Aufruhr im Zentrum der Krypto-Welt Japanische Finanzaufsicht bestraft sieben Bitcoin-Börsen

Japan gilt als Vorreiter der Krypto-Regulierung. Jetzt geht die Aufsicht scharf gegen sieben Börsen vor. Die Kurse brechen ein.

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Der Chef der Krypto-Börse – bei der heutigen Konferenz in japanischer Büßer-Pose – denkt offen über seinen Rücktritt nach. Quelle: Bloomberg

Tokio In Japan, einem der Zentren der Krypto-Welt, machen die Regulierer ernst – und die Bitcoin-Enthusiasten horchen auf. Seitdem der Bitcoin am Mittwoch mit 1000 Dollar ein knappes Zehntel seines Wertes verlor, müht er sich an der wichtigen 10.000-Dollar-Marke ab – vergeblich.

Das resolute Vorgehen der FSA, der japanischen Finanzaufsicht, beeindruckt die Krypto-Anleger. Denn die Vorreiterin in der Regulierung von Bitcoin & Co. erhöht nach dem größten virtuellen Währungsraub der Geschichte den Druck auf die heimischen Währungsbörsen – mit Strahlkraft für die gesamte Szene.

Am Donnerstag bestrafte die FSA sieben Börsen, darunter das Opfer des Raubs: Coincheck. Fünf Börsen müssen ihre internen Kontrollen und Handelssysteme verbessern, um unter anderem Einlagen besser zu schützen und Geldwäsche sowie Terrorfinanzierung zu verhindern. Die Geschäfte der japanischen Börsen Bitstation und FSHO werden sogar für einen Monat offline gehen.

Damit wendet die FSA erstmals flächendeckend ihren neuen Regelungswillen gegen die wild wachsenden Börsen an. Nach der Pleite der einst größten Bitcoin-Börse Mt. Gox hat Japan als erster Staat die neuen Handelsplätze reglementiert. Damit wollte die Regierung Rechtssicherheit schaffen und eine Innovationswelle im Fintech-Sektor auslösen. Daher müssen sich Börsen bereits seit 2017 in Japan registrieren.

16 Handelsplätze haben es schon geschafft, 16 hingen bisher noch im Genehmigungsverfahren fest. Doch hat die FSA bei ihren Überprüfungen weitgehend auf die Selbstregulierung der Börsen vertraut und auf Vor-Ort-Inspektionen verzichtet. Ihre Laisser-faire-Politik ließ sie erst fallen, nachdem Hacker Anfang des Jahres bei Coincheck Konten der Währung Nem um umgerechnet 430 Millionen Euro erleichterten.

Seither ist die FSA Stammgast in den Handelsplätzen und untersucht genauer, wie professionell die jungen Startups vorgehen. Diese Vorortinspektionen dürften nun die Regel werden, deutete Finanzminister Taro Aso bereits im Februar an. „Es ist extrem wichtig für virtuelle Währungshändler, wirksame interne Kontrollen inklusive dem Management von IT-Systemrisiken, um die Kunden zu schützen,“ erklärte der Minister.

Man müsse weiterhin versuchen, die Kunden durch Inspektionen und andere Maßnahmen zu schützen.

Neben politischem Druck dürften ihre Befunde der FSA zusätzlichen Anreiz geben, in Zukunft die Augen offen zu halten. Denn gerade bei den noch nicht registrierten Börsen wie Coincheck hinkt die Wirklichkeit hinter den Systemen hinterher. Nur bei zwei der sieben Sünder handelt es sich um bereits registrierte Börsen, bei Tech Bureau und GMO Coin.

Doch gerade der Fall GMO Coin unterstreicht, dass die Probleme weit verbreitet sind und selbst vor bekannten, vermeintlich vertrauenswürdigen Namen nicht halt macht. Immerhin ist die Börse Teil des angesehenen Unternehmens GMO Internet. Und diese Holding ist nicht nur an der ersten Sektion der Tokioter Börse geführt, sondern wurde sogar mit einem Platz im JPX-Nikkei-400-Index als besonders aktionärsfreundlich geadelt.

In diesen Index werden nur Werte aufgenommen, die globale Investmentstandards erfüllen. Viele japanische Pensionsfonds investieren daher zuerst in die Firmen. Folgerichtig brach der Aktienkurs von GMO Internet nach der Ermahnung durch die FSA auch gleich um 4,5 Prozent auf 1953 Yen ein.

Die Holding bemühte sich prompt um Schadensbegrenzung und nahm sich gleich selbst in die Pflicht. Die Firma und GMO Coin nehme sich die Strafe zu Herzen und werde das Risikomanagementsystem verbessern, teilte die Holding in einer Presseerklärung mit. „Wir werden alles unternehmen, um das Vertrauen wiederherzustellen.“

Das der FSA selbst ein illustrer Name ins Netz ging, unterstreicht ein Problem der jungen Branche: das rasante Wachstum der virtuellen Währungen wie der Börsen. Da der Aufbau einer Börse billiger ist als der einer schwer regulierten Bank, tummeln sich viele Startups in dem lukrativen Markt.


Japan gibt einen Vorgeschmack auf die Zukunft der Krypto-Börsen

„Doch viele unterschätzten die Sicherheitsaspekte“, sagt Thomas Glucksmann, der das Asiengeschäft der Hongkonger Börse Gatecoin leitet. Glucksmann weiß aus eigener leidvoller Erfahrung, woran viele Rivalen leiden. Er hat seine Karriere bei Mt. Gox begonnen und sowohl zu schnelles Wachstum als auch Hackerangriffe miterlebt.

Tatsächlich seien Börsen sehr schwierig zu betreiben, ist sein Fazit. Denn die Firmen wüchsen rasant und müssten gleichzeitig eine Compliance, Kundendienst, Medienarbeit aufbauen und die Aufseher zufriedenstellen.

Coincheck beispielsweise hat bei dieser Hetzjagd nach Gewinn und Kundengunst bei der Sicherheit geschlurrt. Die Konten wichtigerer virtueller Währungen wurden wie von der Firma versprochen in so genannten „cold wallets“ gespeichert, also ohne Verbindung zum Internet.

Doch die geraubten Nems wurden in „hot wallets“ aufgehoben, also in konstant mit dem Internet verbundenen Börsen aufgehoben. Daher waren sie eine leichte Beute für Hacker. Nach dem Raub entschuldigte sich das Management dann auch mit Personalmangel.

Nun kämpft das Unternehmen nicht nur ums Überleben, sondern auch um das Vertrauen der Kunden. Gleich nach dem Raub hatte es den Opfern Entschädigung versprochen. Am Donnerstag kündigte Coincheck nun unter anderem an, bis Ende kommende Woche die Raubopfer zu entschädigen. Insgesamt will die Börse 46,6 Milliarden Yen (rund 350 Millionen Euro) aus seinem Kapital in den betroffenen Konten deponieren.

Darüber hinaus stellte die Börse vor, wie sie ihre Systeme verbessern will. Eine wichtige Maßnahme ist die Berufung eines unabhängigen Systemsicherheitsmanagers, der direkt dem Vorstand unterstellt ist. Zudem wird für ihn eine eigene Abteilung aufgebaut, die neue Sicherheitsstandards entwickeln, deren Umsetzung überwachen und das Personal schulen soll.

Auch die Firmenführung zieht langsam persönlich Konsequenzen aus der Kritik an ihrem Management vor, während und nach der Krise. Coincheck-Chef Koichiro Wada will nun auch über einen Rücktritt nachdenken, um für den Raub Verantwortung zu übernehmen. Nach japanischen Verständnis ist dieser Schritt schon lange überfällig.

Ob diese Maßnahmen reichen, um die lukrative Registrierung doch noch zu ergattern, wird sich zeigen. Die abgemahnte Börse hat bis zum 22. März Zeit, der FSA über ihre Verbesserungsarbeiten zu berichten. Nur eines ist schon jetzt klar: Für einige Börsen sind die Kosten härterer Regulierung zu hoch.

Die zeitweise geschlossene Börse Bitstation hat ihren Antrag auf eine Registrierung bereits zurückgezogen. Doch mit Bitexpress und Raimu gaben auch zwei Handelsplätze auf, die am Donnerstag nicht bestraft worden waren. Sie müssen nun die Gelder und Kryptowährungen an die Kunden zurückzahlen und dann schließen. Damit lebt Japan der Finanzwelt nicht nur den Trend zu mehr Regulierung der virtuellen Währungsbörsen vor, sondern auch zu einer Konsolidierung der fragmentierten Börsenbranche.

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