Halten Sie das aktuelle Bewertungsniveau am Aktienmarkt für fair?
Die Bewertungen sind derzeit durchaus sportlich. Das wird sich aber entspannen, wenn die Unternehmen mit verbesserten Umsatzdaten auch höhere Gewinne ausweisen. In punkto Bewertung sollten wir übrigens nicht mit zweierlei Maß messen. Wenn eine Anlageklasse überbewertet ist, dann Staatsanleihen.
Können wir die Krise denn allmählich abhaken?
Nein, die Krise ist nicht vorbei. Die Wachstumsraten für die Euro-Peripherie sind zu schwach, weil dort auf Neuverschuldung mit geldpolitischer Rückendeckung der EZB ohne klare Reformpolitik gesetzt wird. Selbsttragende, robuste Wirtschaftsaufschwünge sind damit nicht zu erzielen. Ein markanter Ansatz zur Verbesserung der Standortqualität sind Steuersenkungen. Neben der Agenda 2010-Politik haben gerade die deutlichen Unternehmenssteuersenkungen ab 1999 den Wirtschaftsstandort Deutschland maßgeblich verbessert und damit Arbeitsplätze geschaffen. Wenn also schon neue Schulden in den angeschlagenen Euro-Staaten gemacht werden, warum sollten die nicht auch zur Finanzierung von Steuersenkungen verwendet werden?
Dann werden die Euro-Länder aber ihre hohen Schulden nicht los, was doch Voraussetzung dafür ist, dass die Staaten sich wieder günstiger am Markt für Staatsanleihen refinanzieren können.
Im europäischen Vergleich liegen die Unternehmenssteuern in Frankreich und Italien an der Spitze. Senkungen auf ein wettbewerbsfähiges Niveau, wie etwa in Deutschland, würden endlich einen Ruck auslösen, ein verbessertes Investitionsklima schaffen, den Arbeitsmarkt beleben und – siehe da – zu vermehrten Steuereinnahmen führen. Anschließend kann man dann die Neuverschuldung reduzieren. Genau das sollte die Akzeptanz der wählenden Bevölkerung für diese angebotsorientierte Politik erhöhen. Nicht umsonst hat Irland seine Krise auch wegen geringer Steuern in den Griff bekommen. Es ist zu hoffen, dass der französische Staatspräsident Hollande seinen kürzlichen Steuersenkungsplänen bald Fakten folgen lässt. In der Zwischenzeit muss die EZB dafür Sorge tragen, dass die erhöhte Staatsverschuldung nicht zu Problemen an den Finanzmärkten führt. Aus dieser geldpolitischen Nummer kommen wir so schnell nicht heraus.