Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding „Draghi hat auch den deutschen Mittelstand gerettet“

Der EZB-Chef kündigte vor zwei Jahren an, mit allen Mitteln den Euro zu retten. Kritiker fürchten hohe Inflation und sehen einen geldpolitischen Tabubruch. Alles Quatsch, sagt Holger Schmieding von der Berenberg Bank, einer der wenigen Ökonomen, der die EZB-Geldpolitik für richtig hält und die Eurozone auf einem guten Weg sieht.

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Holger Schmieding

WirtschaftsWoche: Herr Schmieding, zwei Jahre nach dem Schwur von EZB-Präsident Mario Draghi, den Euro retten zu wollen - koste es, was es wolle - kämpfen die Eurokrisenländer immer noch mit denselben Problemen: schwaches Wachstum, hohe Schulden. Wie lange lassen sich die wirtschaftlichen Probleme noch ignorieren, bevor die Schuldenkrise in Euroland erneut ausbricht?

Holger Schmieding: Probleme werden nicht unter den Teppich gekehrt. Davon kann keine Rede sein. Die Krisenländer haben sich einem harten Spar- und Reformprogramm unterzogen. Agenda 2010 hoch zwei. Mit Erfolg. Spanien, Portugal, Irland gehören jetzt zu den am schnellsten wachsenden Ländern Europas.

Die Arbeitslosenquote in Spanien liegt bei knapp 25 Prozent, in Griechenland bei rund 26 Prozent und in Portugal bei rund 14 Prozent. Dazu steigen die Schuldenquoten.

Draghi hat mit seinen Worten "whatever it takes" die Panik an den Finanzmärkten beendet und der vorab gelähmten Geldpolitik neue Schlagkraft verliehen. Deshalb erholt sich jetzt die Konjunktur. Mit seinen Worten hat Draghi übrigens auch den deutschen Mittelstand gerettet.

Zur Person

Das müssen Sie uns bitte erklären.

Inmitten der grassierenden Angst vor einem Zerfall des Euro war der Rückgang der Wirtschaftsindikatoren vor zwei Jahren in Deutschland genauso ausgeprägt wie in der Peripherie. Deutschland kam von einem höheren Niveau als Spanien, richtig. Aber auch Deutschland stand im Juli 2012 an der Schwelle zu der Rezession. Hätte die EZB den Euro platzen lassen, hätte die Krise auch Deutschland voll getroffen - mit steigender Arbeitslosigkeit und sinkenden Steuereinnahmen. Letztlich wäre auch Deutschland dann in eine Deflation gefallen mit all den Folgen wie in Japan. Gewinner von Draghis Geldpolitik ist also auch der deutsche Rentner, der auf Beitragseinahmen der Rentenkassen angewiesen ist, und der deutsche Arbeitnehmer, der einen Arbeitsplatz braucht.

Wo sich die Schuldensünder der Euro-Zone verbessert haben

Die Panik hat Draghi gestoppt, aber hilft seine Niedrigzinspolitik den Eurokrisenländern?

Draghi hat die Turbulenzen beendet, gerettet haben die Länder sich letztlich selbst. Die Wirtschaftsreformen an der Euro-Peripherie übertreffen die deutsche Agenda 2010 bei weitem. Spanien erlebt derzeit den stärksten Rückgang der Arbeitslosigkeit seit acht Jahren, ähnlich ist es in Portugal und Irland. Selbst in Griechenland, das von allen Ländern die größten Probleme hatte, sehen wir eine deutliche Wende. Erst mit dem Ende der Finanzmarktpanik konnte die Geldpolitik der EZB die Wirtschaft erreichen.

Die Draghi-Rede hat gewirkt wie ein geldpolitischer Impuls aus dem Lehrbuch. Es brauchte drei Quartale bis zum zweiten Quartal 2013, bis seine Worte in der Realwirtschaft angekommen waren. Bis zum Inflations-Tiefpunkt dauert es dann typischerweise noch ein Jahr. Danach legt auch die nominale Wirtschaftsleistung wieder zu und die Schuldenquote nimmt ab.

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