Schon am ersten Februar hat die erfreulichste Jahreszeit für Aktionäre begonnen: die Dividendensaison. Siemens macht unter den deutschen Dax-Unternehmen traditionell den Anfang, in zwei Wochen folgt die ehemalige Tochter Infineon, danach geht es erst Ende März mit Daimler so richtig los. Aber Siemens hat eine aus Aktionärssicht sehr erfreuliche Saisoneröffnung hingelegt: 3,60 Euro Dividende je Aktie. Das sind drei Prozent mehr als vor einem Jahr und gemessen am aktuellen Kurs eine Dividendenrendite von fast 3,9 Prozent.
Das dürfte erst der Anfang sein: Die meisten Analysten erwarten für 2017 einen neuen Ausschüttungsrekord bei den Dax-Aktien, in Summe rund 31 Milliarden Euro. Bei 21 der 30 Dax-Titel wird eine Dividendenerhöhung erwartet, gemessen am Kursniveau läge die durchschnittliche Dividendenrendite bei drei Prozent. Zusammen mit den mittelgroßen Aktien aus dem MDax könnte die Dividendensumme sogar auf mehr als 40 Milliarden Euro steigen.
Dividenden bieten mehr Sicherheit
Dividendenstarke Aktien sind aus den Anlagestrategien der Profi- und Privatanleger seit Jahren nicht wegzudenken. Dank Finanz- und Schuldenkrise sind weltweit die Zinsen auf risikolose Geldanlagen historisch niedrig oder gar nahe Null. Zwar läuft es an den Börsen seit langem gut, aber die Märkte reagieren höchst nervös auf neue Krisenherde, US-Präsidenten-Tweets, Zinsentscheidungen der Notenbanken und vieles mehr. Aktienkurse schwanken dann stark, das heißt, die Volatilität ist hoch. Dividenden versprechen Anlegern in solchen Zeiten relativ stabile Gewinne, die vorübergehende Kursverluste leichter erträglich machen - und durchaus als Basis für die Portfoliorendite geeignet sind.
Wer sich weltweit auf die Suche nach dividendenstarken Titeln macht, kann sogar noch mehr rausholen. Allianz Global Investors (AllianzGI), die Vermögensverwaltungstochter der Allianz-Versicherungsgruppe mit einem verwalteten Vermögen von 481 Milliarden Euro, hat die Entwicklung der globalen Dividendenzahlungen genauer unter die Lupe genommen. Dort erwarten die Experten für ganz Europa Ausschüttungen an die Aktionäre im Gesamtvolumen von 315 Milliarden Euro - nochmals 13 Milliarden Euro mehr als im Rekordjahr 2016. Hinzu kommt, dass die Dividendenrendite in anderen Ländern durchaus den deutschen Aktienmarkt übertrumpfen kann.
Südeuropa mit höheren Renditen
Ein Ergebnis der Studie: Die höchsten durchschnittlichen Dividendenrenditen erzielen Anleger derzeit in den europäischen Südländern Spanien (etwa fünf Prozent) sowie Portugal und Italien mit jeweils mehr als vier Prozent. Russland, Norwegen, Australien und Neuseeland liegen nur knapp dahinter. Deutschland landet in diesem Vergleich erst auf Platz 20, die USA auf Platz 28.
Das ist allerdings nur eine Momentaufnahme vom Jahresende 2016. Ändern sich die Bewertungen der Aktien, ändert sich auch die daran gemessene Dividendenrendite. Anleger, die auf die Dividendenrendite schauen, müssen sie aber ohnehin an ihrem Kaufkurs der jeweiligen Aktie bemessen. Und was die durchschnittliche Dividendenrendite anbelangt, sollten sie eher lange Betrachtungszeiträume heranziehen.
Schwache Börsen, hohe Dividenden
Jörg de Vries-Hippen, Chief Investment Officer bei AllianzGI, ist überzeugt, dass Dividendenpapiere auch 2017 eine wichtige Anlagealternative bleiben. "Auch wenn die Zinsen in absehbarer Zeit ihr Rekordtief durchschreiten dürften, werden sie sich noch lange nicht auf einem Renditeniveau wie traditionelle Dividendentitel bewegen." Anders ausgedrückt: Bis die Zinsen für festverzinsliche, risikolose Geldanlagen das Niveau der Dividenden wieder überschreiten, wird es wahrscheinlich noch Jahre dauern.
Die vergleichsweise hohen Dividendenrenditen in den Euro-Peripheriestaaten Spanien, Portugal und Italien erklärt Hans-Jörg Naumer, Autor der AllianzGI-Studie, mit den Nachwirkungen der Schuldenkrise. Damals stiegen die Zinsen auf Staatsanleihen dieser Länder rasant. „Während die Anleiherenditen dieser hochverschuldeten Staaten relativ schnell wieder auf niedrigere Niveaus gesunken sind – insbesondere aufgrund der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank -, haben sich die Aktienmärkte dieser Länder noch nicht komplett vom damaligen Schock erholt.“
Weil die Aktien dort nach wie vor niedrig bewertet sind, sei die Dividendenrendite in diesen Ländern entsprechend höher. „Anleger dürfen aber nicht übersehen, dass sie auch eine Risikoprämie enthalten. Die Wirtschaft in diesen Staaten hat sich noch immer nicht vollständig erholt, auch wenn sie auf einem guten Weg ist“, so Naumer.
Dividendentitel aus den USA
Da aber gerade der amerikanische Aktienmarkt boomt und der Industriewerte-Leitindex Dow Jones jüngst mit Überschreiten der 20.000-Punkte-Schwelle ein neues Allzeithoch markiert hat, könnten Anleger auch auf die Idee kommen, an der Wall Street auf Dividendenjagd zu gehen.
Die Voraussetzungen sind gut: Die US-Konjunktur dürfte durch den Regierungswechsel einen Schub erhalten und die Unternehmen sitzen auf enormen Cash-Beständen. Zudem normalisieren sich die Zinsen dort, wenn auch nur sehr langsam, und dürften perspektivisch zu steigender Inflation und damit auch steigenden Aktienkursen beitragen. Die Rentenmärkte werden sich im Gegenzug durch sinkende Kurse und steigende Renditen abschwächen und sind für die Investoren somit immer weniger eine Alternative zur Aktienanlage. Auch mit Steuersenkungen und einer Erholung im Energiesektor ist in den USA zu rechnen. Das alles könnte zu höheren Unternehmensgewinnen und damit auch zu höheren Ausschüttungen führen.
Gegen steigende Dividenden in den USA sprechen hingegen der Margendruck durch höhere Lohnstückkosten und die absehbare Aufwertung des US-Dollar. Vor allem aber die gänzlich andere Aktienkultur, die bei hohen Unternehmensgewinnen eher auf Aktienrückkaufprogramme zur Kurssteigerung setzt und weniger auf Dividenden, dürfte deutlich steigende Dividendenrenditen verhindern. Ähnlich wie in Asien liegt die durchschnittliche Ausschüttungsquote der US-Unternehmen im Verhältnis zu den Gewinnen je Aktie bei zirka 50 Prozent. In Europa sind es hingegen 80 Prozent.
Europas Dividenden oder Kursgewinne in USA
Spielraum für höhere Ausschüttungen an der Wall Street wäre also da. Dividendenexperte Naumer glaubt aber nicht an einen radikalen Schwenk der amerikanischen Unternehmen hin zu höheren Ausschüttungsquoten. „Die Neigung der US-Unternehmen, mehr von ihren Gewinnen in die Dividenden fließen zu lassen, ist in den vergangenen Jahren gestiegen", sagt Naumer. "Dividendenanleger sollten aber wissen, dass der US-Aktienmarkt auch deutlich höher bewertet, so dass die Dividendenrenditen im S&P 500 gerade einmal knapp über zwei Prozent liegen. In Europa beträgt die durchschnittliche Dividendenrendite hingegen 3,5 Prozent.“ Für Anleger, die vorrangig auf die Dividenden schauen, liegen europäische Aktien somit wohl auch in Zukunft vor US-Titeln.
Unter US-Anlegern ändert sich aber langsam die Kultur. Sie streben immer mehr nach Kapitaleinkommen, also Dividenden, und weniger nach Kursgewinnen. „Viele Anleger merken, dass sie sich mit dividendenstarken Titeln auch mehr Stabilität ins Depot holen. Mit Dividendenaktien kaufen sie auch eine geringere Volatilität. Das hängt damit zusammen, dass die Firmen eine stetige Dividendenpolitik anstreben“, sagt Naumer von AllianzGI.
Tatsächlich kommt die Studie bei Betrachtung langer Zeitreihen seit den Siebziger- (USA) und Neunzigerjahren (Europa) zu dem Ergebnis, dass dividendenstarke Aktien weit weniger stark schwanken als Aktien ohne Dividendenrendite. Die möglichen Gründe dafür sind:
Die Dividendenpolitik ist aktiver Bestandteil der Unternehmensstrategie, weil von ihr große Signalwirkung ausgeht. Kontinuität ist Aktionären wichtig.
Wegen ihrer Signalwirkung schwanken die Unternehmensgewinne weit mehr als die Dividenden. Die Unternehmen disziplinieren sich durch hohe Ausschüttungen. Aktienrückkaufprogramme entfalten hingegen kaum Signalwirkung und haben diesen disziplinierenden Effekt nicht.
Unternehmen mit hoher Dividendenrendite haben meist gesunde Bilanzen mit viel Eigenkapital und stabilen Cashflows.
Auch wenn einige prominente Unternehmen wie Apple erst vor einigen Jahren damit begonnen haben, Dividenden auszuschütten, gilt es dennoch als unwahrscheinlich, dass US-Unternehmen auf breiter Front zum europäischen Dividendenniveau aufschließen. Historisch betrachtet haben sich die amerikanischen Aktienmärkte mit einer jährlichen Durchschnittsrendite von 10,35 Prozent ein klein wenig besser entwickelt als die europäischen mit 10,21 Prozent.
Beim Vergleich der Gesamtperformance von Aktien in den europäischen Ländern, Nordamerika und der Pazifikstaaten wird der Beitrag der Dividenden an den steigenden Aktienkursen deutlich. Bei Untersuchung der Kursentwicklung am Aktienmarkt entfallen zwischen 1971 bis Ende 2016 in Europa 38 Prozent der durchschnittlichen jährlichen Kurssteigerung auf die ausgeschütteten Dividenden. In Nordamerika liegt deren Anteil nur bei knapp 32 Prozent, im Pazifikraum sind es knapp 29 Prozent. Unter dem Strich ist die Dividendenpolitik in Europa also noch mit deutlichen Abstand aktionärsfreundlicher als in den USA oder Asien. Amerika überzeugt hingegen durch höhere Kursgewinne.
Wer auf europäische Dividendentitel setzt, holt sich also gleich eine Reihe von Vorteilen ins Depot. Wer die Auswahl nicht einem Profi überlassen will, sollte seine Dividendenaktien jedoch mit Sorgfalt wählen. Unternehmen die ins Trudeln geraten, können trotz jahrzehntealter Dividendentradition plötzlich gezwungen sein, die Dividende zu streichen, wie etwa die Deutsche Bank im vorigen Jahr. Andere Unternehmen in dieser Lage könnten versucht sein, die Dividende aus der Substanz zu zahlen, indem sie Eigenkapital aufzehren. Wer es aber schafft, die wahren Perlen herauszusuchen, solche Aktien lange hält und seinen Bestand schrittweise aufbaut, kann sich mit den Jahren eine solide Einkommensquelle erschließen. Anleger dürfen sich auf die bevorstehende Dividendensaison freuen.