ist bei richtiger Handhabung einfach sicherer als Papiergeld. Gleichwohl wird es in Zukunft auch hier zu Missbräuchen, Diebstählen und Fälschungen kommen. Von den jetzt zahlreichen Kryptowährungen werden nach dem nächsten großen Krypto-Krach nur einige überleben. Diesen wird allerdings die Zukunft offenstehen, so, wie sie damals Microsoft, Amazon, Cisco und anderen Unternehmen, die das Platzen der Dotcom-Blase erfolgreich überlebt haben, offenstand.
Sascha ter Jung

Ein dezentrales und geteiltes Netzwerk
Der Hype um die eine Kryptowährung ist nur der Anfang. Es zeichnet sich eine Revolution der Finanzbranche ab, vor welcher sich die Branche erstmals wirklich fürchten muss! Die Blockchain-Technologie ist das wirklich Spannende dahinter. Eine Regulierung ist schon allein dank der Blockchain nicht möglich, da keine zentrale Instanz die Verwaltung der Währung übernimmt, sondern ein dezentrales, verteiltes und geteiltes Netzwerk.
Philipp Echteler, Neuhausen

Das eindeutig bessere System
Geld ist nichts anderes als ein Zahlungsversprechen. Die Zentralbanken behaupten, für dieses Zahlungsversprechen zu bürgen und es durch ihre Geldpolitik maßgeblich steuern zu können, was bezweifelt werden muss. Bitcoin ist auch nichts anderes als ein Zahlungsversprechen, das jedoch auf andere Weise generiert, oder besser: geschürft statt geschöpft wird. Niemand behauptet für dieses Bitcoin-Zahlungsversprechen zu bürgen, und niemand behauptet, Bitcoins kontrollieren zu können. Es ist das eindeutig ehrlichere System.

Prof. Dr. K. Karst, Bad Dürkheim

Aufbruch in eine neue Zeitrechnung
Staatliche Regulierung führt zu einem Umlenken, aber nicht zu einem Umdenken. Der Bitcoin steht für den Aufbruch in eine neue Zeitrechnung in puncto Wirtschafts- und Finanzsystem – ob wir es wollen oder nicht. Deshalb tun wir gut daran, ihn sich entwickeln zu lassen. Der Markt wird‘s regulieren.
Dirk Wessel, Banker, Münster

Ein neues Finanzsystem entsteht
Ich beschäftige mich seit vier Jahren mit Bitcoin, seit 1,5 Jahren quasi rund um die Uhr. Seit Anfang des Jahres leite ich als Professor das Blockchain Center an der Frankfurt School. Hier in aller Kürze einige meiner Kernergebnisse:
▶ Bei der hinter Bitcoin stehenden Blockchain-Technologie handelt es sich um eine Schlüsseltechnologie der nächsten zehn bis 20 Jahre.
▶ Auch deswegen agieren hier Länder wie China und Russland so proaktiv. Das Thema steht dort an erster Stelle.
▶ In Summe handelt es sich um eine komplett neue Asset-Klasse mit einem Volumen von 600 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Apple erreicht einen Marktwert von 600 Milliarden Dollar, Gold summiert sich auf 7,5 Billionen Dollar und die drei Topkonzerne im Dax kommen auf 300 Milliarden Dollar.
▶ Wir können einem weltweiten neuen Finanzsystem beim Entstehen zusehen.
▶ Letztendlich geht es um die Dematerialisierung von Wert – analog zur Dematerialisierung von Information.
Philipp Sandner, Wirtschaftsforscher, Frankfurt

Ein großer Schritt nach vorn
Bei dem Thema Bitcoin scheiden sich die Geister. Die dahinterstehende Technologie der Zahlungsabwicklung, die Blockchain, wird auf eine Stufe mit der Erfindung des Internets vor 20 Jahren gestellt. Meiner Meinung nach sollte der Fokus auf die Blockchain gelegt werden – und nicht auf den Bitcoin per se. Sollte es möglich sein, diese Technologie in den regulierten Markt zu übernehmen, wäre das in puncto Sicherheit und Betrugsprävention ein ganz großer Schritt nach vorn. Dem Bitcoin an sich stehe ich extremst kritisch gegenüber. Die Warnung der Bundesbank sowie der Bafin sehe ich als den richtigen Weg an. Wer in Bitcoin „investieren“ oder wohl eher spekulieren möchte, kann das natürlich tun, sollte meiner Meinung nach aber nur mit Beträgen agieren, bei denen er/sie einen Totalverlust tragen kann.
Alex Ossenbeck


„Dauernd draufzuhauen ist falsch“

Freiheit

Eine Währung unabhängig von Staaten und Notenbanken? Für viele ein reizvoller Gedanke.

Entmachtung der Zentralbanken
Der Bitcoin ist derzeit die weltweit spannendste Geschichte überhaupt, weil er auf Dauer Zentralbanken und Banken schleichend entmachtet, und weil er den jeweiligen Staaten ein lukratives Einkommen streitig macht. Dieser Sachverhalt erklärt auch, warum seitens vieler Banken und Zentralbanken sowie natürlich auch seitens der Staaten gegen den Bitcoin immer wieder polemisiert wird.
Klaus Hoffesommer, Lichtenfels

Nicht gleich nach der Politik rufen
Lasst uns doch spekulieren. Frei nach dem Motte „no risk no fun“. Aber jetzt dauernd draufzuhauen und gleich wieder nach der Politik zu rufen, ist falsch. Die Politik soll sich um die wichtigen Dinge kümmern, den Industriestandort Deutschland.
Andreas Schultz

Keine Stammtischparolen bitte
Um so viel zu verlieren, wie weiland die von allen Experten empfohlene Volksaktie Telekom zu Zeiten des neuen Marktes, müsste der Bitcoin auf 1000 Euro fallen. Also liebe Experten, keine Stammtischparolen verbreiten.
Manfred Regenauer

Aggressive Abwehrreaktion der Banken
Ungeachtet des derzeit sehr spekulativen Charakters der Kryptowährungen liegt der Reiz aus meiner Sicht in der Unabhängigkeit von Staat und Notenbanken. Daher resultieren auch die teilweise aggressiven Abwehrreaktionen, zum Beispiel von JP-Morgan-CEO Jamie Dimon. Eine Ursache der Finanzkrise ist die in den Händen der Banken liegende Geldschöpfung. Diese könnte durch die Kryptowährungen beeinträchtigt werden. Zudem handelt es sich um einen Angriff auf das Geldmonopol der Notenbanken. Wer kann sicher beurteilen, ob der Preisanstieg des Bitcoins in den vergangenen Monaten nicht einen Indikator für eine bevorstehende Verschärfung der immer noch andauernden Finanzkrise darstellt?
Stefan Ehl

Die Draghis dieser Welt zerstören die Zinsen
Selbst wenn man den Bitcoin regulieren wollte: Es würde nicht funktionieren, solange es einen einzigen Internet-PC in einem freien Land gäbe, in dem der Bitcoin noch unreguliert ist. Jeder, der einen Internetanschluss hat, kann den Bitcoin unreguliert verwenden, egal was seine Regierung dazu sagt. Durch die technisch bedingte Anonymität der Konten drohen auch keine Konsequenzen. Und es ist gut so: Mögen uns die Draghis dieser Welt die Sparzinsen zerstören und das Bargeld wegnehmen, hier tut sich eine Geldalternative auf, die nicht von Zentralbanken nach Belieben inflationiert und reglementiert werden kann. Und das ist der wahre Grund für die Wert-Explosion. Ich habe übrigens selbst keine Bitcoins mehr, nach dem Kauf Ende 2012 für zehn Euro habe ich im Juni 2016 alles verkauft zu knapp 800 Euro. Ich bereue nichts, es war ein gutes Geschäft.
Alexander Müller, Bundestagsabgeordneter (FDP), Berlin


„Massiv überbewertet“

Blase

Eine Glücksspiel-Teilnahme ist sicherer als ein Investment in eine Kryptowährung, meinen die Skeptiker.

Ein gefährlicher Besuch im Spielcasino
Wir haben auf unserem Trading-Floor immer Trainees, meistens in der Endphase ihrer Masterstudiengänge, das heißt junge und hochmotivierte Menschen mit hervorragender Ausbildung. Unser Trainee am Tisch hat Anfang des Jahres Bitcoins gekauft, einfach mit der Begründung, dass die „Party gerade erst losgehen würde“ und da „sowieso keiner (inklusive uns, der „erfahrenen Aktien-Experten“) daran wirklich glaubt“. Das heißt in unserer Sprache, es gibt ein „attraktives Chancen-Risiko-Profil“ mit wenig „Downside“, aber viel „Upside“… Wie recht unser Trainee doch hatte, auch wenn weder Sie noch wir diese Argumente jemals wirklich ernsthaft hätten verwenden können. Damit komme ich genau auf das Dilemma zu sprechen.
Eine faire „Bewertung“ von Bitcoins ist de facto unmöglich, somit ist ein „Investment“ aus meiner Sicht vergleichbar mit dem Roulettespiel im Kasino. Die hinter Bitcoins stehende Technologie, Blockchain, begeistert mich sehr und erscheint sehr vielversprechend. Bitcoins hingegen erscheinen mir als ein „spät-zyklisches Bullen-Markt-Phänomen“ und sind der wahrscheinlich stärkste „Momentum-Trade“, den es zurzeit in der Investment-Community gibt. Sollte es zu einer Marktkorrektur kommen, wäre ich nicht überrascht wenn die Volatilität in Bitcoins erheblich ansteigen würde.
Tobias Lütke, Aktienhändler

Massiv überbewertetes Spekulationsobjekt
Ich halte den Bitcoin für massiv überbewertet und für ein reines Spekulationsobjekt. Wer hätte ernsthaftes Interesse daran, mit Bitcoin einkaufen zu gehen, wenn ich die Leistung nächste Woche für den halben Preis bekomme. Würden wir solche Tendenzen bei einer regulären Währung feststellen, sprächen wir von einer massiven Deflation. Bitcoins taugen nicht als klassische Währung aufgrund fehlender Regulierungen. Nur mal angenommen, wir bekämen eine ähnliche Krise wie 2008/2009 — der Bitcoin wäre innerhalb kürzester Zeit vom Markt. Warum? Weil nichts dahintersteckt.
Niko Janke, Tübingen

Eine neue Variante des Turbokapitalismus
Es gab schon vor Lehman Brothers mehrere spektakuläre Pleiten – dennoch wäre Lehman eine Topchance gewesen, die völlig ausufernden Finanz- und Spekulationsmärkte wieder etwas unter Kontrolle zu bekommen. So wird weiter „Turbokapitalismus“ gespielt – Bitcoin ist nur eine neue Variante.
Bernhard Hall

Anleger als Opfer der eigenen Gier
Seit der Wert des Bitcoins explodiert ist, bekomme ich keine Mails mehr, die mir weismachen, ich müsste nur eine Geldtransaktion abwickeln und bekäme dafür 40 Prozent der Summe von soundsovielen Millionen Dollar. Die Mails lauten jetzt: Werden Sie schnell reich mit Bitcoins. Bitcoin hat seine ursprüngliche Funktion (die des nicht manipulierbaren Zahlungsmittels) nie erreicht und ist statt Zahlungsmittel nur noch Spekulationsobjekt. Wer sein Spielgeld dort zum Spaß investiert – kein Problem. Leider werden viele Verbraucher ohne Rücklagen und ohne eigene Expertise verleitet. Als Vermittler von Versicherungen und Finanzanlagen kenne ich die Kapriolen, die der Gesetzgeber zum Schutz der Verbraucher schlägt, recht gut. Und ausgerechnet hier lässt man ihn Opfer seiner Gier werden. Manche werden sagen „selbst schuld“ – aber mit dieser Einstellung ist Verbraucherschutz per se überflüssig. Der Bitcoin ist ein Auswuchs der Digitalisierung, deren gute Idee aber schon lange von anderen Akteuren gefressen wurde.
Oliver Henkel, Finanzberater, Bonn

Ein Hype, den keiner wirklich versteht
Zurzeit handelt es sich bei Bitcoin um ein staatlich sanktioniertes, zumindest aber nicht geregeltes Glücksspiel, um einen Hype, den keiner versteht.
Bernhard Pachmayr


„Energieverbrauch macht Bitcoin-Netzwerk unbrauchbar“

Konstruktionsfehler

Kritiker fürchten, dass der Aufbau des Bitcoin-Netzwerks von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.

Ein illegales und asoziales System
Ein System, welches sich so fernab aller Regeln bewegt, die sich die Staatengemeinschaft gegeben hat, und auch die Einnahmequellen dieser Staaten umgeht und sich der Steuerzahlung entzieht, ist per se illegal und asozial. Es jetzt durch zusätzliche Finanzprodukte in die Legalität zu überführen, anstatt es zu entlarven und zu bekämpfen, ist ein Armutszeugnis.
Sonja Arens, Berlin

Die Debatte über den Energieverbrauch fehlt
Das Bitcoin-Netzwerk verbraucht aufgrund der dahinterstehenden Blockchain-Technologie exorbitant viel Strom. Der Verbrauch entspricht momentan dem von Bulgarien. Ich vermisse eine Debatte über diesen Fakt. Denn wie kann man in der heutigen Zeit von Klimaschutz sprechen und gleichzeitig ignorieren, wie viel Energie einzig und allein die menschliche Gier derzeit verschlingt? Aus meiner Sicht macht allein schon der Energieverbrauch das Bitcoin-Netzwerk für die Zukunft unbrauchbar.
Steffen Hoffmeister, Frankfurt

Hinter der Kryptowährung stehen keine greifbaren Werte
Wenn man über das Phänomen Bitcoin diskutiert, sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:
▶ Die Autorität, die Bitcoins ausgibt, ist nicht definiert und kann nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
▶ Der Wert von Bitcoins ist nicht durch greifbare oder tauschbare Güter abgesichert.
▶ Die Tatsache, dass mit Bitcoins anonyme Transaktionen möglich sind, nutzt vor allem jenen, die illegale Aktivitäten planen.
▶ Dank seiner flüchtigen Natur können Bitcoins von Regierungen nicht als Basis für die Besteuerung verwendet werden. Dabei versorgt der Staat seine Bürger mit echten Leistungen wie Straßen, Bildung und öffentlicher Sicherheit.
▶ Der Markt hat bequemerweise vergessen, dass 2014 eine Bitcoin-Börse in Tokio Insolvenz anmelden musste, nachdem 850 000 Bitcoins im irrsinnigen Rennen um kurzfristige Gewinne einfach verschwanden.
Deshalb werden Bitcoins nie den Status einer Währung erreichen. Im besten Fall handelt es sich um eine Art Rohstoff, dessen Wert pure Glaubenssache ist. Im schlimmsten Fall haben wir es mit einem Rezept für Betrug und Destabilisierung zu tun, das direkt aus dem Kochbuch des Anarchismus stammt.
Jeffery Bodkin

Die Verschlüsselung ist vergänglich
Das Kernproblem der Kryptowährung liegt vermutlich gerade in der Vergänglichkeit ihrer Verschlüsselung. Heute gilt es als unmöglich, den Algorithmus mit den zur Verfügung stehenden Techniken zu knacken. Aber wenn es doch gelingt, ist die Währung wertlos. Die erste Mondlandung haben wir noch mit einem Herz Rechnerleistung absolviert, moderne Notebooks arbeiten mit 1,7 GHz. Den Algorithmus kann man nicht mehr ändern, während der Anreiz, ihn zu knacken, jeden Tag größer wird.
Stefan Meudt, Bad Nauheim

Digitale Währung für Kriminelle im Darknet
Kriminelle Aktivitäten im Darknet werden über Bitcoins abgewickelt. Das reicht an und für sich schon als Argument, einen Riegel vor alle Kryptowährungen zu schieben. Die absurde Kursentwicklung ist der nächste Punkt. „Blasen“ hatten wir in der Vergangenheit in allen möglichen Bereichen – nach dem großen Breakdown blieben viele geprellte Anleger zurück.
Christine Weininger

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