Der Autozulieferer Hella hat jetzt offiziell verkündet, worüber schon seit dem Frühjahr immer mal wieder gerüchteweise spekuliert wurde: Er geht an die Börse – aber wie von einem traditionsreichen Familienunternehmen aus Ostwestfalen-Lippe nicht anders zu erwarten ganz vorsichtig: In zwei Schritten werden gerade mal 15 Prozent des bisher als Kommanditgesellschaft auf Aktien geführten Unternehmens an die Börse gebracht und das auch nur an einige handverlesene institutionelle Investoren. Damit wird sichergestellt, dass die Familie Hueck weiter die Zügel in der Hand behält.
Ähnlich wie beim Essener Chemiekonzern Evonik kommen zunächst nur zehn, in einem zweiten Schritt in der kommenden Woche dann weitere fünf Prozent der Aktien an den Markt. Private Anleger und kleinere Vermögensverwalter haben allerdings keinen Zutritt zu dieser exklusiven Veranstaltung: Die erste Tranche, rund 11,1 Millionen Aktien, hat Hella bereits ohne Mitwirkung der Börse in den vergangenen Tagen bei ausgewählten institutionellen Anlegern und Family Offices (das sind die Vermögensmanager besonders reicher Privatkunden) platziert.
Das im Börsianer-Fachjargon als „private Placement“ bezeichnete Vorgehen hat aus Sicht des Unternehmens und der den Börsengang begleitenden Banken den Charme, dass hinter den Kulissen in Ruhe ein Preis für die neuen Aktien ausgehandelt werden kann, ohne dass ständig Wasserstandsmeldungen dazu in die Öffentlichkeit gelangen, die dann wiederum Auswirkungen auf die Preisbildung haben.
Diese erste Tranche sind ausschließlich neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung, dem Lippstädter Unternehmen fließen dadurch netto knapp 280 Millionen Euro zu. Auch die zweite Tranche in der kommenden Woche geht ausschließlich an Profianleger, allerdings wird es dabei ein klassisches Bookbuilding-Verfahren geben: Wie bei Öffentlichen Börsen üblich, wird von den Banken zunächst eine Preisspanne festgesetzt, die sogenannte Bookbuilding-Spanne, bei Hella liegt sie nun bei 25,00 bis 28,00 Euro.
Am unteren Ende der Spanne nimmt das Unternehmen gerade noch so viel ein, wie es sich aus dem Schritt an den Kapitalmarkt erhofft. Ist das Interesse an den neuen Aktien dagegen sehr hoch, sind die Emissionserlöse entsprechend höher. Am 11. November sollen die Hella Aktien zum ersten Mal in Frankfurt im Qualitätssegment Prime Standard unter der Wertpapierkennnummer (ISIN) DE000A135SX22 gehandelt werden.
Unsicheres Marktumfeld
Das zögerliche Vorgehen des Herstellers von Autobeleuchtungstechnik und Elektronikkomponenten ist eine Reaktion auf das derzeit unsichere Marktumfeld, passt aber auch zur Tradition und Kultur des Familienunternehmens. Zwar stammen die rund 5, 75 Millionen Aktien, die in der zweiten Tranche an die Börse gehen, aus den Beständen der Familie Hueck, die bisher alle Hella-Aktien hält. Die will aber auch in Zukunft die Fäden in der Hand behalten.
Das wird zum einen durch die Rechtsform der KGaA erreicht, die erhalten bleiben soll. Zum anderen haben sich die Familienmitglieder im Rahmen eines Pooling-Vertrages verpflichtet, mindestens 60 Prozent der Hella-Aktien bis ins Jahr 2024 oder länger zu behalten. „Hella war, ist und bleibt ein Familienunternehmen, zumindest für die kommenden zehn Jahre“, sagt Rolf Breidenbach, der Vorsitzende der Geschäftsführung.
Hella ist gut aufgestellt
Auch das Risiko eines Kursrutsches wird dadurch minimiert: Der könnte ansonsten durch ein plötzlich auf den Markt geworfenes Paket von Hella-Aktien verursacht werden, wenn ein Familienmitglied aus welchem Grund auch immer plötzlich Kasse machen will.
Mittelfristig will Hella aber in den Auswahlindex MDax aufsteigen, hat Breidenbach angekündigt. Eine Dividende ist künftigen Hella-Aktionären so gut wie sicher: 30 Prozent des Nettogewinnes sollen jedes Jahr ausgeschüttet werden, derzeit wären das knapp 70 Millionen Euro, die sich auf 116 Millionen Aktien verteilten. Bei einem angenommenen Kurs von 25 Euro entspräche das einer Rendite von 2,4 Prozent.
Dank der guten Aufstellung des Autozulieferers könnte die zukünftige Dividende aber auch höher ausfallen. Hella zählt mit einem Umsatz von zuletzt 5,3 Milliarden Euro und einer Rendite von 7,4 Prozent zu den Top-Zulieferern der Autoindustrie und ist in den vergangenen Jahren im Schnitt um über sechs Prozent gewachsen, seit dem Geschäftsjahr 2008/2009 sogar um mehr als zehn Prozent. Erreicht wird das hohe Wachstum durch die strategische Entscheidung, nur solche Märkte zu beliefern, in denen Hella mindestens Platz 3 belegt.
Zu Hellas deutschen Großkunden zählen vor allem Premiumhersteller, deren weltweite Geschäfte glänzend laufen. International ist das Unternehmen ebenfalls gut aufgestellt. Durch den Aufbau eines weltweiten Netzwerks von Kooperationen und Joint-Venture-Partnern in den vergangenen zehn Jahren, konnte Hella etwa neue Kunden in Korea akquirieren, obwohl der Markt in dem asiatischen Land als schwer zugänglich gilt. Das Netzwerk steht insgesamt für einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro, eine Milliarde davon entfallen anteilig auf Hella. Mit den beim Teil-Börsengang erlösten Finanzmitteln soll das Netz der Partner weiter ausgebaut werden, hat Hella-Chef Breidenbach angekündigt.
Und noch etwas zeichnet das Lippstädter Unternehmen aus, was viele andere Autozulieferer bisher erst anstreben: eine vergleichsweise geringe Abhängigkeit von der Autokonjunktur. Zwar entfällt der mit 3, 9 Milliarden Euro größte Batzen des Geschäfts auf die Umsätze mit den großen Autobauern. Reichlich ein Viertel der Erlöse stammen aber aus dem sogenannten Aftermarket-Bereich, also vor allem aus Ersatzteillieferungen für freie Werkstätten und Teilehändler, und aus dem Unternehmensbereich Special Applications. Der produziert zum Beispiel Beleuchtungen für Straßen, Flughäfen, Bahnhöfe und Stadien.
Die Stärkung der Bereiche abseits des Geschäfts mit den Autokonzernen hat sich bei Hella bewährt: In der Finanzkrise 2008/2009 war der Zulieferer aus Lippstadt das einzige Unternehmen der Branche, das keine roten Zahlen schreiben musste.