Betrüger ziehen die Kurse hoch Die Aktien-Mafia kassiert Anleger ab

Seite 4/7

"Let's sell at 2.11"

Renell zierte sich, Antworten blieben schwammig. Die BaFin musste mehrfach nachhaken. Aufträge seien „in der Regel mündlich erteilt“ worden, so die Bank. Nicht immer: In einer Mail zum Beispiel schreibt Khatib an einen Renell-Händler: „Let’s sell at 2.11“ – er wollte für 2,11 Euro verkaufen. Renell legt Wert darauf, dass die Bank Anfragen der Aufsicht „stets umfassend beantwortet“ habe.

Der Aufsicht reichten die Antworten der Bank jedoch nicht: Sie drohte Zwangsgeld an, Renell sollte 5000 Euro zahlen, weil nicht alle Fragen beantwortet worden seien. Es war nicht das erste Mal, dass Renell ins Visier der Behörde geraten ist: Eine Geldwäsche-Sonderprüfung der Aufsicht soll zu dem Ergebnis geführt haben, dass die Bank bei Geldwäsche-Kontrollen schwerwiegende Fehler machte. Die Bank schwieg dazu. Konsequenzen hat das alles ohnehin kaum. Die Vorstände amtieren noch, Renell betreut in Frankfurt rund 60 Aktien.

Auszug aus einem Vertrag zum Abverkauf einer Aktie, unterschrieben von Renell-Chef Marc Renell. Der Vertrag zeigt, dass Renell von den Verkaufserlösen 20 Prozent bekommen sollte – andere Banker dürften davon wohl bloß träumen. Renell hat Fragen der Redaktion zu dem Vertrag nicht beantwortet. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Schläft die Bankenaufsicht?

Klären kann das womöglich ein Bankinsider. Er will anonym bleiben, beim Treffen in einem Hinterhofcafé blickt er nervös umher. Die Aufsicht habe Renell mit Auskunftsersuchen überschüttet, sagt er. „Die BaFin hat zwar wild gefaucht, aber ist ja doch nur ein zahnloser Tiger.“ Die BaFin verwies in einer Stellungnahme auf ihre Verschwiegenheitspflicht.

Renell brachte alles an die Börse

Die Bank habe Dutzende zweifelhafte Aktien ins First Quotation Board gebracht. „Es hat sich sehr schnell rumgesprochen, dass Renell einfach alles an die Börse bringt“, sagt er. Banken bekommen für solche Listings Geld. Diese Gebühren aber sollen für Renell nur Peanuts gewesen sein: Zusätzlich hätten Manager von Renell auch mit dem Gedanken gespielt, sich Aktien übertragen zu lassen, sagt der Mann, und hebt seine Tasse an den Mund, als könne er sich dahinter verstecken. Renell bestreitet, jemals eine „Entlohnung in Form von Aktien“ bekommen zu haben.

Der Insider schiebt ein Blatt über den Tisch, die letzte Seite eines Vertrags, den Chef Marc Renell unterschrieben hat. Darin wurde festgelegt, zu welchem Preis wie viele Aktien eines Unternehmens verkauft und wie die Erlöse unter mehreren Partnern verteilt werden sollten. Renell sollte demnach 20 Prozent des Verkaufserlöses bekommen – für eine Bank extrem ungewöhnlich. Renell hat Fragen der Redaktion zu dem Vertrag nicht beantwortet.

Geld für die Briefkastengesellschaft

Die Frankfurter Staatsanwälte verdächtigen Renell-Mitarbeiter zudem, den Kurs und das Handelsvolumen einer anderen Aktie beeinflusst zu haben. Geschäfte sollen abgesprochen worden sein. Mitte März rückte dann die Staatsanwaltschaft Stuttgart bei drei Händlern an. Die Ermittler vermuten, dass sie die Aktie von Clean Enviro Tech, angeblich ein Technologieunternehmen, immer wieder ge- und verkauft haben.

Das ist zwar verboten, aber typisch beim Aktienpush: Anleger sollen glauben, dass ein Papier liquide ist, also jederzeit handelbar. Weder Renell noch Clean Enviro Tech haben Fragen dazu beantwortet. Letztere soll nur eine Briefkastengesellschaft ohne Mitarbeiter und Umsatz sein. Und der Push soll gelaufen sein, wie so oft: Aggressive Werbung für die Aktie, massiver Kursanstieg, Auftraggeber verkaufen eigene Papiere. Brutto sollen die Täter 2,3 Millionen Euro erlöst haben.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%