Betrüger ziehen die Kurse hoch Die Aktien-Mafia kassiert Anleger ab

Schmierige Tippgeber ziehen die Kurse Hunderter Aktien nach oben und kassieren Anleger ab. Wer sind diese Leute, wer sind ihre Hintermänner, wie arbeiten und woran verdienen sie – und warum sind sie den Ermittlern immer einen Schritt voraus?

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Oberstaatsanwalt Philipp Zmyj-Köbel Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Akten, Akten – Stapel auf dem Sideboard, Ordner auf dem Schreibtisch, Papierberge am Beistelltisch. Sein Büro: groß wie ein Tanzsaal. Die „sehr großen Zimmer“ bräuchten die Frankfurter Fahnder, meint Oberstaatsanwalt Philipp Zmyj-Köbel, „weil man sonst wegen der Aktenberge nicht mehr reinkäme“.

Die Stapel in der Abteilung für Kapitalmarktstrafsachen dürften kaum kleiner werden. Am Main sind noch über 100 Verfahren offen, in denen es um Aktien geht, deren Kurse Betrüger manipuliert haben: Obskure Rohstoffunternehmen, Energieaktien oder Internet-Werte, deren Kurse stiegen, nachdem sie in Börsenbriefen oder im Internet empfohlen wurden. Werden Anleger angelockt, laden die Täter oder ihre Hintermänner eigene Papiere bei ihnen ab.

Zmyj-Köbel hebt die Tasse mit den chinesischen Motiven, nimmt einen Schluck Chai-Biotee, atmet ruhig durch – und scheint doch innerlich zu kochen. Die Akten stapeln sich auch, weil Leute fehlen, die sich in Wirtschaftssachen auskennen, sagt der 50-Jährige. „Wir haben zu wenig Personal bei der Polizei“, so der Oberstaatsanwalt, „mitunter werten meine Staatsanwälte selbst Konten aus, um Geschädigte zu ermitteln und sie anzuschreiben – eine Aufgabe, die eigentlich die Polizei übernehmen müsste.“

Anleger ausgenommen

Und doch ist Zmyj-Köbel mit seiner Abteilung zuletzt ein bemerkenswerter Schlag gegen eine vermeintliche Bande von Kursmanipulateuren gelungen. Sein Staatsanwalt Torsten Krach hat monatelang ermittelt, Telefone abhören lassen, Täter hinter Decknamen gefunden und mindestens vier Haftbefehle erwirkt. An die 50 Ordner füllen die Akten des Verfahrens.

Der daraufhin eröffnete Prozess vor dem Landgericht Frankfurt und Recherchen der WirtschaftsWoche zeigen erstmalig im Detail, wie das Netzwerk der Kurspusher funktioniert – vom Hintermann über den Vermittler bis hin zu Aktienhändlern, Bankern und Werbern.

Die Täter manipulieren Kurse und ziehen Tausende Anleger über den Tisch – mit zum Teil sehr plumpen Mitteln. Aktuell wirbt ein Anbieter im Newsletter mit „1000 Prozent Gewinn“. Wer das Kleingedruckte liest, merkt, dass den wohl andere einstreichen werden: Eigentümer und Mitarbeiter des Verlags dürfen die beschriebenen Papiere halten: „Wir möchten (...) davon profitieren, wenn die Aktien der von uns dargestellten Unternehmen an Wert gewinnen.“

Zum Prozessauftakt des Frankfurter Verfahrens finden sich im Saal I drei Herren ein. Die Staatsanwaltschaft hat sie wegen des Verdachts auf bandenmäßigen Betrug und Marktmanipulation angeklagt. Der prominenteste ist Ex-TV-Moderator Markus Frick, 41, Anfang 2013 festgenommen, 2011 vom Landgericht Berlin wegen Marktmanipulation in 36 Fällen zu 21 Monaten auf Bewährung verurteilt. Er hat Aktien empfohlen, die er über verschlungene Kanäle besessen und verkauft hat, als Anleger angebissen haben.

In Frankfurt wird Frick in Handschellen vorgeführt. Blasses Gesicht, die Hände übereinandergelegt, der Rücken krumm. Die Anklage: Frick und Komplizen sollen über die Börsenbriefe „Deutscher Aktiendienst“ und „Kursraketen24“ die Kurse des Shoppingportals LetsBuyIt, der heute insolventen Technologiefirma Autev und der auf Online-Spiele spezialisierten Venatus getrieben haben. Hintermänner hätten die Nachfrage der Leser genutzt, um Papiere loszuschlagen. Frick wurde durch seine TV-Show „Make Money“ auf N24 bekannt. Fans verschlangen sein Buch „Ich mache Sie reich“, abonnierten seine E-Mail-Hotline – und kauften, was er empfahl.

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