Die Digitalwährung Bitcoin hat am Dienstag erneut einen schweren Kurseinbruch verzeichnet. Marktbeobachter sprachen von einer starken Verunsicherung der Anleger. Zeitweise rutschte der Kurs des Bitcoins auf allen wichtigen Handelsplattformen deutlich unter die Marke von 12.000 US-Dollar. Der Abschlag betrug mehr als 17 Prozent, Tagesverluste in einer solchen Größenordnung hatte der Platzhirsch unter den virtuellen Währungen zuletzt im September verbucht.
Im Vormittagshandel ließ der starke Druck etwas nach, die Kurse erholten sich ein Stück weit, der Bitcoin mühte sich an der 12.000-Marke ab. In der vergangenen Nacht war er noch mit etwa 14.000 Dollar gehandelt worden. Starke Verluste gab es auch bei anderen Kryptowährungen wie Ether (20 Prozent im Minus) oder Ripple (-30 Prozent). Die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen ist laut Coinmarketcap.com in den Morgenstunden um zwischenzeitlich fast 100 Milliarden Dollar auf 560 Milliarden Dollar gefallen.
Seit dem Rekordhoch von Mitte Dezember, als der Bitcoin nach einem rasanten Höhenflug zeitweise bis an die Marke von 20.000 Dollar gestiegen war, hat die Digitalwährung mittlerweile etwa 40 Prozent an Wert verloren. „Anleger zeigen sich derzeit spürbar verunsichert“, sagte der Deutschlandchef des Onlinebrokers DailyFX, Timo Emden. „Zu sehr lasten aktuell Negativschlagzeilen auf der gesamten Cyberwährungswelt.“
Wenn die Nervosität im Markt wie derzeit steige, könne es besonders bei unerfahrenen Investoren und Händlern schnell für Frust sorgen, fügte Mati Greenspan, Kryptowährungsanalyst bei der Onlinetradingplattform eToro, hinzu. Der starke Preisanstieg beim Bitcoin im vergangenen Jahr hatte auch viele Kleinanleger in Cyberdevisen gezogen.
Zudem gab es in der vergangenen Tagen überraschende Preisbewegungen von Kryptowährungen aus der der zweiten Reihe – wie zum Beispiel bei Ethereum Classic. „In den vergangenen Wochen haben wir immer wieder ein ‚Pumping‘-Muster beobachten können: Eine einzelne Kryptowährung dominiert plötzlich für einige Tage den Markt, bevor ihr Preis wieder stagniert oder sogar deutlich fällt“, erläutert Greenspan.
Immer mehr Länder schieben dem Handel mit Kryptowährungen inzwischen einen Riegel vor. Südkorea denkt über ein komplettes Verbot nach. Die chinesischen Behörden planen laut Bloomberg, den Zugang zu in- und ausländischen Börsen für Cyber-Devisen zu blockieren. Ins Visier nähmen sie außerdem Personen und Firmen, die Dienstleistungen rund um den Börsenhandel mit virtuellen Währungen anböten.
China untersagte bereits im vergangenen Jahr die sogenannten Initial Coin Offerings (ICO). Dabei sammeln Firmen Geld bei Anlegern ein und geben statt Aktien oder Anleihen digitale Anteile (Token) aus. Diese werden dann als Kryptowährung an speziellen Börsen gehandelt.
Welche Anleger nicht vor Kryptowährungen zurückschrecken müssen
Außerdem gab es zuletzt Pressemeldungen, wonach die chinesische Regierung offenbar den hohen Stromverbrauch durch das Schürfen von Kryptowährungen wie Bitcoin drosseln will. Der Bitcoin hat in Asien eine große Fangemeinde, weshalb die Kurse auf Nachrichten aus den Krypto-Hochburgen China und Südkorea besonders stark regieren.
Der Bitcoin ist die bekannteste Digitalwährung. Anfang 2017 kostete ein Bitcoin noch weniger als 1000 Dollar. Vertreter der klassischen Finanzwelt sehen den Bitcoin auch wegen der hohen Kursschwankungen skeptisch.
Weltweit existieren über 1.000 verschiedene Kryptowährungen, die spätestens seit den Kurssteigerungen in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres und der Einführung von Bitcoin-Futures im Fokus von Anlegern stehen. „Während der Status-quo für viele Anhänger von Kryptowährungen nur der Anfang von etwas noch viel Größerem ist, gibt es wohl mindestens ebenso viele Stimmen, die Bitcoin & Co. mit der Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende oder Tulpenzwiebeln aus dem 17. Jahrhundert vergleichen“, meint Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank.
Dabei sei Kryptowährung nicht gleich Kryptowährung. Zwar basieren alle weitgehend auf der Blockchain-Technologie. Dennoch gibt es wesentliche Unterschiede in der Art der Geldschöpfung oder der Existenz einer Obergrenze für die Geldmenge.
Verglichen mit dem traditionellen Zahlungssystem bieten Kryptowährungen derzeit eine Möglichkeit, Überweisungen schnell, sicher und kostengünstig auch über Ländergrenzen hinweg vorzunehmen. Dieser Vorteil dürfe aber nicht über die hiermit einhergehenden Risiken hinwegtäuschen, warnt Bielmeier. So sei kein Händler, keine Privatperson und kein Staat verpflichtet, Bitcoin oder andere Kryptowährungen anzunehmen. Zudem bestehe im Falle einer Vertrauenskrise keine zentrale Institution, die stabilisierend eingreifen kann. Eine künftig strengere Regulierung oder gar Verbote können ebenso wenig ausgeschlossen werden wie Hackerangriffe auf Handelsplattformen.
Eigentümern von Kryptowährungen drohe im schlimmsten Fall nicht weniger als der Totalverlust ihres Engagements. Bielmeier sieht dennoch zwei Investorengruppen, die nicht unbedingt vor Kryptowährungen zurückschrecken müssen. Dies seien zum einen Menschen, die aufgrund ihrer ideologischen Ausrichtung nach Alternativen zum etablierten Finanzsystem suchten und ohnehin kein Vertrauen in Zentralbanken oder Finanzinstitute hätten.
Außerdem würden manche Finanzmarktakteure in Kryptowährungen die Zukunft der Finanzwelt sehen und rechneten mit weiteren Kurssteigerungen. Diese Gruppe könnte Bitcoin und Co. als Beimischung in ihr Portfolio aufnehmen. Anleger, denen das Risiko eines Totalverlusts zu groß sei, sollten aber nach Meinung des Volkswirts von Kryptowährungen Abstand nehmen.