Bitcoins Die Zockerwährung

Der Bitcoin-Kurs steigt dramatisch an, um danach in die Tiefe zu stürzen. Die Achterbahnfahrt zeigt: Die Online-Währung ist ein spannendes Experiment, als Zahlungsmittel taugt sie aber nicht. Eine Analyse.

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Tapfer bleiben: Am Freitag setzte der Bitcoin seine Achterbahnfahrt fort. Der Kurs gab um zehn Prozent nach und erholte sich wieder etwas, am Nachmittag war ein Bitcoin rund 915 US-Dollar wert. Quelle: Reuters

Frankfurt Wenn der Euro an einem Tag zwanzig Prozent an Wert verlieren würde, wäre das der ARD bestimmt eine Sondersendung wert. Eilig würde EZB-Chef Mario Draghi versichern, dass seine Leute die Lage im Griff hätten. Manche Sparer würden an seinen Worten zweifeln und ihr Geld in sichere Häfen bringen. Als die Internetwährung Bitcoin am Donnerstag mehr als zwanzig Prozent an Wert verlor, verursachten die Turbulenzen nur eine kleine Verwirbelung im Nachrichtenstrom. Bitcoins – war da was?

Für die Zitterpartie der Internetwährung interessieren sich allenfalls eingefleischte Fans, einige Glücksritter – und viele Anleger in den Schwellenländern, die den Bitcoin als Fluchtmittel entdeckt haben. Ansonsten lässt sich das Auf und Ab aus der Distanz beobachten. Die virtuellen Münzen sind ein spannendes ökonomisches Experiment, als Zahlungsmittel eignen sie sich aber nicht.

Bitcoins sind gewissermaßen die Antwort des Internets auf die Finanzkrise. Das Konzept dafür stellte 2008 ein gewisser Satoshi Nakamoto vor. Bis heute ist nicht klar, um welche Person es sich dabei handelt, oder ob sich hinter dem Namen womöglich ein Kollektiv verbirgt.

Auf lediglich neun Seiten skizzierte Nakamoto die Grundzüge eines elektronischen  Zahlungssystems, das ganz ohne Banken oder andere Mittelsmänner auskommt. Nakamoto verstand die Kryptowährung als libertäres Projekt: Bürger sollten nicht mehr vom Staat und den Banken abhängig sein.

Elektronische Zahlungsmittel gibt es schon länger, aber bislang braucht es stets eine zentrale Partei, die Transaktionen überwacht und dafür sorgt, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Bei Bitcoins übernehmen die Nutzer selbst diese Aufgabe. Genauer: die so genannten Bitcoin-Miner. Sie überprüfen die Bitcoin-Transaktionen und werden dafür mit neuen Bitcoins belohnt. Wenn eine der virtuellen Münzen den Besitzer wechselt, wird das unverrückbar in der Blockchain dokumentiert. Das ist ein öffentliches Kassenbuch, das von allen Bitcoin-Nutzern geführt wird.

Dabei fällt die Belohnung für das Schaffen neuer Münzen mit der Zeit automatisch geringer aus, die maximale Menge ist begrenzt. Das soll der Entwertung des Geldes vorbeugen. Ein revolutionäres Gesamtpaket, für das der Ökonom Bhagwan Chowdhry den Bitcoin-Erfinder Nakamoto für den Nobelpreis vorgeschlagen hat – das Nobelkomitee lehnte die Nominierung ab, weil der Preis nicht an anonyme oder verstorbene Personen verliehen werden kann.


So wertvoll wie Vonovia

Seit Satoshi Nakamoto die erste Bitcoins schürfte, hat sich viel getan: Um die virtuelle Währung entstand ein Ökosystem aus Tauschbörsen, professionellen Bitcoin-Minern und Spekulanten. Und doch taugen die virtuellen Münzen für die meisten Menschen weder als Währung noch als Investitionsobjekt.

Zwar wirken die Zahlen auf den ersten Blick eindrucksvoll: Knapp 15 Milliarden US-Dollar sind alle Bitcoins zusammengenommen wert. Doch unter den Währungen bleibt der Bitcoin damit ein Zwerg. Betrachtet man die Geldmenge, dann rangiert er nur knapp vor dem Trinidad-und-Tobago-Dollar. Alle Bitcoins zusammen sind also wenig mehr wert als die Währung des karibischen Inselparadieses. Ein anderer Vergleich: Sie sind in der Summe in etwa so viel Wert wie der Dax-Konzern Vonovia.

Das verwundert auch nicht, denn als Zahlungsmittel sind die virtuellen Münzen nicht sonderlich attraktiv. Starke Kursschwankungen sind für den Bitcoin nämlich nichts Besonderes – die 1100-Dollar-Marke hatte die Währung schon Ende 2013 zum ersten Mal geknackt. Unpraktisch ist auch, dass Bitcoin-Transaktionen ziemlich viel Zeit benötigen: Wer sein Mittagessen damit bezahlen will, möchte keine 50 Minuten auf die Bestätigung durch das Bitcoin-Netzwerk warten. So lange dauert es jedoch derzeit im Schnitt, bis eine Transaktion grünes Licht bekommt.

Viele Bitcoin-Fans bremst das nicht in ihrer Begeisterung. Ihnen geht es entweder ums Prinzip – oder um Profit. Aber auch als Investmentvehikel spielt dieses Geldmittel eine vergleichsweise kleine Rolle. Zwar haben auch Glücksritter und manche Fonds in Bitcoin investiert, aber die Marktkapitalisierung fällt verglichen mit anderen Anlagezielen überschaubar aus.

Die hohe Volatilität macht den Bitcoin allenfalls für Zocker interessant. Viele Investoren setzen darauf, dass der Wert dank der eingebauten Mengenbegrenzung quasi automatisch zunimmt. Davon profitiert freilich nur, wer angesichts der drastischen Kursschwankungen rechtzeitig den Absprung schafft oder einen sehr langen Atem beweist.

Für eine bestimmte Gruppe an Investoren ist der Bitcoin aber durchaus interessant – und so erklären sich Experten auch die jüngsten Kursschwankungen. Denn Bitcoins entziehen sich weitgehend der staatlichen Kontrolle. Das macht sie nicht nur für Kriminelle attraktiv, die damit zwielichtige Geschäfte abwickeln können, sondern auch für Menschen aus Ländern, in denen der Kapitalverkehr behindert wird.

Das dürfte auch erklären, weshalb die meisten Bitcoins in China geschürft und auch gehandelt werden. Die Landeswährung Yuan hatte im vergangenen Jahr rund sieben Prozent an Wert verloren. Damit Anleger nicht noch mehr Geld ins Ausland bringen, verschärfte der Staat die Kapitalverkehrskontrollen. Das scheint der Kryptowährung Aufwind verschafft zu haben. Wer in China Bitcoins erwirbt, kann sie im Ausland gegen eine andere Währung tauschen – und so Geld außer Landes bringen.

Die Regierung in Peking stört das. Verhindern konnte sie die kreative Kapitalflucht bislang jedoch nicht. Als der Yuan nun kräftig aufwertete, kehrte sich der Trend um, und für den Bitcoin ging es umso steiler bergab. Aus Angst vor einer weiteren Talfahrt warfen viele Investoren ihre Bitcoins auf den Markt – und befeuerten so den Preisverfall.

Was seine Fürsprecher als Vorteil des Bitcoin sehen, ist womöglich auch dessen größter Nachteil: Es gibt keinen Notenbankchef, der beruhigende Worte sprechen oder gar ins Marktgeschehen eingreifen könnte. Da ist nur ein Algorithmus, der immer neue Münzen produziert.

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