Beste Aktien der Welt: Sartorius „Der Fachkräftemangel wird gravierender“

Sartorius-Chef Joachim Kreuzburg. Quelle: imago images

Joachim Kreuzburg, Chef des Pharmazulieferers Sartorius, sieht Effizienzpotenzial bei Biopharmaka, stuft das eigene Chinarisiko als begrenzt ein und glaubt, dass der Fachkräftemangel sich verschärft.

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Deutsche Unternehmen müssen international um Wettbewerbsfähigkeit kämpfen. Das belegt auch die exklusive Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zur Ertragsstärke von weltweit über 2000 Unternehmen. Nur wenige Konzerne aus Deutschland schaffen es unter die Top-Werte ihrer jeweiligen Branche. Zu diesen Ausnahmen gehört der Pharmazulieferer Sartorius.

Unter den deutschen Unternehmen belegte Sartorius im BCG-Ranking Platz zwei, hinter dem Logistiker Hapag-Lloyd. Im internationalen Branchen-Vergleich erreichten die Göttinger Rang drei. Über die vergangenen fünf Jahre hat der Dax-Konzern den Aktionären im Schnitt einen Ertrag von 36 Prozent pro Jahr gebracht. BCG rechnete dabei sowohl den Kursgewinn als auch die ausgeschütteten Dividenden ein. Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche erklärt Vorstandschef Joachim Kreuzburg, warum es für den erfolgsverwöhnten Konzern zuletzt an der Börse nicht mehr rund lief. Er beschreibt auch, wie Sartorius nach dem Ende des Booms durch die Coronapandemie weiter wachsen will und wo in der Produktion von Biopharmaka noch Effizienzgewinne möglich sind.

WirtschaftsWoche: Herr Kreuzburg, Ihre jüngsten Quartalszahlen haben viele Investoren enttäuscht. Die Aktie brach um rund zehn Prozent ein. Was steckt dahinter?
Joachim Kreuzburg: Wir haben frühzeitig darauf hingewiesen, dass wir in den Jahren 2021 und 2022 von Sondereffekten durch die Coronapandemie profitiert haben. Ein Aspekt war dabei, dass das Geschäft mit Impfstoffherstellern nun wegfällt, ein weiterer, dass viele Pharmaunternehmen in dieser Zeit angesichts gestörter Lieferketten ihre Lager deutlich aufgestockt haben. Jetzt bauen sie den Lagerbestand wieder auf ein normales Niveau ab und bestellen temporär weniger. Danach wird der Bedarf an Verbrauchsmaterial wie Filter und Einwegbeutel wieder steigen.

Inflation, Zinserhöhungen und eine drohende Rezession belasten die Börsen. Anleger sollten daher in krisensichere und ertragsstarke Werte investieren. Das sind die erfolgreichsten aus weltweit 2000 Unternehmen.
von Martin Gerth, Matthias Hohensee

Die Coronapandemie läuft aus. Was sind die künftigen Wachstumstreiber für Sartorius?
Das sind dieselben wie vor der Pandemie. Mit unseren Produkten ermöglichen wir unseren Kunden eine schnellere und kostengünstigere Entwicklung und Produktion von Biopharmaka. Grundlegende Wachstumstreiber sind die insgesamt steigende und alternde Weltbevölkerung, verbunden mit einem verbesserten Zugang zu Gesundheitsleistungen in Schwellenländern. All dies führt zu einem höheren Bedarf an Medikamenten. Ein weiterer wichtiger Treiber ist Innovation, zum Beispiel der Fortschritt bei Zell- und Gentherapieansätzen. Dafür bedarf es dann neuer Technologien für die Entwicklung und Herstellung. Diese Treiber sind so nachhaltig, dass wir unsere Aussichten nach wie vor sehr positiv einschätzen.

Gibt es bei der Effizienz Grenzen nach oben?
Die biopharmazeutische Branche hat da bereits einen unheimlichen Sprung gemacht. So hat sich die Effizienz bei der Kultivierung von Zellen seit der Einführung der ersten Biopharmaka in den 80er-Jahren um etwa den Faktor zehn erhöht. Auch beim anschließenden Separieren der Wirkstoffe sind in erheblichem Maße Produktivitätsfortschritte erzielt worden. Es wäre aber sehr ambitioniert, die Effizienz nochmals um das Zehnfache zu steigern. Für möglich halten wir auf langfristige Sicht etwa den Faktor drei. Wirksam wird das allerdings nur bei neuen Medikamenten. Denn die Produktionsprozesse für Medikamente, die bereits auf dem Markt sind, werden nicht geändert.

Zur Person: Joachim Kreuzburg

Warum?
Weil der Produktionsprozess eines Wirkstoffs Bestandteil des Produktzulassungsverfahrens ist. Ändern Sie den Produktionsprozess, müssen Sie den Genehmigungsprozess zumindest teilweise erneut durchlaufen. Das ist für Pharmaunternehmen nicht effizient.

Wie wird die Biopharmaindustrie ihre Effizienz weiter steigern?
Die chemische Industrie hat seit Jahrzehnten kontinuierliche Produktionsprozesse, die rund um die Uhr laufen. Sie führen vorne Rohstoffe zu und hinten kommt das fertige Produkt heraus. Biopharmaka werden dagegen in vielen Einzelschritten in Chargen hergestellt. Nach der Produktion einer Charge wird der ganze Prozess neu gestartet. Weitere Produktivitätsfortschritte lassen sich also dann erzielen, wenn man möglichst viele Prozessschritte in der Produktion kontinuierlich fährt.

Die Pharmaindustrie sucht derzeit nach Durchbrüchen, beispielsweise bei Alzheimer. Bescheren künftige Erfolge dort Sartorius mehr Geschäft?
Bei Alzheimer besteht sicher ein großer, bisher nicht erfüllter Bedarf. Unsere Technologien sind jedoch unabhängig von der therapeutischen Anwendung. Ob es sich um ein Alzheimer- oder Krebsmedikament handelt, ist für uns kein Unterschied.

Was ist dann für Sartorius entscheidend?
Wichtig ist für uns, um welche Art von Biopharmazeutikum es sich handelt. Denn das macht einen Unterschied in Bezug auf die Größe und Struktur von Molekülen und damit auch hinsichtlich der Technologien, mit denen sich Wirkstoffe produzieren lassen. Die Moleküle von Wirkstoffen in der Gen- oder Zelltherapie sind beispielsweise größer und komplexer als die von monoklonalen Antikörpern, also immunologisch aktiven Proteinen. Diese Antikörper haben vor Jahrzehnten den Erfolg der Biopharmazie eingeläutet und sind für den Großteil des Fortschritts in der Krebstherapie verantwortlich.

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