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Bank of England Monetärer Overkill

Mit der Berufung von Mark Carney zum Chef der Bank of England ist die Übernahme des europäischen Zentralbankensystems durch Goldman Sachs nahezu komplett. Europa wird sich an größere geldpolitische Kollateralschäden gewöhnen müssen.

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Im Juli 2013 soll er Governor der Bank of England werden. Quelle: REUTERS

Nach Mario Draghi im Euroraum sitzt mit Mark Carney von Juli 2013 an auch in England ein ehemaliger Mitarbeiter von Goldman Sachs auf dem Chefposten einer wichtigen europäischen Notenbank. Der bisherige Chef der kanadischen Notenbank wird von Ökonomen und Wirtschaftsmedien sehr geschätzt. Carney habe maßgeblich dafür gesorgt, dass Kanada die Finanzkrise nach 2007 besser bewältigte als andere Länder, heißt es lobend. Aber ist Carney, der seit dem Wechsel Draghis zur EZB auch den Finanzstabilitätsrat FSB in Basel leitet, tatsächlich ein so begnadeter Notenbanker?

Zweifel sind angebracht. Denn wie Alan Greenspan und dessen Nachfolger Ben Bernanke an der Spitze der US-Notenbank ist auch Carney ein ausgewiesener Re-Inflationist und Spekulationsblasen-Banker. In Kanada konnte der designierte Chef der Bank of England zeigen, was er drauf hat. Dort sind die privaten Haushalte inzwischen ähnlich überschuldet wie in den USA vor dem Ausbruch der Subprime-Krise. Dafür gesorgt hat ein ungebremster Boom am kanadischen Immobilienmarkt, der maßgeblich vom spekulativen Kapitalzufluss chinesischer, japanischer und amerikanischer Gelder befeuert wurde. Das abgelegene Vancouver gehört heute zu den mit Abstand teuersten Städten der Welt. Drehen sich die Kapitalströme um, dann steckt auch Kanada ganz rasch in einer tiefen Schuldenkrise.

Die Ernennung von Carney zum Chef der Bank of England (BoE) ist eigentlich eine Katastrophe für Großbritannien und seine altehrwürdige Notenbank, die 1694 gegründet wurde. Aus Sicht der Politik war sie notwendig. Denn wie, wenn nicht mit der Notenpresse, soll das ausufernde britische Haushaltsdefizit finanziert werden? Erleichtert wurde Schatzkanzler George Osborne die Berufung Carneys möglicherweise durch die jüngsten Zahlen des Office for National Statistics (ONS). Denn laut ONS erreichten die ungedeckten Pensionsverpflichtungen in Großbritannien Ende 2010 gut 320 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung. Auf dem herkömmlichen Weg ist das nicht mehr zu bezahlen. Also musste ein willfähriger Notenbankchef her. Die alte Garde in der BoE hatte sich zudem vor einigen Wochen bei Osborne mit der provozierenden Einsicht unbeliebt gemacht, wonach der massive Aufkauf von britischen Staatsanleihen (Quantitative Easing) durch die BoE der darbenden britischen Wirtschaft kaum etwas gebracht habe. Carney aber wurde berufen, um die britische Kreditblase nach kanadischem Vorbild noch weiter aufzublasen. Die Konsequenzen dieser Politik sind vielfältig. Eine noch größere Blase am Anleihemarkt und eine dramatische Abwertung des Pfund Sterling gehören dazu.

 

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