Warum hat Carsten Kengeter überhaupt Aktien gekauft?
Der ehemalige Investmentbanker kam im April 2015 zur Deutschen Börse. Ende des Jahres hat die Börse ihr Vergütungssystem für Vorstände geändert – das neue Programm soll den Vorstand darin bestärken, „die eingeschlagene Wachstumsstrategie nachhaltig zu verfolgen“ – soll heißen: weniger kurzfristige Orientierung, keine Boni, die, wie bei Banken in der Finanzkrise, zum Eingehen zu hoher Risiken verführen. Auch nach diesem neuen Programm bekommen Vorstände Aktien, deren Wert sich am Gewinn der Börse und am Abschneiden der Börsen-Aktie orientiert.
Ein anderes Programm aber, aus dem auch andere Vorstände bedient wurden, lief zum Jahresende aus, der so genannte Co-Performance-Investment Plan (CPIP). Der Aufsichtsrat der Börse wollte Kengeter aber noch etwas zukommen lassen und beschloss deshalb, ihm „einmalig die Möglichkeit zur Teilnahme am CPIP zu gewähren.“ Wenn er für maximal 4,5 Millionen Euro Aktien der Börse privat kaufen würde, bekäme er noch einmal für 4,5 Millionen Euro so genannte „Co-Performance Shares“, deren Wert am Erfolg der Deutschen Börse hängt. Geschenkt. Das ganze musste vermutlich, weil ab 2016 ja das neue Vergütungssystem in Kraft trat, noch flott vor Jahresende passieren. Und so geschah es dann auch.
Börsenchef Kengeter in Schwierigkeiten
Milliardenschwere Übernahmen, Umbau des Vorstands und die geplante Fusion mit der London Stock Exchange (LSE): Der Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, hat seit seinem Amtsantritt am 1. Juni 2015 ein hohes Tempo vorgelegt. Doch Anfang 2017 hat das Image des tatendurstigen Managers Kratzer bekommen. Der 50-jährige frühere Investmentbanker ist wegen des Verdachts des Insiderhandels ins Visier der Frankfurter Staatsanwaltschaft geraten.
Kaum im Amt als Vorstandschef bei der Deutschen Börse, zieht der Manager im Sommer 2015 zwei Übernahmen für mehr als 1,3 Milliarden Euro durch - die Devisenhandelsplattform 360T und das Indexgeschäft von Stoxx. Er krempelt den Vorstand um und gibt dem Aktienhandel wieder stärkeres Gewicht.
Sein Ziel: „Die Gruppe Deutsche Börse dorthin zu führen, wo sie hingehört - an die Weltspitze.“ Kengeter untermauert seinen Anspruch mit Fakten: Am 23. Februar 2016 werden die Fusionspläne mit London gekannt gegeben. „Größe ist in unserer Branche das A und O“, wirbt der gebürtige Heilbronner, dessen Familie in London lebt, für den Zusammenschluss.
Praktisch sein gesamtes Berufsleben arbeitete der studierte Betriebswirt als Kapitalmarktexperte bei internationalen Großbanken: Barclays, Goldman Sachs und schließlich bei der UBS, wo er als oberster Investmentbanker in die Konzernleitung aufstieg. 2013 verlässt der Vater von drei Kindern, der gerne Berg-Marathon läuft, die Schweizer Großbank.
Im Herbst 2014 präsentiert die Deutsche Börse Kengeter als Nachfolger von Reto Francioni. Als „prächtigen Fang“ für den Dax-Konzern bezeichnete die „Börsen-Zeitung“ den Manager vorab. Als Chef der neuen europäischen Mega-Börse hätte Kengeter mehr Zeit in London verbringen können, dort sollte der rechtliche Sitz der Dachgesellschaft des fusionierten Unternehmens sein. Aber die Fusion platzte endgültig nach dem Veto der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Ende März 2017.
Am 26. Oktober 2017 gab er seinen Rücktritt bekannt. Zum 31. Dezember 2017 verlässt Kengeter das Unternehmen.
Hat Kengeter von den Aktienkäufen profitiert?
Mit Sicherheit. Zum einen schenkte die Börse ihm knapp 69.000 Aktien (Co-Performance Shares) für 4,5 Millionen Euro. Wenn er nicht privat die anderen Aktien gekauft hätte, hätte er diese nicht bekommen. Zum anderen haben sich die gekauften Aktien gut entwickelt: Kengeter hat am 14. Dezember über das Handelssystem Xetra 60.000 Aktien zu einem Durchschnittspreis von 75,05 Euro gekauft, also Papiere für ziemlich genau 4,5 Millionen Euro. Die Aktie der Börse notierte zuletzt bei 81,50 Euro, im Moment hat Kengeter also einen Buchgewinn von knapp 390.000 Euro. Ganz nett, aber nicht unbedingt gewaltig angesichts einer Jahresvergütung von bis zu fünf Millionen Euro und der genannten 4,5 Millionen in Co-Performance Shares.
Kleiner Haken: Die gekauften Aktien darf er erst ab Anfang 2020 verkaufen, die geschenkten Aktien werden in drei Tranchen zwischen März 2019 und März 2021 ausgezahlt.
Was genau wird ihm vorgeworfen?
Insiderhandel, der laut Wertpapierhandelsgesetz verboten ist. Konkret heißt das: Niemand darf unter Verwendung einer Insiderinformation Aktien kaufen oder verkaufen. Eine Insiderinformation ist eine noch nicht öffentlich bekannte Information über Umstände, die geeignet sind, den Kurs der Aktie „erheblich zu beeinflussen.“ Die Tatsache, dass Deutsche Börse und London Stock Exchange über eine Fusion reden, ist ohne Zweifel eine Insiderinformation. Unstrittig ist auch, dass Kengeter Aktien gekauft hat. Noch nicht klar ist, wie konkret die Fusionspläne am 14. Dezember waren, als Kengeter die Aktien kaufte. Die Staatsanwaltschaft sagt, schon im Sommer 2015 habe es Gespräche des Top-Managements über eine Fusion gegeben.