Bargeldfans wittern Komplott Verschwörungstheorie: Endlich Bargeld abschaffen dank Corona?

Bargeld: Eine krude Verschwörungstheorie besagt, das absichtlich verbreitete Coronavirus diene mysteriösen Eliten gezielt als Argument, endlich das Bargeld abzuschaffen. Was ist da dran? Quelle: imago images

In Krisenzeiten haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur. Etwa die, dass Bargeldgegner in höchsten Positionen das Coronavirus gezielt in die Welt brachten, um Banknoten und Münzen einzuziehen.

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„Dawid Snowden“ hat eine ganz klare Meinung: Das Coronavirus ist eine Erfindung der Eliten. Die haben das Virus, das auch an Geldscheinen haften kann, vor allem deshalb kreieren lassen, um in der Folge das Bargeld abzuschaffen „und die Menschen so besser ausbeuten zu können“, behauptet der Mann mit dem an den berühmten Whistleblower Snowden angelehnten Namen.

Da viele Menschen offenbar verunsichert sind, was das die Versorgung mit und das Ansteckungsrisiko durch Bargeld angeht, hat auch die Deutsche Bundesbank dazu am Dienstag Stellung bezogen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld ist demnach auch in der Coronavirus-Krise gesichert. „Das Bargeld wird in Deutschland nicht ausgehen, unsere Tresore sind prall gefüllt, die Logistik stimmt“, sagte Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann in Frankfurt. Das gelte auch für den Fall, dass sich das Virus weiter ausbreite und zusätzliche Maßnahmen deswegen getroffen würden.

Beermann betonte zugleich, von Scheinen und Münzen gehe kein besonderes Ansteckungsrisiko aus. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) hatte bereits versichert, die Bevölkerung könne darauf vertrauen, dass sie „mit Bankdienstleistungen wie gewohnt versorgt wird“: Der Zahlungsverkehr mit allen Bezahlmöglichkeiten werde unverändert aufrecht gehalten, Geldautomaten würden ausreichend mit Bargeld bestückt. Die Bankmitarbeiter sollen für ihre Kunden weiter erreichbar seien - gegebenenfalls im Home Office.

Tatsächlich ist das Coronavirus nicht gut für das Image des Bargelds: Einer der obersten Seuchenschützer der Schweiz warnt vor mit Krankheitserregern belasteten Banknoten. Mark Witchi, Leiter der Sektion Impfempfehlung und Bekämpfungsmaßnahmen im Bundesamt für Gesundheit, hatte an einer Studie mitgeschrieben, der zufolge Grippeviren 17 Tage auf Schweizer Banknoten überlebten. Das Gleiche könne mit Coronaviren passieren.

US-Forscher haben für eine neue Studie nachgewiesen, dass das Coronavirus Sars-CoV-2 mehrere Tage auf Oberflächen überdauern kann. Das lebensfähige Virus sei in Luftpartikeln bis zu drei Stunden nachweisbar gewesen, auf Kupferoberflächen bis zu vier Stunden und auf Pappe etwa einen Tag, schrieben die Forscher mehrerer Institute in der Studie, die im „New England Journal of Medicine“ publiziert wurde. Auf Kunststoff und Edelstahl konnten lebensfähige Coronaviren noch nach zwei bis drei Tagen nachweisbar gewesen. Geldscheine oder Münzen wurden für diese Studie allerdings nicht untersucht.

Andere teilen die Befürchtungen nicht. Die Wahrscheinlichkeit, sich an Geldscheinen oder Münzen mit dem neuartigen Coronavirus zu infizieren, ist nach Einschätzung deutscher Experten sehr gering. „Das auf dem Geldstück klebende Virus würde ich mal weitgehend vergessen“, sagte dazu der Virologe Christian Drosten in einem NDR-Podcast. Der Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité erläuterte, bei Corona- und Influenzaviren handele es sich um behüllte Viren. Diese seien – anders als etwa Schnupfenviren – gegen Eintrocknung „extrem empfindlich“. Auch der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, der Infektiologe, René Gottschalk, hält eine Ansteckung mit dem Coronavirus über Scheine oder Münzen für unwahrscheinlich. Würde das Virus über Geldscheine oder Lappen übertragen, wären die Fallzahlen höher, sagte Gottschalk. Möglicherweise könne man die Viren auf Geldscheinen nachweisen, aber diese erreichten nicht die Keimzahl, um einen Menschen zu infizieren.

Eine Diskussion über die Risiken also. Das war es dann aber auch. Belege dafür, dass das Virus von Bargeldfeinden gezüchtet worden ist, hat kein Mensch, auch „Dawid Snowden“ nicht. Natürlich nicht.

Selbst die vergleichsweise harmlose These, dass die Epidemie Pläne zur Bargeldabschaffung befördert, funktioniert nicht: Bundesbank und Europäische Zentralbank teilen sogar mit, sie sähen nur ein vernachlässigbares Ansteckungsrisiko.

Die These von dem von Bargeldgegnern gezüchteten Coronavirus ist eine typische Verschwörungstheorie, von der auch in der Finanzwelt Hunderte kursieren. Das Muster ist immer gleich. Es gibt ein nicht restlos erforschtes Problem (Corona-Pandemie), einen wahren Kern (Keime können auf Geldscheinen haften), eine geheimnisvolle, nicht näher definierte Tätergruppe („Eliten“) und ein klares Ziel („Menschen ausbeuten“).

„Wo andere Zufall und Chaos sehen, entdecken Verschwörungstheoretiker einen perfiden Plan“, schreibt der Tübinger Amerikanist Michael Butter in seiner Studie „‚Nichts ist wie es scheint.‘ Über Verschwörungstheorien“. Laut einer Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung aus 2019 „meinen 46 Prozent der Befragten, es gäbe geheime Organisationen, die Einfluss auf politische Entscheidungen haben.“

Verschwörungstheorien sind kein neues Phänomen, in der Realität konnten sie schon schlimme Konsequenzen haben. Man denke nur an die Propaganda der Nationalsozialisten und ihre Vorläufer zur „zionistischen Weltverschwörung“. (Das iranische Staats-TV nahm die These auf und behauptete, zionistische Elemente hätten Coronaviren gegen Iran entwickelt). Durch das Internet und insbesondere die sozialen Netzwerke oder Plattformen wie Youtube können sie heute aber schnell millionenfach verbreitet werden. In ihren eigenen Filterblasen können Verschwörungstheoretiker ihre Ansichten weiter entwickeln und bei Bedarf auch immer neue vermeintliche Beweise vorlegen.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus unserem großen Stück über populäre Verschwörungstheorien aus der Finanzwelt: Das Coronavirus kommt aus chinesischen Biowaffenlabors, hinter der Kryptowährung Bitcoin steckt der US-Geheimdienst NSA, das Gold der Bundesbank ist schon lange weg – und wenn es an der Börse kracht, dann kauft ein geheimes US-Team: Durch die Finanzwelt geistern unzählige Verschwörungstheorien. Hier die spannendsten – von denen so manche sogar mehr als nur einen wahren Kern enthalten.

Mit Material von dpa

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