Von einem Unsicherheitsabschlag ist bei Bankern die Rede. Auf die Frage, ob Bankaktien im Moment ein realistisches Bild vom Zustand der Institute abliefern, lächelt der Manager einer großen europäischen Bank gequält. Er hoffe, dass der Unsicherheitsabschlag, unter dem die Papiere der Banken zurzeit litten, bis Ende des Jahres wieder verschwunden sei.
Ob das realistisch ist, ist mehr als fraglich. Immerhin: bis Ende des Jahres wollen Europas Bankenaufseher individuelle Kapitalzuschläge für jede Bank festlegen und bestimmen, wie viel das Geldinstitut etwa für Dividenden ausgeben darf.
Die Unsicherheit der Anleger dürfte das allerdings nicht nennenswert tangieren. Schon der jüngste Stresstest, dessen Ergebnisse die Aufsichtsbehörden EBA und Europäische Zentralbank (EZB) am vergangenen Freitag veröffentlichten, konnte Europas Bankaktien nicht von ihrem Unsicherheitsfluch befreien. Insbesondere den Papieren von Deutscher Bank und Commerzbank droht eine lange Durststrecke, trotz Niedrigstkursen sind kaum Kaufsignale in Sicht.
So haben deutsche Banken beim Stresstest 2016 abgeschnitten
Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) hat 51 große Banken aus 15 europäischen Ländern unter die Lupe genommen. Sie prüfte mit der Europäischen Zentralbank eine ganze Reihe von Kennzahlen und testeten wie sich diese in verschiedenen Szenarien bis 2018 entwickeln dürften.
Zum einen spielte die EBA durch, wie es den Banken gehen wird, falls die Vorhersagen der Europäischen Kommission zur Konjunktur in den nächsten Jahren eintreten (Basisszenario). Zum anderen testeten sie die Institute auch im Szenario einer sehr viel schlechteren wirtschaftlichen Entwicklung (Adverses Szenario).
So haben die neun geprüften deutschen Banken abgeschnitten:
Kernkapitalquote (2015): 11,99 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 12,41 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 8,34 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -365
Kernkapitalquote (2015): 12,13 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 13,13 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 7,42 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -471
Kernkapitalquote (2015): 13,50 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 14,17 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 9,53 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -397
Kernkapitalquote (2015): 11,11 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 12,08 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 7,80 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -332
Kernkapitalquote (2015): 15,98 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 15,58 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 9,40 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -658
Kernkapitalquote (2015): 13,11 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 14,42 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 10,10 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -301
Kernkapitalquote (2015): 12,09 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 13,16 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 8,62 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -347
Kernkapitalquote (2015): 42,54 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 39,44 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 35,40 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -714
Kernkapitalquote (2015): 11,67 %
Kernkapitalquote nach Basisszenario (2018): 12,90 %
Kernkapitalquote nach adversem Szenario (2018): 9,55 %
Differenz 2015 vs adv. Szenario 2018 (in Basispunkten): -211
Dieter Hein, Bankenexperte des unabhängigen Analysehauses Fairesearch, glaubt nicht an eine Erholung. „Der Markt schätzt die Risiken höher ein als die Institute selber“, sagt Hein. Beide deutsche Großbanken hätten ihre Versprechen nicht gehalten, das würde der Markt bestrafen. Tatsächlich spricht vieles dafür, dass das gequälte Lächeln beim Thema Aktienkurs noch lange erhalten bleibt und die Papiere weiterhin deutlich unter dem Buchwert der Institute gehandelt werden.
Tiefer und tiefer
Zu Wochenbeginn verzeichneten die Aktien vieler europäischer Banken im Zuge des Stresstests Kursverluste. Während sich einige der Papiere aber am Mittwoch zumindest leicht erholten, verloren die Aktien von Deutscher Bank und Commerzbank weiter an Wert und schlossen beim nächsten Tiefstkurs. Vor allem die Commerzbank-Aktie wird immer mehr zum Pennystock. Hätten die Frankfurter nicht im April 2013 zehn Aktien zu einer zusammengelegt und damit den Kurs gestützt, dürfte es auf der Kurstafel noch schlimmer aussehen.
Nicht viel besser steht es bei der Deutschen Bank. Die Aktie fiel am Mittwoch ebenfalls auf einen erneuten Tiefststand und das Verhältnis vom Aktienkurs zum Buchwert liegt nur noch bei rund 25 Prozent. Am Dienstag flog das Papier gemeinsam mit Credit Suisse-Aktien aus dem Stoxx Europa 50, einem der wichtigen Aktienindizes in Europa. Einige Indexfonds müssen im Zuge der Index-Umstellung reagieren und Aktien verkaufen, das belastet das Papier zusätzlich. Im wichtigeren Euro Stoxx 50, in dem die 50 wichtigsten Konzerne der Euro-Zone gelistet sind, ist die Deutsche Bank zwar noch drin. Es besteht allerdings Gefahr, dass die Bank auch hier ihren Platz räumen muss, was erneut massive Verkäufe von Indexfonds nach sich ziehen dürfte.
Am Donnerstag und Freitag machten zwar beide Papiere einen Teil ihrer Verluste wieder gut. Einzelne fragen sich zwar, ob die Zeichen auf Erholung stehen und der Wiedereinstieg lohnt, aber die Grundskepsis ist hoch.
Mittlerweile bereiten die niedrigen Kurse von Europas Bankaktien sogar EZB-Chef Mario Draghi Sorgen. Das räumte der Italiener nach dem jüngsten Zinsentscheid ein. Kein Wunder, denn die Zentralbank ist auf starke Banken angewiesen, um mittels mehr Kreditvergabe ihr angestrebtes Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent zu erreichen.
Die Institute selber dagegen schieben den schwarzen Peter nur allzu gern auf die Niedrigzinspolitik der EZB, welche ihnen die Erträge madig macht, und die Aufseher, welche die Banken mit Regularien piesacken. Ein Ablenkungsmanöver, auf das Anleger nicht reinfallen sollten. „Die Kurse sind nicht ohne Grund niedrig“, sagt Hein. Problematisch sei weniger das Umfeld, als die hausgemachten strategischen Probleme der Banken. „Beide brauchen eine neue Strategie und ein anderes Management“, sagt Hein und bezieht sich dabei auf beide Frankfurter Großbanken.