Bilanzen unter der Lupe Wie Dax-Unternehmen ihre Bilanzen aufpumpen

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Übernahmen pumpen den Goodwill auf

Bayer ist nicht allein. 2006 schaufelte BASF rund 50 Prozent des Kaufpreises von 3,8 Milliarden Euro nach dem Kauf des Katalysatorenherstellers Engelhard als Goodwill in die Bilanz. Continental packte ein Jahr später knapp sechs Milliarden Euro Goodwill in die Bilanz, nachdem die Niedersachsen Siemens die Tochter VDO Automotive für elf Milliarden Euro abgekauft hatten. HeidelbergCement ermittelte gleich 8,9 Milliarden Euro als Übernahmeprämie auf das Vermögen des Konkurrenten Hanson; bezahlt hatte HeidelbergCement mit zwölf Milliarden Euro kaum mehr. Sellhorn von der Uni München stellte für 18 Dax-Transaktionen im Jahr 2012 fest, dass fast die Hälfte aller gezahlten Kaufpreise für neue Töchter als Goodwill in der Bilanz auftauchte. Nicht einmal ein Drittel der Kaufpreise war wirklich „hartes Vermögen“, so Sellhorn.

Sorglosigkeit signalisiert nicht nur der hohe Kaufpreis, den Bayer bereit ist, zu zahlen. Im ersten Halbjahr 2014 kündigten Unternehmen nach Daten von Thomson Reuters Fusionen über fast 1800 Milliarden Dollar an – knapp drei Viertel mehr als vor Jahresfrist. Das ist das höchste Volumen seit dem ersten Halbjahr 2007, kurz bevor der Finanzcrash begann. Ein Großteil der damaligen Übernahmen hatten den Goodwill weiter aufgepumpt, so wird es auch diesmal sein. Dafür sprechen die enormen einzelnen Summen, die annonciert sind. Der US-Telekomkonzern AT&T will den Satellitenfernseh-Betreiber DirecTV inklusive Schulden für 67 Milliarden Dollar kaufen; der Medienriesen Comcast will sich den Kabelanbieter Time Warner Cable für 45 Milliarden Dollar einverleiben; das Überwachungsnetzwerk Facebook hat den Kurzmitteilungsanbieter WhatsApp für rund 19 Milliarden Dollar erworben. Auch das in Deutschland per Ende Juli annoncierte Übernahmevolumen liegt mit knapp 64 Milliarden Dollar auf dem höchsten Stand seit sechs Jahren.

Wie sich die Vermögen bilanzierten Übernahmen der Dax-30-Unternehmen entwickelt haben

Kurs passt sich nach unten an

Anleger dürften über kurz oder lang vor allem bei Unternehmen bluten, bei denen der Goodwill einen hohen Anteil am Eigenkapital ausmacht oder absolut betrachtet sehr hoch ist (siehe Tabelle links). Denn wenn das Eigenkapital über Gebühr belastet wird, drohen Kapitalerhöhungen. Die Konzerngewinne verteilen sich dann auf mehr Aktien, das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) steigt entweder, oder der Kurs passt sich nach unten an. Die KGVs steigen auch kräftig in die Höhe, wenn Anleger regelmäßige Abschreibungen auf den Goodwill unterstellen.

In den vergangenen beiden Jahren, in einer Phase guter Konjunktur also, verdienten die 30 Dax-Unternehmen zusammen jeweils gut 60 Milliarden Euro. Sollten auch in diesem und im kommenden Jahr die ausgewiesenen Gewinne stagnieren, wofür einiges spricht, dann würde eine regelmäßige Abwertung des Goodwill ein Drittel dieser Gewinne ausradieren. Etwa 40 Milliarden Euro Jahresüberschuss im Dax würden bei einem derzeitigen Dax von aktuell 9650 Punkten ein KGV von 24 ergeben – enorm teuer. Um das – geschätzte – KGV, die Kernkennzahl für die Aktienbewertung, zu ermitteln, dividieren Investoren den aktuellen Börsenwert eines Unternehmens durch den letztjährigen oder den erwarteten Jahresüberschuss des Unternehmens. Bei Bayer, der Deutschen Bank oder E.On etwa ginge jeweils das KGV deutlich nach oben und könnte von Käufen der Aktie abschrecken. Ganz zu schweigen von Unternehmen wie FMC oder HeidelbergCement die plötzlich rote Zahlen schreiben würden.

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