Bank Vontobel „Wir haben Neuland betreten“

Im Zertifikategeschäft bahnt sich eine kleine Revolution an. Die Banken Vontobel und Commerzbank bieten eine Plattform an, die Zertifikate einfach vergleichen lässt. Es könnte der der Branche einen neuen Schub geben.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Hinter den Fassaden der Bank Vontobel arbeiten Experten an einer Revolutionierung des Zertifikategeschäft. Quelle: dpa

Im Zertifikategeschäft müssen sich die Banken auf schärferen Wettbewerb gefasst machen. In der Schweiz wollen im nächsten Jahr zwei elektronische Plattformen durchstarten, über die Anleger die Preise von verschiedenen Anbietern erstmals direkt vergleichen können. Was die Kunden freut, könnte vielen Banken das Leben schwer machen. Setzen sich die technologisch anspruchsvollen Plattformen der Bank Vontobel und der Commerzbank durch, dürften die Preise soweit sinken, dass kleinere Emittenten in Bedrängnis geraten. Der Schweiz kommt dabei eine Vorreiterrolle zu. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Dienstleistung auch in Deutschland und asiatischen Ländern zur Verfügung steht.

Weltweit sind einer Studie von Berenberg zufolge rund 1,4 Billionen Euro in Zertifikaten und Hebelprodukten angelegt. Asien und das restliche Europa sind zwar die größeren Märkte, doch hat die Schweiz die Entwicklung von strukturierten Produkten immer wieder vorangetrieben. So brachte die UBS-Vorgängerbank SBC Anfang der 1990er Jahre das erste solche Anlageprodukt auf den Markt.

Zertifikate sind Derivate, deren Kurs von der Entwicklung eines Basiswertes wie einer Aktie oder einem Index abhängt. Sie sind aus anderen Finanzinstrumenten zusammengesetzt. Diese Bausteine bieten praktisch unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten. Im Unterschied zu den meisten Fonds kann ein Anleger mit Zertifikaten auch auf sinkende und seitwärts tendierende Basiswerte wetten.

Anfang der 2000er Jahre automatisierte die UBS die Konstruktion und Vertrieb der Produkte. Eine Handvoll anderer Anbieter folgten. Die Automatisierung brachte drastische Einsparungen: So sackten die Kosten für die Erstellung eines Produkts von 4000 Franken (3325 Euro) auf nur noch zehn Franken ab. Damit waren für ein Produkt nicht mehr Mindestvolumen von mehreren Millionen Franken nötig. Statt von der Stange zu kaufen, was die Banken anboten, können sich Privatanleger bei einer Reihe von Instituten nun schon bei einem Volumen von 20.000 Franken ein Zertifikat maßschneidern lassen.


Erstmals Preisvergleich auf Knopfdruck

Einen Makel hatte das Ganze bisher. Wollten Investoren einen Überblick über die Preise haben, mussten sie Angebote von verschiedenen Banken einholen und diese dann aufwendig einem Vergleich unterziehen. Über eine neue Plattform, die die Bank Vontobel dieses Jahr unter dem Namen Deritrade auf den Markt brachte, können die Anleger auf Knopfdruck und in sekundenschnelle Angebote von fünf Emittenten wie Deutsche Bank, Morgan Stanley und UBS einholen und das günstigste gleich kaufen. Nächstes Jahr dürften es sogar sieben Emittenten sein, wie Vontobel-Manager Gerhard Meier erklärt. „Es ist die erste und einzige Multi Issuer Plattform auf der Welt“, sagt er. „Wir haben Neuland betreten.“

Aus der Sicht eines Anlegers funktionieren solche Multi Issuer Plattformen ähnlich wie Internet-Preisvergleichsdienste. Der größte Unterschied ist, dass die Offerten wie eine Maßanfertigung für jede Anfrage speziell berechnet werden. Anleger können zusammen mit ihren Beratern aus einem Baukasten ein Wunsch-Zertifikat zusammenstellen. Zur Wahl stehen rund 1000 Basiswerte von Aktien über Währungen bis zu Rohstoffen, Laufzeiten bis zu einem Jahr und eine Vielzahl von Mechanismen wie etwa Kapitalschutz.

Bis es soweit war, musste Vontobel viel Geld und Zeit investieren. Aus Sicht der Bank lohnt sich der Aufwand. „Wir sind über den Volumenaufbau schon im ersten Betriebsjahr erfreut und erwarten namhafte Erträge in absehbarer Zeit“, erklärt Meier. Um Größenvorteile zu nutzen, will Vontobel die Dienstleistung auch Kunden in anderen Ländern schmackhaft machen. In Hongkong und Singapur befinde sich das Institut in intensiven Gesprächen mit Emittenten und Distributoren, um den Service einzuführen. In Deutschland arbeite Vontobel an der Vertriebsstrategie.

Die Konkurrenz schläft nicht. Nach Ansicht von Commerzbank-Produktmanager Philipp Kalb hat sich noch kein fester Standard etabliert. Es bestehe genügend Platz für weitere Anbieter mit einem etwas anderen Modell. Innerhalb eines Jahres hat die Commerzbank die Handelsplattform Primegate auf die Beine gestellt. „2015 wollen wir nach und nach Kunden und Emittenten aufschalten“, erklärt Kalb. Zielmärkte seien die Schweiz und Deutschland.


Aufsichtsbehörden fordern mehr Transparenz bei Zertifikaten

Weitere Anbieter dürften auf den Zug aufspringen. In der Schweiz tragen sich Branchenkennern zufolge eine Bank und ein Informationsanbieter mit dem Gedanken, einen elektronischen Handelsplatz zu bauen. Die Schweizer Börse SIX, die viele Marktteilnehmer am liebsten als Betreiber einer solchen Plattform sehen würden, weil sie selbst keine Produkte anbietet, steht bisher an der Seitenlinie. SIX-Manager Christian Reuss ist überzeugt, dass Multi Issuer Plattformen Anlegern Vorteile wie Preistransparenz bieten. "Entsprechend standen und stehen wir Anbietern solcher Plattformen jederzeit als Partner zu Verfügung." Derweil arbeiten die sechs Großbanken BNP Paribas, Societe Generale, Barclays, HSBC, Goldman Sachs und JP Morgan in Asien an einem ähnlichen Projekt, das einem Insider zufolge im ersten Halbjahr 2015 starten soll.

Viele Experten gehen davon aus, dass sich solche Plattformen für standardisierte Zertifikate längerfristig durchsetzen werden. Ein wichtiger Grund: Die Aufseher verlangen zunehmend, dass Vermögensverwalter für ihre Kunden Preise vergleichen. Für Banken, die bei der Erstellung der Produkte immer noch viel Handarbeit einsetzen, dürfte es schwierig werden, preislich mitzuhalten. Entsprechend dürften von den rund 25 Emittenten in der Schweiz und den rund 40 in Deutschland nicht alle überleben.

„Ich erwarte, dass dasselbe passieren wird wie im Warrants-Markt vor einigen Jahren: Die Zahl der Anbieter wird massiv zurückgehen“, erklärt Christian König von der Beratungsfirma Finanzpro. Aber auch für die Multi Issuer Plattformen ist der Platz begrenzt: „Wir werden in den nächsten ein, zwei Jahren mehr Plattformen sehen“, erklärt ein Vermögensverwalter. „Dann wird ein Verdrängungsprozess einsetzen und am Ende werden sich eine oder zwei durchsetzen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%